Apotheke erfüllt wichtige Aufgabe |
24.10.2013 16:31 Uhr |
Von Daniel Rücker, Düsseldorf / Damit Patienten passende OTC-Präparate verantwortungsbewusst einsetzen, ist die Beratung in der Apotheke äußerst wichtig. Darüber und über die generelle Rolle von Arzneimitteln zur Selbstmedikation diskutierten die Teilnehmer beim OTC-Gipfel in Düsseldorf.
Seit 2004 sind OTC-Medikamente ( over the counter = »über die Ladentheke«) nicht mehr erstattungsfähig. Dies hält die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) für falsch. Auf dem OTC-Gipfel des Apothekerverbandes Nordrhein forderte sie die Bundespolitik daher auf, die rechtliche Situation, die damals von der rot-grünen Regierung geschaffen worden war, zu überdenken. Zumindest in den Indikationen, in denen die meist nebenwirkungsärmeren Präparate für die Therapie wichtig seien, sollte eine Erstattung möglich sein.
Professor Theo Dingermann riet, im Team eine leitliniengerechte Liste von Arzneimitteln zu erarbeiten, die die Apothekenmitarbeiter bevorzugt empfehlen.
Foto: PZ/Alois Müller
Mehr Verschreibungen
Weil Patienten OTC-Arzneimittel selbst bezahlen müssen, hätten vor allem ärmere Menschen ganz auf diese Präparate verzichtet, so Steffens. Stattdessen suchten sie häufiger den Arzt auf und bekämen verschreibungspflichtige Arzneimittel verordnet – möglicherweise mit mehr Nebenwirkungen. Es habe eine deutliche Verlagerung von OTC- zu rezeptpflichtigen Medikamenten gegeben. »Ich kann mir deshalb nicht vorstellen, dass der Ausschluss von OTC-Arzneimitteln aus der Erstattungsfähigkeit im Sinne der Patienten war«, sagte die Ministerin. Zweifelhaft sei diese Entscheidung auch gewesen, weil sie zwar keine nennenswerten Einsparungen für die Krankenkassen gebracht, aber die Therapiefreiheit der Ärzte eingeschränkt habe.
Seitdem Ärzte keine OTC-Mittel mehr zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen verordnen dürfen, habe sich auch deren Wissen über diese Präparate reduziert. Die Apotheker und ihre pharmazeutischen Mitarbeiter seien deshalb für die Therapie deutlich wichtiger geworden. Zum einen müssen sie gemeinsam mit dem Patienten bei leichten Erkrankungen das richtige Arzneimittel aussuchen und die Therapie begleiten. Gleichzeitig müssten Apotheker und PTA aber auch erkennen, wann sie einem Patienten zum Arztbesuch raten müssen.
Auch nach Ansicht des Vorsitzenden des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis, schadet die Politik mit ihren Entscheidungen der Selbstmedikation. »Die vergangenen Regierungen haben wenig zur Stärkung der Selbstmedikation beigetragen«, sagte er. Mit der Ausgrenzung der OTC-Arzneimittel aus der Erstattungsfähigkeit und der gleichzeitigen Freigabe der Preise hätten die Präparate einen deutlichen Imageschaden erfahren. »Das war eine schlechte Entscheidung«, so Preis.
Imageschaden
Dumpingpreise im Internet und Rabattschlachten einiger Apotheken hätten OTC-Arzneimittel aus Sicht der Verbraucher zu Schnäppchen gemacht. Das Vertrauen in deren Wertigkeit und Qualität sei so infrage gestellt worden. Dies könne auch einen negativen Einfluss auf die Therapie haben. Den Apothekern und ihrem Team misst Preis eine entscheidende Rolle in der Selbstmedikation bei. Sie seien Kontrollinstanz und Unterstützer der Therapie in einem und steigerten mit ihrer Beratung die Effizienz der Behandlung.
Der Frankfurter Pharmazieprofessor Dr. Theo Dingermann betonte ebenfalls die anspruchsvolle Aufgabe, die dem Apothekenteam bei der Beratung zu OTC-Medikamenten zukommt. Er empfiehlt den Apotheken in diesem Zusammenhang, eine eigene, betriebsinterne Arzneimittelkommission (AMK) aufzubauen. Dieser sollten alle pharmazeutischen Mitarbeiter einer Apotheke angehören.
Besonders hilfreich beim Aufbau einer solchen Einrichtung seien Pharmazeuten im Praktikum. Sie hätten das aktuellste Wissen über Arzneimittel und seien auch in der Datenbankrecherche geübt. Wichtigste Aufgabe der internen AMK sei es, nachvollziehbar unter Berücksichtigung von Leitlinien die Arzneimittel zusammenzustellen, die alle pharmazeutischen Mitarbeiter je nach Indikation empfehlen sollten beziehungsweise generell in der Apotheke verwendet werden sollten.
Dabei denkt Dingermann vor allem an Arzneimittel der Selbstmedikation und empfiehlt, diese nach dem Evidenzgrad abgestuft zu bewerten. Ganz oben auf der Liste sollten Arzneimittel stehen, für die eigene klinische Studien vorliegen. Auf der untersten Stufe stehen für den Wissenschaftler Arzneitees und Nahrungsergänzungsmittel. Dingermann sieht zwar erhebliche Unterschiede zwischen diesen drei Stufen, grundsätzlich könne es aber sinnvoll sein, Präparate aller Evidenzgrade anzuwenden. »Es gibt Klassenunterschiede zwischen OTC-Arzneimitteln, deshalb muss man sie anlassbezogen einsetzen«, sagte Dingermann.
Gesamtmedikation wichtig
Die interne AMK der Apotheke müsse definieren, wann diese Medikamente eingesetzt werden können. Apotheker und PTA müssten dann in der Beratung entscheiden, welches Arzneimittel für den jeweiligen Anlass das beste ist und den Patienten über die Besonderheiten dieses Arzneimittels informieren. Außerdem gehöre ein Abgleich mit der Gesamtmedikation zu jeder Beratung dazu.
Dass Apotheker und ihre pharmazeutischen Mitarbeiter beim Thema OTC auch eine zentrale wirtschaftliche Rolle spielen, haben die Gesundheitsökonomen Cosima Bauer und Professor Uwe May im Rahmen einer Untersuchung belegt. »Selbstmedikation entlastet die Gesetzliche Krankenversicherung, die Patienten und die Ärzte«, sagte May. Laut einer Untersuchung in Österreich, die auch auf Deutschland übertragbar sei, spare jeder für ein OTC-Medikament ausgegebene Euro der Gesetzlichen Krankenversicherung rund 5 Euro. Apotheken trügen dazu bei, weil sie einen niedrigschwelligen Zugang zu OTC-Arzneimitteln ermöglichten und so die Selbstmedikation förderten. Sie erhöhten dadurch die Bereitschaft der Patienten, Befindlichkeitsstörungen selbst zu behandeln. Nach Ansicht der Wissenschaftler optimieren die Apotheken durch ihre Beratung den therapeutischen Nutzen der Selbstbehandlung, tragen zum Behandlungserfolg bei und helfen, Risiken und Nebenwirkungen zu vermeiden. Damit steigerten sie die Effizienz und die Wirtschaftlichkeit der Therapie.
Den wirtschaftlichen Nutzen der apothekengestützten Selbstmedikation beziffert May auf rund 4,5 Milliarden Euro. Das sei mehr, als die Inanspruchnahme der Apotheken in Deutschland im vergangenen Jahr gekostet habe. May kann diese Summe plausibel begründen: »Der OTC-Markt in Deutschland hat ein Volumen von etwa 5 Milliarden Euro pro Jahr. Wenn wir davon ausgehen, dass Apotheken 20 Prozent dieses Umsatzes induziert haben, dann wären dies 1 Milliarde Euro.« Stimmt die Erkenntnis, dass jeder für Selbstmedikation ausgegebene Euro 4,50 Euro spart, dann kommt man auf die Summe von 4,5 Milliarden Euro. Dies sei ein erheblicher gesundheitsökonomischer Nutzen, sagte May. Sein Fazit: »Die Apotheke ist allemal das wert, was sie im System kostet.« /
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