Hauptsache Herzklopfen |
10.08.2015 10:52 Uhr |
Von Claudia Herwig / Ich weiß, dass mein Herz weitaus mehr kann, als tagein, tagaus wie ein Schweizer Uhrwerk vor sich hin zu schlagen. Schließlich ist das Herz ein Wunderwerk der Natur. Und das beweist es jeden Tag aufs Neue. Besonders, wenn es um Emotionen geht.
»Gugung. Gugung. Gugung.« Kommt Ihnen diese wörtliche Umsetzung eines Herzschlags irgendwie bekannt vor? Richtig! Sie stammt aus dem Film »Dirty Dancing«. Und zwar aus der Szene, in der Patrick Swayze alias Johnny Castle, Jennifer Grey (alias Frances »Baby« Houseman, das prüde Mädchen mit den Locken und der großen Nase) beibringt, den Takt der Musik zu spüren. »It’s a feeling. A heartbeat«, haucht Johnny seinem Baby entgegen, nachdem er ihr mit der Hand auf ihrer Brust verdeutlicht, wie sich ein Herzschlag anfühlt. Kurz darauf setzt im Film der Song »Hungry Eyes« ein und Johnny erklärt Baby – breitschultrig vor ihr aufgebaut – die Sache mit dem Tanzbereich.
Foto: Imago/United Archives
Oh, Johnny! Wie sehr ich diese Szene liebe. Keine andere Figur der Filmgeschichte hat es geschafft, romantischer darzustellen, wie nahe Herzschlag und Gefühl beieinanderliegen. Mir jedenfalls geht dabei regelrecht das Herz auf. Und sagen Sie jetzt nicht, Sie hätten eben beim Lesen nicht wenigstens ein bisschen verträumt vor sich hin geschmunzelt!
Neben dem Anblick von Patrick Swayze in »Dirty Dancing« gibt es natürlich noch andere Dinge, die meinen Herzschlag in die Höhe schnellen lassen. Springen vom Fünfmeterbrett zum Beispiel. Schon beim Gedanken daran macht mein Herz vor Aufregung einen schmerzhaften Bauchplatscher. Und auch wenn ich nur daran denke, vor einer Gruppe von Menschen singen zu müssen, treibt das meinen Puls in Sekundenschnelle von Normal auf Turbo. Ich würde noch nicht einmal lauthals das Singen einstimmen, wenn ich alleine durch den Wald liefe und meine einzigen Zuhörer Bambi und Klopfer wären.
Aber zurück zum Herz. Das kann nämlich mehr, als vor Aufregung oder Lampenfieber zu rasen. Ist Ihnen aufgefallen, wie viele Ausdrücke, Adjektive und Redewendungen es in Verbindung mit unserem Herzen gibt? Mir haben es dabei besonders diejenigen angetan, die unsere Gefühlswelt beschreiben. Emotional ist das Herz nämlich sehr vielseitig aufgestellt. Es kann zum Beispiel – zum Glück nur wortgemäß – vor Glück fast zerspringen. Oder es kann vor Kummer schmerzen und sich bitterlich sehnen. Und da ich ausnahmsweise heute meine Gefühle offenlege und mein Herz mal auf der Zunge trage, verrate ich Ihnen, was mein Wunderwerk Herz alles kann.
In einer Sache ist mein Herz sehr gut trainiert: Nämlich im Takt der Musik zu schlagen. Als Kind rockte ich in meinem Kinderzimmer zu den Songs von Elvis, heute begeistert mich jede Art von Musik, die Takt und Melodie stimmig zueinander zu kombinieren weiß. Dabei kann mein Herz sich emotional auf viele verschiedene musikalische Richtungen einstellen. Bei langsamer Musik werde ich sentimental, bei fetziger Musik aktiv und der ein oder andere Song lässt mein Herz vor Freude springen wie einen Flummi aus der Hand eines Fünfjährigen. Das erfüllt mich mitunter mit solchen Glücksgefühlen, dass ich mein Herz am liebsten an der Hand nehmen und mit ihm zu »Love me Tender« oder »Blue Suede Shoes« in den Sonnenuntergang tanzen möchte.
Wiederholen ist gestohlen
Aber mein Herz ist nicht nur ein freudiges Wesen. Es kann auch tiefe Trauer empfinden. Vor allem dann, wenn ich es mal wieder an den Falschen verschenkt habe. Und wie das mit Geschenken eben so ist, habe ich nicht immer etwas dafür zurückbekommen. Aber: Geschenkt ist geschenkt und wiederholen ist gestohlen. Und so warte ich im schlimmsten Falle ab, bis mein Herz räudig wieder von alleine zu mir zurückkommt.
Um mich vor vorschnellem Verlust meines Herzens zu bewahren, besitzt mein Köper eine automatische Schutzfunktion: Ich präsentiere mein Herz nämlich nicht auf dem Silbertablett. Den Weg zu meinem Herzen zu finden, gleicht eher einer Ostereiersuche. Man muss schon hinter allen Türen und in jedem Winkel auf die Überraschung hoffen. Aber hat man den Schlüssel zu meinem Herzen einmal gefunden, strahlt der Inhalt wertvoller als ein funkelnder Diamant. Huch!? Jetzt werde ich aber theatralisch. Aber ich setze noch einen drauf.
Habe ich mein Herz verschenkt, dafür aber nichts zurückbekommen, droht mein Herz zu brechen. Ich höre zwar nicht, wie es zerspringt, dafür fühle ich es umso mehr. Jeder noch so kleinste Bruch gleicht einem meterlangen Riss in den Fundamenten des Taj Mahal. Oder, um es mit den Worten meines Kindheitsidols Elvis zu sagen: Ist mein Herz gebrochen, befinde ich mich auf der »Lonely Street to Heartbreak Hotel«.
Aber Herzschmerz gehört zum Leben dazu. Und er vergeht zum Glück meistens wieder. Für das Flicken meines Herzens habe ich aber in den vergangenen Jahren ein recht akzeptable Methode entwickelt: Ich benutze Kleber der Marke »Trauerprozess«. In den Stärken »Verdrängung«, »Wut«, »Verzweiflung« und »Akzeptanz«. Das funktioniert, um die Brocken wieder zusammenzufügen. Kleine Risse bleiben aber.
Das Herz, mein Alarmsignal
Mein Herz kann sein Tempo nicht nur steigern oder auseinanderbrechen. Es bleibt auch manchmal stehen. Na ja, wäre es wirklich schon einmal stehen geblieben, wäre ich wahrscheinlich jetzt nicht im Stande, diesen Text zu schreiben. Aber in manchen Situationen fühlt es sich eben so an, als würde mein Herz kurz innehalten, um sich zu überlegen, ob es weiterschlagen oder lieber stehen bleiben soll. Auf ein deutlich spürbares »Bumm!« folgt eine sich unendlich anfühlende Stille. Das passiert zum Beispiel, wenn ich mich erschrecke. Merke: Wer mir in einer dunklen Ecke, hinter einer Tür oder – wenn nicht gerade Halloween ist – im Horrorkostüm auflauert, spielt mit meinem Leben! Glücklicherweise hat sich mein Herz bisher immer dafür entschieden, weiterzuschlagen.
Es gibt auch Situationen, in denen sich mein Herz anfühlt, als würde es von innen heraus gegen meine Brust hämmern. Besonders dann, wenn ich mich in Situationen wiederfinde, die gefährlich werden könnten. Mein Herz trommelt dann mit seinen kleinen Fäusten gegen meine Brustknochen. Wahrscheinlich schreit es zusätzlich zum Klopfen mit heiserer Stimme noch »Mach, dass du wegkommst!« oder »Renn um dein Leben!«. Also renne ich. Und wenn mein Herz nach dem kurzen Aussetzer dann seine Pumpleistung wieder aufgenommen hat, schlägt es mir noch zwei, drei Mal heftig bis zum Hals, bevor es sich wieder normalisiert. Mein Herz neigt zu krassen Gegensätzen. Immer auf der gleichen Frequenz zu schlagen, liegt ihm nicht.
Was mein Herz noch kann? Sich öffnen. Und dabei denke ich jetzt nicht an sterile OP-Tische, mintgrüne Laken und ein angsteinflößendes Skalpell, sondern eher an Positionen beim Yoga, die das Herz weiten sollen, um Energie fließen lassen und sich für das Positive öffnen zu können. Es wäre übrigens schön, wenn mein Herz auch die Umkehrfunktion davon beherrschen würde: sich einfach wieder zu schließen, wenn es dabei ist, sich an den Falschen zu verschenken. Aber in diesem Fall hoffen ich und mein Herz noch auf medizinische Wunder. Aber Hauptsache, es schlägt bis dahin weiter vor sich hin. »Gugung. Gugung. Gugung.« /
Claudia Herwig arbeitete nach ihrer Ausbildung zur PTA sieben Jahre in einer Apotheke in Frankfurt am Main. Nach einem Kunstpädagogik-Studium ist sie heute als Online-Redakteurin in München tätig.