PTA-Forum online
Salz

Die Dosis macht den Unterschied

14.08.2018  16:16 Uhr

Von Inka Stonjek / Salz ist von deutschen Tellern nicht wegzu­denken. Doch hinter dem Mineral steckt mehr als nur ein reines Küchengewürz. Es ist lebenswichtig, im Übermaß kann es allerdings die Gesundheit schädigen.

Salz ist unter allen Edelsteinen, die uns die Erde schenkt, der kostbarste. Das sagte einst der deutsche Chemiker Justus von Liebig (1803 bis 1873). Ein treffender Vergleich, wurde Salz doch einst »weißes Gold« genannt und entsprechend teuer aufgewogen. Heute muss es nicht mehr aus fernen Ländern eingeführt werden und ist erschwinglich geworden. Auch in Deutschland wird Salz gefördert. Hierzulande beträgt der Anteil von Speisesalz knapp 3 Prozent der gesamten Salzproduktion, in 2014 waren dies rund 370 000 Tonnen Salz.

Speisesalz ist ein Gemisch aus zahlreichen anorganischen Verbindungen, wobei Natriumchlorid (NaCl) mit 97 Prozent die größte Bedeutung hat. Der Rest sind Nebenmineralien aus Calcium, Kalium, Magnesium und Natrium, die je nach Herkunft und Herstellungsverfahren als Sulfate, Carbonate, Bromide oder Chloride vorliegen. Auch Tonsubstanzen (Silikate) können natürlicherweise enthalten sein. Zudem lässt die Zusatzstoff-Zulassungs- beziehungsweise Zusatzstoff-Verkehrs­verordnung die Zugabe von Trennmitteln und Rieselhilfen zu. Diese sorgen dafür, dass das Salz trotz seiner Eigenschaft, Wasser zu binden und zu verklumpen, rieselfähig bleibt. Die Funk­tionsweise variiert dabei: Einige Trennmittel sind staubfein und legen sich wie ein Polster um einzelne Partikel. Andere chemische Substanzen verringern die elektrische Anziehungskraft der Teilchen und verhindern auf diese Weise das Verklumpen.

Salz ist lebenswichtig

Auch im menschlichen Körper gibt es Salz. Erwachsene besitzen einen Pool von etwa 150 bis 300 Gramm, der überwiegend gelöst in der extrazellulären Flüssigkeit als positiv geladene Natrium- und negativ geladene Chlorid­ionen vorliegt. Natrium vermag durch seine Ladung an Nerven- und Muskelzellen ein elektrochemisches Gefälle auszubilden, über das die Zelle Reize weitergeben kann. Auf diese Weise reguliert es beispielsweise den Wasserhaushalt und den Blutdruck.

Speisesalz ist die Hauptzufuhrquelle für Natrium und Chlorid. Täglich sind nur wenige Gramm nötig, um Verluste durch Schwitzen und Ausscheidungen auszugleichen und auf diese Weise den individuellen Salzhaushalt konstant zu halten. Förderlich ist, dass der Mensch Salziges mag. Dafür hat er extra einen eigenen Geschmackssinn entwickelt. Trotzdem ist die Dosis entscheidend: In der richtigen Dosis gibt Salz vielen Speisen die entscheidende Würze. Zu viel dagegen macht Speisen ungenießbar. Außerdem macht salziges Essen kurzfristig durstig, über einen längeren Zeitraum trinkt man insgesamt jedoch weniger. Denn dann löst das Salz offenbar in den Nieren einen Wasserspar-Mechanismus aus.

Jod, Fluor und Folsäure

In Deutschland und in vielen anderen Industrieländern wird Speisesalz oft mit Mikronährstoffen angereichert, um einer Unterversorgung der Bevölkerung vorzubeugen. Das sind vor allem Jod, das für die Synthese der Schilddrüsenhormone Thyroxin und Trijodthyronin gebraucht wird, kariesprophylaktisch wirksames Fluorid und die zu den B-Vitaminen zählende Folsäure, die an der Zellteilung beteiligt ist.

Diese Anreicherung von Grund­lebensmitteln – Ernährungs­wissenschaftler sprechen von Fortifizierung – wird bereits seit dem ersten Viertel des 20. Jahrhunderts als Präventionsstrategie praktiziert. Sie ist noch immer gesundheitspolitisch erwünscht, aber ebenso wie die Verwendung bei der Herstellung und Zubereitung von Lebensmitteln freiwillig. Alle drei Nährstoffe sind – in entsprechend gekennzeichneten Salzprodukten – in einer Konzentration enthalten, in der die Aufnahme auch bei hohem Salzverzehr voraussichtlich nicht das empfohlene Maß überschreitet: Pro 1 g Salz sind 25 µg Jod, 250 µg Fluorid und 100 µg Folsäure erlaubt. Zudem wird Salz als Träger für den Konservierungsstoff Nitrit verwendet. Nitritpökelsalz ist wichtig bei der Herstellung von Fleisch- und Wurstwaren.

Erwachsenen empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) maximal 6 g jodiertes und fluori­diertes Salz am Tag, was etwa einem Teelöffel entspricht. Für Kinder liegt die empfohlene Verzehrmenge laut Weltgesundheitsorganisation WHO zwischen 2 (ein bis drei Jahre) und 5 g (sieben bis zehn Jahre). Tatsächlich liegt der Salzverzehr in Deutschland viel höher, denn die Deutschen mögen es pikant. Vor allem Männer, Kinder und Jugendliche essen viel zu salzig. Laut aktuellen Zahlen des Bundes­ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) überschreiten rund 75 Prozent der Männer und knapp 70 Prozent der Frauen die DGE-Empfehlung, Frauen im Schnitt um 2 g, Männer sogar um 4 g.

Allerdings stammt nur ein Bruchteil dieser Menge aus dem heimischen Salzstreuer. Der Großteil ist in indus­triell verarbeiteten Lebensmitteln versteckt. Brot, Käse und Wurst spielen dabei aufgrund ihres hohen Stellenwerts in der Ernährung die größte Rolle. Nach Angaben des BMEL stammt ein gutes Viertel des täglich verzehrten Salzes aus Brot, gefolgt von Fleisch- und Wurstwaren (18 Prozent) sowie Käse und Milchprodukten (10 Prozent).

Langfristig zu viel Salz aufzunehmen, kann Bluthochdruck verursachen. Das wiederum kann zu ernsthaften Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall führen. Zur Regulierung des Blutdrucks stehen Blutgefäße, Botenstoffe, Organe und das Nervensystem miteinander in Wechselwirkung. Noch ist das feine Regelwerk nicht bis ins letzte Detail erforscht. Immer wieder entdecken Forscher neue Vorgänge im Körper, die von Salz beeinflusst werden.

Die Annahme, dass der Körper ein kurzfristiges Gleichgewicht des Salzhaushalts anstrebt und überflüssiges Natrium innerhalb von 24 Stunden ausscheidet, hat ein Isolationsexperiment ins Wanken gebracht. Dieses wurde im Rahmen der Mars-500-Mission, einer simulierten Reise zum Mars in den Jahren 2009 und 2010, durchgeführt. Dort folgte die Natrium-Ausscheidung einem Rhythmus, der sich etwa alle sechs Tage wiederholte – trotz gleicher Zufuhr. Offenbar speichert der Körper unabhängig von der Kochsalzzufuhr über Monate hinweg Natrium und setzt es wieder frei. Eine bestehende Annahme konnte die Studie immerhin bestätigen: Weniger Kochsalz in der Nahrung senkte den Blutdruck – auch bei den gesunden Probanden.

Resistent und sensitiv

Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bescheinigt auf Basis der aktuellen Datenlage dem Zusammenhang zwischen Salzkonsum und Bluthochdruck überzeugende Evidenz. Sicher ist allerdings auch, dass nicht alle Menschen gleich reagieren. Während sich der Blutdruck bei salzresistenten Menschen nur geringfügig verändert, reagieren Salzsensitive stärker. Zu dieser Gruppe gehören nach Angaben der Deutschen Hochdruckliga etwa 30 bis 50 Prozent der Hypertoniker und 10 bis 20 Prozent der Menschen mit normalem Blutdruck. Problematisch ist, dass sich nicht alle Menschen zuverlässig einer der beiden Gruppen zuordnen lassen. Das spricht für eine volkswirtschaftliche Pauschallösung, nämlich den Konsum insgesamt zu senken. Davon profitieren die einen, während die anderen keinen Nachteil haben.

Kein Komplett-Verzicht

Mit einer Beschränkung auf die em­pfohlene Dosis von 6 g am Tag lässt sich ein erhöhter Blutdruck um bis zu 8 mm Hg senken, ein normaler Blutdruck um 1 bis 2 mm Hg. Wichtig zu wissen: Salz komplett zu meiden, ist ebenfalls kon­traproduktiv. In verschiedenen Studien erlitten Teilnehmer, die sehr wenig Salz zu sich genommen hatten, sogar eher Schlaganfälle und Herzinfarkte als Teilnehmer mit normaler Salzzufuhr.

Seit 2016 muss bei vielen Produkten der Salzgehalt in der Nährwertkennzeichnung offenbart werden. Zudem erarbeitet das BMEL eine Strategie für die Reformulierung von Lebensmitteln. Den Salzstreuer selbst etwas sparsamer einzusetzen, gelingt dabei einfacher als gedacht – wenn man sich mit der Umstellung etwas Zeit lässt. Laut Angaben der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen nehmen die meisten Menschen eine schrittweise Salzreduzierung in Speisen gar nicht wahr.

Schmutz im Salz

In den vergangenen Monaten ist ein weiteres Gesundheitsrisiko durch Salz in den Fokus gerückt. In der Meersalz-Variante Fleur de Sel haben Wissenschaftler der Universität Oldenburg Mikroplastik nachgewiesen. Sie hatten im Auftrag des NDR-Verbrauchermagazins »Markt« fünf der meistverkauften Sorten aus Supermärkten und Feinkostläden auf Rückstände untersucht. Nach Angaben von Professor Dr. Edmund Maser vom Institut für Toxikologie und Pharmakologie der Universität Kiel müsse man davon ausgehen, dass damit Schadstoffe in den menschlichen Körper gelangen. »Mikroplastik kann sich mit Substanzen wie DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan), Dioxin, aber auch mit Schwermetallen anreichern und die Freisetzung dieser Stoffe im Körper beschleunigen«, so Maser.

Ins Meer gelangen die winzigen Plastikpartikel auf unterschiedlichen Wegen. Die mengenmäßig bedeutsamste Quelle sind große Plastikteile von Schwimmflügeln bis zum Fischernetz, die im Laufe der Zeit durch Wind, Wetter und Gezeiten zermahlen werden (sekundäres Mikroplastik). Den mengenmäßig kleineren Anteil hat sogenanntes primäres Mikroplastik, das von Anfang an so klein hergestellt wurde. Dazu gehören beispielsweise Granulate für die Plastikproduktion, Schleifpartikel aus Kosmetikprodukten oder Partikel, die in der Medizin als Vektor für Arzneimittel-Wirkstoffe Anwendung finden. Auch moderne Textilfasern enthalten größere Mengen Mikroplastik. Bis zu 2000 Fasern aus Fleece-Kleidungsstücken gelangen pro Waschgang über Fließgewässer in die Meeresumwelt, da sie von den Klärwerken nicht zurückgehalten werden können. /­

Was ist was?

Speisesalz wird aus unterirdischen Steinsalzlagern, aus Meerwasser oder aus natürlicher Sole gewonnen. Es ist unter verschiedenen Bezeichnungen im Handel erhältlich, die sich meistens auf den Ursprung, die Gewinnung oder besondere Zutaten beziehen:

  • Speise- oder Kochsalz stammt aus Lagerstätten, aus denen es trocken (bergmännisch, zum Beispiel im Bohr- oder Sprengverfahren; Steinsalz) oder nass (durch Aussolung, ­indem Wasser in die Lagerstätten geleitet wird; Siedesalz) gewonnen werden kann. Es stellt etwa 70 Prozent des weltweiten Salzbedarfs ­sicher.
  • Meersalz wird aus Meerwasser ­gewonnen, indem man es in flachen Becken verdunsten lässt. Es deckt etwa 20 Prozent des weltweiten ­Bedarfs an Speisesalz. Deutschlands erstes Meersalz stammt von Sylt.
  • Fleur de Sel wird ebenfalls aus dem Meer gewonnen. Es kristallisiert an heißen und windstillen Tagen als hauchdünne Schicht an der Wasseroberfläche aus und wird dort in der Regel mit einer Holzschaufel von Hand abgeschöpft. Es gleicht Flocken: extrem zart, fein und mild und schmilzt sehr schnell.
  • Himalaya-Salz stammt überwiegend aus einem Salzgebirge in Pakis­tan. Seine zart-rosa Farbe verdankt es winzigen Mengen an Eisenoxid. Dass es besonders hohe Mengen an weiteren Mineralien enthält, ist wissenschaftlich nicht belegt.
  • Gewürzsalze sind Mischungen aus Speisesalz, Gewürzen, Kräutern und anderen würzenden Zutaten wie gefriergetrocknetem Gemüsegranulat, teils auch Speisewürze, Glutamat und Aroma. Nach den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuchs muss Gewürzsalz mindestens 40 Prozent Salz und 15 Prozent ­Gewürze enthalten.