Fünf Faktoren senken das Risiko |
11.11.2014 09:36 Uhr |
Von Ewelina Ellinger / Mehr als eine Million Menschen erkranken jährlich weltweit an Darmkrebs, allein in Deutschland sind jedes Jahr knapp 60 000 Menschen betroffen. Damit ist das kolorektale Karzinom bei Frauen die zweithäufigste und bei Männern die dritthäufigste Krebserkrankung. Eine aktuelle Studie liefert erstmals konkrete Daten zum Erfolg von Präventionsmaßnahmen.
Darmkrebs ist ein bösartiger Tumor des Dickdarms oder Mastdarms. Es dauert viele Jahre, bis er entsteht. Eine Veränderung in einem einzelnen Gen reicht dafür meist noch nicht aus. Erst die Anhäufung von Mutationen in mehreren bestimmten Genen führt dazu, dass sich aus normalem Darmepithel zunächst eine gutartige Vergrößerung (Darmpolyp) und schließlich ein bösartiger Tumor entwickelt. Die lange Entwicklung dieser Karzinomart spiegelt sich auch in der Altersstruktur der Betroffenen wider. Laut dem Robert-Koch-Institut sind lediglich 10 Prozent aller Darmkrebs-Patienten jünger als 55 Jahre, die Hälfte ist über 70 Jahre alt. Dies bedeutet zugleich aber auch, dass viel Zeit zur Verfügung steht, der Entstehung von Darmkrebs vorzubeugen.
Foto: Fotolia/Jeanette Dietl
Betrachtet man die weltweite Verteilung der an Darmkrebs erkrankten Patienten, fällt auf, dass die Anzahl der Neuerkrankungen in den Industrieländern besonders hoch ist. Es handelt sich also um ein Problem der westlichen Lebensgewohnheiten. Schon lange ist bekannt, dass Zigarettenkonsum, Bewegungsmangel und fettreiche Ernährung Krankheiten wie Krebs begünstigen. Aber gilt das auch umgekehrt? Hat ein gesunder Lebensstil automatisch ein nachweislich vermindertes Darmkrebs-Risiko zur Folge? Die Antwort ist Ja! Das legt zumindest eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern um Professor Dr. Heiner Boeing und Dr. Krasimira Aleksandrova vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) nahe, die in der Fachzeitschrift BMC Medicine veröffentlicht wurde. Den Forschern ist es mit Hilfe einer groß angelegten, europäischen Langzeitstudie gelungen, konkrete Zahlen für den präventiven Effekt von fünf Faktoren zu benennen, um dem kolorektalen Karzinom vorzubeugen. Dazu haben die Forscher über zwölf Jahre Daten zu Gewicht, Ernährung, Bewegung sowie Rauch- und Trinkgewohnheiten von fast 350 000 Frauen und Männern zwischen 25 und 70 Jahren ausgewertet.
Körpergewicht
Übergewicht gilt schon lange als ein wesentlicher Faktor, der die Entstehung von Krebs direkt und indirekt über Krankheiten wie Diabetes fördert. Fettgewebe ist am Stoffwechsel bestimmter Hormone beteiligt und fördert beispielweise die Produktion von Insulin. Insulin, das Hormon der Bauchspeicheldrüse, ist dafür verantwortlich den Blutzuckerspiegel zu regulieren. Liegt ein erhöhter Insulinspiegel vor, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Darmpolypen bilden, erhöht.
Als normalgewichtig gilt, wer einen Body-Mass-Index (BMI) zwischen 18 und 25 hat. Da der BMI die individuelle Fettverteilung nicht berücksichtigt, wird zur Beurteilung immer häufiger der Taillenumfang herangezogen. Bei Frauen sollte er unter 80 Zentimetern liegen, bei Männern unter 94 Zentimetern. Wer diese Kriterien erfüllt, hat ein nachweislich geringeres Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken. Da in Deutschland sehr viele Personen übergewichtig sind, ergibt sich automatisch ein großer Personenkreis, der von einer Gewichtsabnahme profitieren würde.
Bewegung
Sport ist nicht nur eine hervorragende Methode, um den Kreislauf in Schwung zu bringen und seine Figur zu formen, er schützt auch vor Darmkrebs. Der Grund ist zum einen die Vermeidung von Übergewicht, zum anderen werden im Körper Prozesse angekurbelt, die einer Krebsentstehung entgegenwirken. Das Immunsystem wird gestärkt und kann die Reparatur von DNA-Schäden besser unterstützen. Auch auf epigenetischer Ebene hat Sport eine große Bedeutung, wie mehrere wissenschaftliche Studien belegen. Regelmäßige Bewegung verändert das Methylierungsmuster von Genen, das wiederum Einfluss auf die Aktivität bestimmter Genabschnitte hat. Bei Brustkrebspatientinnen, die sportlich aktiv sind, fanden Mediziner zum Beispiel eine veränderte Methylierung an 43 Genen. Eines dieser Gene ist für die Hemmung des Tumorwachstums verantwortlich und wies bei den Patientinnen aufgrund der veränderten Methylierung eine gesteigerte Aktivität auf. »Diese ersten Ergebnisse belegen, dass Sport direkt oder indirekt auf die Funktionsweise der Gene wirkt«, so Professor Michael H. Schoenberg, Chefarzt der Chirurgie am Rotkreuzklinikum München. »Wir können somit dem Krebs davonlaufen.«
Wichtig für die Früherkennung: Bei der Darmspiegelung erkennt der Arzt auch sehr kleine Tumoren und Polypen.
Foto: Felix-Burda-Stiftung
Rauchen
Ein Drittel aller Todesfälle durch Krebs lässt sich auf Rauchen zurückführen. Damit ist nicht nur Lungenkrebs gemeint. Der regelmäßige Zigarettenkonsum über mehrere Jahre hinweg erhöht auch das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Tabak besteht aus einem Gemisch unterschiedlicher, krebserregender Komponenten. Diese können die DNA zum einen direkt schädigen und zum anderen die Gen-Aktivität über eine verminderte Methylierung verändern. Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) fanden heraus, dass diese Auswirkungen proportional mit der Dauer und Menge des Zigarettenkonsums korrelieren. Je länger und mehr jemand raucht, desto höher ist sein Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Die gute Nachricht für alle, die mit dem Rauchen aufhören möchten: Die Gen-Methylierung normalisiert sich langsam wieder, sobald der Raucher den Zigarettenkonsum aufgibt.
Alkohol
Alkohol – gesellschaftlich akzeptiert, von manch einem Ereignis nicht wegzudenken und doch so gefährlich? Oder macht die Dosis das Gift? Während ein geringfügiger Alkoholkonsum sogar vor koronaren Herzerkrankungen schützen soll, führt übermäßiges Trinken zu schweren Erkrankungen. Doch was bedeutet moderat und ab wann ist der Konsum zu hoch? Unterschiedliche Studien haben gezeigt, dass der Genuss von 10 bis 25 Gramm Alkohol pro Tag einen positiven Effekt auf das Herz-Kreislauf-System haben kann, berichtet Professor Dr. Helmut Seitz im Deutschen Ärzteblatt. 20 Gramm entsprechen etwa einem Viertel Liter Wein oder 0,5 Liter Bier. Für Risikogruppen können aber bereits diese Mengen negative Folgen haben. Generell gilt: Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte auf Alkohol verzichten. Eine aktuelle Studie aus den USA und China hat einen Zusammenhang von Alkoholkonsum und einem signifikant erhöhten Darmkrebs-Risiko bestätigt.
Ernährung
Ein Drittel aller Krebsfälle könnte laut World Cancer Research Foundation durch eine gesunde und ausgewogene Ernährung verhindert werden. Aleksandrova hat passend dazu in ihrer aktuellen Studie festgestellt, dass jene Probanden seltener an Darmkrebs erkrankten, die sich ballaststoffreich ernährten und deren Mahlzeiten viel Obst, Gemüse, Nüsse und Joghurt enthielten. Rotes und verarbeitetes Fleisch, wie etwa Wurst, verzehrten diese Probanden hingegen deutlich seltener. Eine ausgewogene Ernährung, die den Darm nicht belastet und Übergewicht verhindert, ist jedoch nur eine Möglichkeit, sich mit Hilfe von Lebensmitteln vor Krebs zu schützen. Eine weitere Bedeutung kommt Naturstoffen zu, die nachweislich einen präventiven Effekt besitzen. »Bekannt sind solche Effekte beispielsweise von der schwarzen Himbeere, von Isothiocyanaten aus Brokkoli und anderen Kohlgemüsen, von Curcumin aus Curry und auch von grünem Tee«, erklärt Dr. Clarissa Gerhäuser vom Deutschen Krebsforschungszentrum.
Die Kombination ist wichtig
Wer regelmäßig Sport treibt und sich gesund ernährt, hat auch meist einen BMI, der sich im normalen Bereich befindet. Damit sind gleich drei Faktoren auf einmal erfüllt, und das Risiko an Darmkrebs zu erkranken, sinkt laut der Studie von Aleksandrova und Boeing um 21 Prozent. Bei vier Faktoren vermindert sich das Erkrankungsrisiko sogar um 34 Prozent. Wer alle fünf Faktoren berücksichtigt, dessen Darmkrebs-Risiko fällt um 37 Prozent. So asketisch leben aber nur sehr wenige Menschen in den westlichen Ländern. Dennoch: »Das Umsetzen dieses Wissens in gesellschaftlich aktiv unterstützte Präventionsstrategien könnte wesentlich dazu beitragen, ein frühes und häufiges Auftreten dieser Krebsform zu vermeiden und damit viel persönliches Leid zu verhindern«, schreibt Studienautor Boeing. /