Kein Schutz vor Knochenbrüchen |
11.11.2014 09:37 Uhr |
Von Verena Arzbach / Viel Milch zu trinken stärkt die Knochen und bewahrt daher vor Brüchen bei Osteoporose. Dieser Zusammenhang ist seit Jahren fester Bestandteil der Werbung für Milch. Einer aktuellen schwedischen Studie zufolge ist das aber nicht der Fall, vielmehr können mehrere Gläser Milch pro Tag sogar eher schädlich sein.
Kuhmilch gilt wegen ihres hohen Calciumgehalts als besonders gesund für die Knochen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rät zum Beispiel, täglich Milch und Milchprodukte zu sich zu nehmen. Vor allem ältere Frauen hören häufig die Empfehlung, ihrem erhöhtem Osteoporose-Risiko und damit der Gefahr von Knochenbrüchen mit einem hohen Milchkonsum zu begegnen. Die Ergebnisse einer schwedischen Studie stellen diese Empfehlungen jedoch infrage. Demnach schützt viel Milch nicht vor Knochenbrüchen, sondern wirkt sich vielmehr sogar negativ auf die Gesundheit aus.
»Die Milch macht’s«: Lange Zeit wurde so für Milch geworben. Inzwischen gibt es aber Zweifel am positiven Image der Milch.
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Wissenschaftler um Professor Dr. Karl Michaëlsson von der Universität Uppsala hatten Daten von zwei schwedischen Langzeitstudien ausgewertet. Grundlage der Analyse waren Fragebögen zu Ernährungsgewohnheiten, die 61 433 schwedische Frauen im Alter von 39 bis 74 Jahren und 45 339 Männer zwischen 45 und 79 Jahren ausgefüllt hatten. Unter anderem mussten sie Angaben dazu machen, wie viel Milch, Joghurt und Käse auf ihrem täglichen Speiseplan stehen. Die Frauen hatten den Ernährungsfragebogen mit ihrer Einladung zum Mammographie-Screening erhalten, die Männer waren von den Forschern separat zur Teilnahme an der Studie eingeladen worden.
Bei den Frauen, die von den Studienautoren im Durchschnitt 20 Jahre beobachtet wurden, reduzierte ein hoher Milchkonsum nicht das Risiko von Knochenbrüchen aufgrund einer Osteoporose, schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift British Medical Journal. Im Gegenteil, das Fraktur-Risiko erhöhte sich mit dem Milchkonsum sogar: Für jedes tägliche Glas Milch nahm es um 2 Prozent zu, bei den Hüftfrakturen stieg es sogar um 9 Prozent. Bei denjenigen Frauen, die durchschnittlich 680 ml Milch pro Tag – mehr als drei Gläser – tranken, fanden die Forscher sogar eine höhere Sterberate als bei den Frauen, die täglich weniger als ein Glas (durchschnittlich 60 ml) zu sich nahmen. Bei den Männern, die durchschnittlich 11 Jahre beobachtet worden waren, erhöhte sich das Risiko von Knochenbrüchen nicht mit steigendem Milchkonsum. Im Unterschied zu Frauen erkranken Männer im Alter auch seltener an Osteoporose. Aber auch bei den männlichen Studienteilnehmern stellten die Forscher einen Zusammenhang zwischen hohem Milchkonsum und der Sterberate fest, jedoch weniger deutlich als bei den Frauen.
Fermentierte Milchprodukte wirken sich nicht negativ aus.
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Die Studienautoren führen die negative Wirkung der Milch auf deren hohen Gehalt an Galactose zurück. Galactose ist ein Monozucker und bildet gemeinsam mit einem Glucose-Molekül das Disaccharid Lactose, das im Körper wiederum gespalten wird. In Tierversuchen fördere Galactose oxidativen Stress und Entzündungen, so die Forscher. In Harnproben der Studienteilnehmer mit einem erhöhten Milchkonsum wiesen die Wissenschaftler auch mehr Biomarker nach, die oxidativen Stress anzeigen. Fermentierte Milchprodukte mit niedrigem Lactose- und damit auch niedrigem Galactose-Gehalt wie Joghurt und Käse wirkten sich hingegen nicht negativ auf das Sterberisiko aus. Außerdem lag das Risiko für Knochenbrüche und auch die Sterberate bei den Frauen niedriger, die viel fermentierte Milchprodukte aßen.
Die Wissenschaftler weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Untersuchung keinen gesicherten kausalen Zusammenhang zwischen einem hohen Milchkonsum und einer erhöhten Sterblichkeit zeigt. Die Ergebnisse müssten daher vorsichtig interpretiert und weitere Studien durchgeführt werden. Aber zumindest die derzeitige Empfehlung, viel Milch zur Vorbeugung von Knochenbrüchen als Folge einer Osteoporose zu trinken, kann aufgrund der Ergebnisse angezweifelt werden. /