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Gürtelrose

Viren nutzen Schwäche aus

25.08.2017  12:03 Uhr

Von Annette Immel-Sehr / Die meisten Erwachsenen tragen un­bemerkt Varicella-Zoster-Viren in sich. Wenn das Immunsystem schwächelt, können die Viren aktiv werden und dann zum Beispiel eine Gürtelrose hervorrufen. Besonders gefährdet sind Ältere ­und Menschen mit geschwächtem Immunsystem.

Varicella-Zoster-Viren (VZV) können zwei Erkrankungen auslösen: direkt nach der Infektion Windpocken und unter Umständen viele Jahre später Herpes zoster. In der Zwischenzeit verbleiben die Viren in den Nervenschaltstellen entlang des Rückenmarks und am Gehirn, in Spinal- und Hirn­nervenganglien. 

Das Immunsystem hält sie dort »in Schach«. Lässt seine Kraft jedoch aus irgendeinem Grund nach, nutzen die Viren ihre Chance und vermehren sich. Danach wandern sie entlang der Nerven in den Hautbereich, der durch den betreffenden Nerv versorgt wird. Mediziner bezeichnen solche­ Bereiche als Dermatome. Dort entsteht zunächst eine schmerzhafte Rötung; dann bilden sich binnen zwölf bis 24 Stunden Bläschen. Nach zwei bis vier Tagen gehen diese ineinander über, können platzen und eine klare Flüssigkeit freisetzen. Es entsteht eine Kruste, die sich innerhalb von zwei bis drei Wochen­ ablöst. Damit ist die Erkrankung von selbst beendet. Sie verläuft bei Kindern im Allgemeinen mild, bei Erwachsenen können Juckreiz sowie starke brennende oder kribbelnde Schmerzen in dem betroffenen Dermatom auftreten. Mitunter fühlt sich das betroffene Areal auch taub an oder reagiert überempfindlich gegenüber Berührung, Kälte oder/und Wärme. Da die Bläschen­flüssigkeit infektiös ist, sollten die Bläschen bis zur vollständigen Verkrus­tung abgedeckt werden. Hautkontakt mit immunsupprimierten Menschen, Schwangeren und Geschwächten ist unbedingt zu vermeiden. Anstecken kann sich allerdings nur derjenige, der keine Windpocken durchgemacht hat und nicht dagegen geimpft ist. Eine Infektion mit VZV führt dann zu Windpocken, nicht zu Zoster.

In gut der Hälfte der Fälle tritt Zoster­ am Rumpf auf, bei einem Fünftel der Betroffenen im Gesicht. Ärzte sprechen dann von Gürtelrose be­ziehungsweise Gesichtsrose. Des Weite­ren kann Zoster andere Stellen befallen, zum Beispiel einen Arm. Bei Befall der Nerven im Genitalbereich entwickeln sich die Bläschen auf den äußeren Geschlechtsorganen bis zum Oberschenkel (Zoster genitalis).

Im Vorfeld matt

Dem Ausbruch eines Herpes zoster geht ein drei- bis fünftägiges Vorstadium voraus. Es zeigt sich durch Unwohlsein, Abgeschlagenheit, Fieber oder Kopfschmerzen. Im Bereich des betroffenen Dermatoms können Brennen, Jucken, Taubheit und Schmerzen auftreten. Da noch keine Bläschen zu erkennen sind, werden die Beschwerden zu Anfang oft falsch gedeutet, was zu Fehldiagnosen führen kann.

Angesichts der Tatsache, dass rund 95 Prozent der älteren Erwachsenen VZV in sich tragen, ist die Erkrankungsrate gering. Im Alter von 50 Jahren liegt sie bei jährlich etwa 6 pro 1000 Personen und steigt bis zum Alter von 90 Jahren auf 13 Fälle pro 1000 an. Die Zunahme im Alter lässt sich mit der nachlassenden Schlagkraft des Immunsystems erklären. Das Immun­system kann auch durch Krankheit oder Therapie geschwächt werden. Daher­ tragen etwa Menschen mit malig­nem Lymphom, Leukämie oder HIV-Infektion sowie Patienten unter einer immunsuppressiven Therapie ein erhöhtes Zoster-Risiko.

Verwandtschaft

Der Krankheitsverlauf des Herpes zoster ähnelt dem des Herpes simplex. Auch hier ruhen die Viren – in diesem Fall Herpes-simplex-Viren – nach der Erstinfektion in den Nerven­ und wandern bei einer Immunschwäche an die Hautoberfläche. Wieder sind schmerzhafte Bläschen die Folge. Insgesamt ist das Krankheitsbild des Herpes simplex allerdings deutlich milder als Zoster. Dafür werden Herpes simplex-Viren im Unterschied zu VZV meist mehrfach im Leben wieder aktiv, VZV in der Regel nur einmal.

Etwa drei Prozent der Erkrankten erleiden einen so schweren Krankheitsverlauf, dass sie im Krankenhaus behan­delt werden müssen. Schwierigkeiten treten oft auf, wenn sich die Erkrank­ung am Kopf manifestiert. Ist der obere Ast des Trigeminusnervs, der Nervus ophtalmicus, befallen, mani­festiert sich Zoster am Auge. Dies kann schlimmstenfalls zur Erblindung führen. Wenn der Ast des Trigeminusnervs betro­ffen ist, der den Oberkiefer versorgt, können vorübergehende Lähmungserscheinungen oder ein Verlust des Geschmackssinns auftreten.

Von Zoster oticus sprechen Ärzte, wenn der Gehörgang und/oder die Ohrmuschel befallen sind. Neben heftigen­ Schmerzen können das Hörver­mögen abnehmen und der Gleichgewichtssinn Schaden nehmen.

Chronischen Verlauf verhindern

Das Ziel der Behandlung liegt darin, Schmerz und Juckreiz zu nehmen, die Heilung zu beschleunigen sowie Komp­likationen zu verhindern. Besonders wichtig ist die Schmerz­linderung. Bei leichten Zoster-Beschwerden genügt Ibuprofen oder Acetylsalicylsäure, bei stärkeren Schmerzen kann der Arzt zum Beispiel Oxycodon verordnen. Es hat sich gezeigt, dass eine konsequente Analgesie beim akuten Zoster das Risiko­ für eine Postherpetische Neuralgie (PHN) reduziert. Diese gefürchtete schmerzhafte Spätkomplikation ist langwierig und schwer behandelbar.

Lokal können die Bläschen austrocknend und antiseptisch mit Lotio alba oder Vioform-Zinkschüttelmixtur behandelt werden.

Für die orale antivirale Therapie bei Herpes Zoster sind in Deutschland vier Nucleosid-Therapeutika zugelassen: Aciclovir, Valaciclovir, Famiciclovir und Brivudin. Aciclovir steht zudem für die i.v.-Applikation zur Verfügung. Ärzte setzen es bei komplizierten Herpes-zoster-Infektionen ein. Eine lokale virus­statische Behandlung wirkt bei Zoster nicht.

Die Substanzen beschleunigen das Abheilen und lindern den Schmerz. Die Therapie hilft am besten, wenn sie innerhalb von 48 Stunden bis 72 Stunden nach Auftreten der Symptome beginnt. PTA und Apotheker sollten die Patienten darauf hinweisen, dass auch unter der antiviralen Therapie noch über drei bis fünf Tage neue Bläschen auftreten können. Die Bedeutung der Behandlung liegt vor allem darin, schwere Verläufe zu verhindern. Besonders wichtig ist die Therapie deswegen bei älteren oder immunsupprimierten Patienten, bei Zoster im Gesicht sowie bei mitt­leren oder schweren Schmerzen.

Impfung ab 50

Eine Prophylaxe-Strategie gegen Zoster stellt die Impfung mit dem Varicella-Zoster-Lebendimpfstoff Zostavax® dar. Er ist für Personen ab 50 Jahren zugelassen, deren Immunsystem nicht krankhaft oder medikamentös unterdrückt ist. In klinischen Studien re­duzierte die Impfung bei gesunden Perso­nen ab 50 Jahren das Erkrankungsrisiko um etwa 50 Prozent. Bei über 70-Jährigen lag die Risikoreduk­tion allerdings nur noch bei 38 Prozent. Trotz des geringen Erfolgs halten Experten die gut verträgliche Impfung für empfehlenswert: Geimpfte, die trotz Impfung Zoster entwickeln, erkranken kürzer und weniger schmerzhaft. Zudem tritt eine PHN bei Geimpften selte­ner auf. Die Impfung schützt drei bis fünf Jahre.

Bei Patienten mit bestimmten Krebsarten kann Aciclovir prophylaktisch eingesetzt werden, um einen Zoster­-Ausbruch zu verhindern. Dies wird beispielsweise unter einer Therapie mit Alemtuzumab, Proteasom-­Inhibitoren und Purin-Analoga empfohlen. Auch für Patienten mit Multiplem Myelom, die Bortezomib, Carfilzomib oder Thalidomid erhalten, kann eine Aciclovir-Prophylaxe sinnvoll sein.

PTA und Apotheker sollten hellhörig werden, wenn Kunden über Schmerzen und Brennen in einem begrenzten Hautbereich berichten. Gerade bei älteren Menschen, Krebspatienten und Immunsupprimierten könnte ein beginnender Herpes Zoster dahinter­stecken. Die Kunden sind direkt an den Arzt zu verweisen. Denn sie sollten möglichst früh eine zielgerichtete Behandlung erhalten, um Komplikationen vorzubeugen. Das gilt besonders bei allen unklaren Beschwerden an Ohr, Auge und im Gesicht. /