Aufklärung nimmt Druck |
27.08.2018 11:58 Uhr |
Von Annette Immel-Sehr / Ältere Menschen leiden überproportional häufig unter Schlafstörungen. Im Beratungsgespräch gilt es zu klären, ob das Schlafverhalten alterstypisch ist oder ob möglicherweise bestimmte Rahmenbedingungen oder Erkrankungen den Schlaf stören. Manchmal helfen Tipps zur Schlafhygiene, manchmal ist eine Abklärung durch den Arzt erforderlich.
Nachtschlaf verläuft meist in vier bis fünf Zyklen. Diese Zyklen bestehen aus einer Tiefschlafphase, gefolgt von einer sogenannten REM-Phase (Rapid Eye Movement). Dies ist ein leichter Schlaf, bei dem sehr schnelle, wiederkehrende Augenbewegungen bei geschlossenen Augenlidern stattfinden. Im Laufe der Nacht nehmen der Tiefschlaf ab und der REM-Schlaf zu. Vor allem am Ende der REM-Phasen wacht der Mensch in der Regel kurz auf – allerdings erinnert man sich daran nicht.
Wachphasen machen bei Senioren bis zu zwei Stunden pro Nacht aus.
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Mit dem Älterwerden gehen zahlreiche natürliche Veränderungen im Körper einher. Dies betrifft auch den Schlaf. Ältere Menschen wachen nachts häufiger auf und können nicht sofort wieder einschlafen. Zudem schlafen sie flacher, da die Dauer der Tiefschlafphasen deutlich reduziert ist.
Landläufig herrscht oft die Meinung, dass ältere Menschen weniger Schlaf bräuchten als jüngere. Das ist so nicht richtig. Alte Menschen schlafen anders, aber nicht unbedingt weniger. Meist unterscheidet sich die Gesamtschlafdauer älterer Menschen sogar kaum von der jüngerer Erwachsener. Senioren sind zwar morgens oft sehr früh wach, gehen aber tendenziell auch deutlich früher zu Bett, und sie halten häufiger Mittagsschlaf. Untersuchungen zeigten, dass gesunde alte Menschen über 70 Jahre nachts insgesamt sechs bis acht Stunden schlafen. Dabei ist der Schlaf insgesamt bis zu zwei Stunden durch Wachphasen unterbrochen. Die Einschlafzeit beträgt im Mittel etwa 30 Minuten. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin bewertet diese Ergebnisse als Normalwerte für das höhere Lebensalter. Auch neigen betagte Menschen dazu, untertags kurz einzuschlafen, ebenfalls nichts Ungewöhnliches.
Realistisch einschätzen
Diese Kenntnisse über den Schlaf im Alter sind wichtig für das Beratungsgespräch in der Apotheke. Manche Senioren machen sich unnötigerweise Sorgen um ihren Schlaf, weil sie unrealistische Erwartungen haben. Wenn PTA und Apotheker ihnen die natürlichen Veränderungen erklären, sind sie meist beruhigt. Das soll aber keinesfalls bedeuten, dass Schlafstörungen älterer Menschen immer als »normal« und alterstypisch einzustufen sind. Im Gegenteil: Oft gehen die Beeinträchtigungen erheblich über die natürlichen Veränderungen hinaus. Deswegen ist es wichtig, im Beratungsgespräch genau hinzuhören. Die Grenzen zwischen alterstypischen Veränderungen, ungünstigem Lebensstil und krankhaften Störungen können fließend sein.
PTA und Apotheker können mit dem Kunden zunächst über eine gute Schlafhygiene sprechen. Mit diesem Begriff werden Verhaltensweisen und Lebensgewohnheiten zusammengefasst, die das Schlafvermögen günstig beeinflussen. Ein abendliches Ritual, wie eine warme Tasse Milch oder Tee mit Honig, kann ebenfalls helfen, Körper und Geist auf die Nachtruhe einzustimmen.
Gerade bei alten Menschen können auch verschiedene Beschwerden, Erkrankungen und Medikamente den Schlaf stören, etwa nächtliches Wasserlassen (Nykturie), Sodbrennen, Juckreiz sowie Herz- und Lungenerkrankungen. Nicht zuletzt sind es chronische Schmerzen, etwa bei Arthrose, die alten Menschen den Schlaf rauben.
Auch das »Restless-Legs-Syndrom« kann den Nachtschlaf erheblich stören – ebenfalls eine Erkrankung, die gehäuft im Alter auftritt.
Etwa jeder Vierte über 60 Jahre ist mehr oder weniger stark von kurzen Atemaussetzern aufgrund einer Schlafapnoe betroffen. Die nächtlichen Atempausen im Schlaf mindern die Schlaftiefe und führen zu verstärkter Tagesmüdigkeit.
Fast 40 Prozent der Schlaganfall-Patienten leiden drei Monate nach dem Ereignis an Schlafstörungen. Auch über die Hälfte der Menschen mit Morbus Parkinson hat damit zu kämpfen. Ein Sonderfall ist die Demenz. Durch die gestörte Hirnfunktion ist der Tag-Nacht-Rhythmus oft erheblich gestört. Häufig haben Demenzkranke Schlafphasen am Tag und sind bis in die Nacht hinein äußerst agil und unruhig.
Daneben bringen Ängste und Sorgen viele Menschen um den Schlaf. Nicht zuletzt kann eine
Ein warmer Tee oder die heiße Milch mit Honig - solche Rituale können innere Ruhe fördern.
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Vielzahl von Medikamenten den Schlaf beeinträchtigen, so etwa Antihypertonika wie Betablocker oder Clonidin, Mittel gegen Parkinson wie L-Dopa, Asthmamittel sowie verschiedene Antidepressiva.
PTA und Apotheker sollten also immer nach weiteren Symptomen und Erkrankungen fragen und den Patienten gegebenenfalls an den Hausarzt verweisen. Möglichweise lässt sich die Ursache der Schlafstörung gezielt behandeln.
Das richtige Verhalten
Schließt der Arzt Schlafstörungen durch körperliche oder psychiatrische Störungen aus und beeinträchtigt der gestörte Schlaf den Betroffenen in seiner Befindlichkeit und Leistungsfähigkeit mindestens einen Monat lang, sprechen Mediziner vom Krankheitsbild der Insomnie. Gemäß der S3-Leitlinie »Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen« der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (Stand 2017) stehen nicht-medikamentöse Maßnahmen an erster Stelle der Therapieempfehlungen. Dazu gehört eine ausführliche Beratung und Aufklärung zur Schlafhygiene. Die Leitlinie empfiehlt zudem eine kognitive Verhaltenstherapie mit Fokussierung auf den Schlaf. Dabei erlernt der Patient beispielsweise Techniken, um nächtliches Grübeln zu reduzieren. Auch Entspannungstechniken wie die progressive Muskelrelaxation, Fantasiereisen und Achtsamkeitsübungen helfen, Körper und Geist zur Ruhe zu bringen.
Bleiben die nicht-medikamentösen Maßnahmen erfolglos, empfiehlt die Leitlinie die Behandlung mit einem Benzodiazepinrezeptoragonisten oder einem sedieren Antidepressivum. Die Gabe von Benzodiazepinen und der Benzodiazepinrezeptoragonisten Zolpidem und Zopiclon sollte allerdings maximal vier Wochen betragen, damit sich keine Abhängigkeit entwickelt.
Phytos mit einbeziehen
In der Selbstmedikation können PTA und Apotheker ein Antihistaminikum oder pflanzliche Präparate anbieten. Die Leitlinien empfehlen diese Medikamente zwar nicht, da die Evidenzlage nicht ausreicht. Einen Behandlungsversuch ist es allerdings trotzdem wert. Verringern sich die Beschwerden in Verbindung mit der besseren Schlafhygiene nicht, sollte der Patient nach drei Wochen ärztlichen Rat einholen.
Als Schlafmittel vom Typ der Antihistaminika werden vor allem Diphenhydramin und Doxylamin eingesetzt. Sie entfalten ihre Wirkung etwa 30 Minuten nach der Einnahme. Die Einnahmedauer sollte auf wenige Tage, maximal zwei Wochen, begrenzt werden.
Anders als die Leitlinien-Autoren beurteilen die Experten des Herbal Medicinal Product Committee (HMPC), die auf europäischer Ebene für die Zulassung pflanzlicher Arzneimittel zuständig sind, Baldrianwurzel, Passionsblume und Melissenblätter als positiv in der Behandlung von Schlafstörungen. So hat das HMPC Baldrianwurzel in Form eines ausreichend dosierten Trockenextrakts zur Behandlung von Schlafstörungen als »medizinisch anerkannt« akzeptiert. Dies gilt auch für Kombinationen von Baldrianwurzel und Hopfenzapfen als Trockenextrakte. Das Wirkmaximum ist nach ein bis zwei Wochen Therapie erreicht. Auch Präparate mit Lavendelöl können eine Empfehlung bei leichten Schlafproblemen sein, da es nach oraler Gabe mild anxiolytisch und entspannend wirkt. /