Endlich Nichtraucher |
25.11.2013 15:26 Uhr |
Von Melanie Witt / Die Apotheke ist die Anlaufstelle für viele entwöhnungswillige Raucher. PTA und Apotheker können mit einer guten Beratung die Motivation zum Rauchstopp fördern und maßgeblich zum erfolgreichen Verzicht auf Zigaretten beitragen.
Im Jahr 2009 rauchte nach einer Befragung des Statistischen Bundesamtes circa ein Viertel der Bevölkerung. Etwa ein Drittel aller Männer (30,5 Prozent) greift regelmäßig zur Zigarette, deutlich häufiger als Frauen (21,2 Prozent). Der Anteil der starken Raucher lag bei 5 bis 9 Prozent. Seit 2003 ist die Zahl der Raucher rückläufig, insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. In der Gruppe der 20- bis 29-Jährigen ist der Anteil der Raucher mit 37,4 Prozent am höchsten, das heißt 42,1 Prozent der Männer und 32,5 Prozent der Frauen in dieser Altersgruppe rauchen. Daher sollten sich die Angebote zur Tabakentwöhnung gerade an diese Zielgruppe richten.
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Der wichtigste psychoaktive Inhaltsstoff im Tabakrauch ist das Nikotin. Die Substanz gehört zu den Nicotiana-Alkaloiden, die in Tabakpflanzen gebildet werden. Nikotin dient den Pflanzen zur Abwehr von Schädlingen. Bei seinem Einsatz als Insektizid werden außerdem seine Eigenschaften als Fraß-, Kontakt- und Atemgift genutzt. Der Mensch kann das starke und rasch wirkende Nervengift über die Atemwege, den Magen-Darm-Trakt oder durch bloße Berührung aufnehmen.
Reines Nikotin ist bei Zimmertemperatur farblos und ölig. An der Luft verfärbt sich die Flüssigkeit braun und riecht nach Tabak. Der Umgang mit reinem Nikotin oder konzentrierten Nikotinlösungen, beispielsweise als Schädlingsbekämpfungsmittel, ist gefährlich, da das Alkaloid über die Haut resorbiert werden kann. Die tödliche Dosis beträgt bei Menschen, die nicht an das Nervengift gewöhnt sind, 1 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Der Gehalt im Zigarettenrauch liegt – beschränkt durch gesetzliche Vorgaben – zwischen 0,1 und 1 Milligramm. Leichte Vergiftungserscheinungen sind Übelkeit, Blässe, kalter Schweiß und Schwindelgefühl. Mit zunehmender Konzentration kommen Kopfschmerzen, verstärkter Speichelfluss, Erbrechen, Durchfall, Zittern, Schwächegefühl in den Beinen und Herzrasen hinzu. Bei schweren Vergiftungen treten Krämpfe auf, Schock, Koma, Atemlähmung oder sogar ein Herzstillstand.
Krebserkrankungen
Herz-Kreislauf- und Gefäßerkrankungen
Atemwegserkrankungen
Andere
Beim Rauchen wird Nikotin über die Alveolen der Lunge resorbiert und im Organismus verteilt. Nach der Aufnahme erreicht es bereits nach sieben Sekunden das Gehirn und reichert sich vor allem im limbischen System an. Dort führt es zu psychotropen und vegetativen Effekten. In niedriger Konzentration wirkt Nikotin zentral aktivierend und stimulierend. Dies äußert sich in Angeregtheit und besserer Konzentrationsfähigkeit. Auch die Aufmerksamkeit und das Reaktionsvermögen steigern sich. In etwas höherer Konzentration wurden entspannende und angstlösende Wirkungen beobachtet. Das Hungergefühl und Entzugserscheinungen verschwinden. Peripher verengen sich die Gefäße, sodass die Durchblutung gestört ist, der Blutdruck steigt ebenso wie die Magensaftsekretion und der Tonus des Magen-Darm-Trakts.
Mehr als 40 Carcinogene
Die Schäden des Tabakrauchens beruhen nicht alleine auf den reinen Nikotinwirkungen. Eine Zigarette ist mit einer kleinen chemischen Fabrik vergleichbar, in der eine komplexe Mischung aus Gasen und Teer entsteht. Dieses Gemisch enthält Hunderte von schädigenden Stoffen, darunter mehr als 40 krebserzeugende, chemische Substanzen, unter anderem Kohlenmonoxid, Stickstoffoxide, Wasserstoffcyanide, Benzole, N-Nitrosamine, flüchtige Aldehyde, Vinylchlorid, Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe, Cadmium, Blei, Nickel und Chrom. Dieser Chemiecocktail hat weit reichende Konsequenzen in Form unterschiedlicher Folgeschäden. Die häufigsten Krankheitsbilder sind Krebserkrankungen, Herz-Kreislauf-, Gefäß- und Atemwegserkrankungen (siehe Kasten).
Viele Faktoren beachten
Wie bei anderen Süchten auch ist die Tabakabhängigkeit das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels pharmakologischer und psychosozialer Faktoren. Einerseits spielen die psychoaktivierenden Wirkungen des Nikotins eine entscheidende Rolle, anderseits ist das Rauchen auch an viele Alltagssituationen und Tätigkeiten gekoppelt: beispielsweise die Zigarette zum Kaffee, nach dem Essen, in geselliger Runde, bei Langeweile oder zur Stressbewältigung. Die Entwöhnung gelingt umso besser, je eher der entwöhnungswillige Raucher lernt, den Zigarettenkonsum von seinen individuellen Rauchverstärkern abzukoppeln.
Die meisten Raucher rauchen gern und nehmen Rauchen als Genuss wahr. Das Rauchen zu beenden, ist für sie daher auch mit der Angst verbunden, Lebensqualität zu verlieren. Hinzu kommen Versagensängste, die Furcht vor Entzugssymptomen und Gewichtszunahme.
1. Ziele und Wünsche des Kunden abklären: beispielsweise Reduktion oder sofortiges Beenden des Zigarettenkonsums
2. Ausgangssituation des Kunden ermitteln:
3. Über Methoden der Raucherentwöhnung informieren:
4. Unterstützendes Infomaterial recherchieren, zusammenstellen und zur Verfügung stellen, zum Beispiel Informationen zu tabakbedingten Erkrankungen wie COPD
5. Gemeinsam weiteres Vorgehen festlegen, beispielsweise Feedback vereinbaren, zu Beginn mit kurzem, etwa wöchentlichem Abstand, Vermittlung externer Angebote, zum Beispiel der entsprechenden Krankenkassen
6. Den gesamten Prozess dokumentieren
Quelle: LeiKa – Leistungskatalog der Beratungs- und Serviceangebote in Apotheken
Manche Raucher, die mit dem Rauchen aufhören möchten, suchen den Rat von PTA und Apotheker. Sie haben den Rauchstopp oft bereits geplant und möglicherweise auch schon einen konkreten Tag festgelegt, sind sich aber nicht sicher, ob sie Erfolg haben werden. In einigen Fällen hat ein sehr starker Raucher zunächst nur den Wunsch, seinen Zigarettenkonsum zu reduzieren, um die Schadstoffaufnahme zu verringern. Er kann sich aber noch nicht vorstellen, das Rauchen ganz aufzugeben.
Hat der Raucher bereits einen oder mehrere Rauchstopp-Versuche unternommen, ist aber rückfällig geworden, sollten PTA oder Apotheker ihm vermitteln, dies nicht als Scheitern anzusehen. Erfolglose Ansätze, Ausrutscher und Rückfälle sind auf dem langen Weg zur Rauchfreiheit völlig normal. Auch Veränderungen im Rauchverhalten, beispielsweise nur noch abends oder deutlich weniger Zigaretten zu rauchen, sollte der Raucher als kleine Erfolge werten. Dann sollten PTA und Apotheker ihn zum nächsten Schritt motivieren, denn das langfristige Ziel ist immer die Rauchabstinenz.
Grad der Abhängigkeit
Welche Unterstützungsmethode individuell die richtige ist, hängt von der Ausgangssituation des Rauchers ab. Der Schweregrad der Nikotinabhängigkeit kann mit dem »Fagerström-Test for Nikotine Dependence« (FTND) bestimmt werden (siehe Kasten), abgefragt werden eine Reihe von Aussagen, die im Zusammenhang mit dem Rauchen zutreffen können.
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Das Testergebnis erlaubt Rückschlüsse auf die zu erwartenden Entzugssymptome, die Abstinenzaussichten, die erforderlichen therapeutischen Interventionen und unterstützenden Maßnahmen. Da bei starker Abhängigkeit (FTND = 6 Punkte) mit schweren Entzugssymptomen gerechnet werden muss, sollten verschiedene Methoden der Nikotinersatztherapie miteinander kombiniert werden, eventuell nach Absprache mit dem Arzt.
Zahlreiche Maßnahmen helfen bei der Tabakentwöhnung: Selbsthilfemaßnahmen, Einzel- und Gruppenberatungen, medikamentöse Interventionen sowie alternative Verfahren. Bei der Wahl der geeigneten Methode spielen sowohl die körperliche als auch die psychische Abhängigkeit eine Rolle. Die Kombination aus Verhaltenstherapien in Verbindung mit medikamentöser Unterstützung hat die größten Erfolgsaussichten.
Ausstieg selbst versuchen
Der Mehrzahl der Raucher hilft, ihre Motivation zum Rauchstopp zu stärken. Ebenso wichtig ist es, sie zur Selbstbeobachtung anzuregen: Wann und in welchen Situationen rauche ich? Wann gerate ich besonders in Versuchung? So können bereits im Vorfeld Strategien gefunden werden, dem Rauchverlangen zu widerstehen.
Für die Selbsthilfe stehen zahlreiche Broschüren, Bücher, CDs und DVDs sowie computergestützte Programme zur Verfügung. Indem Selbsthilfematerialien Wissen vermitteln, können sie die Motivation zum Rauchstopp erhöhen und zum Erfolg beitragen. Einzelberatungen, ob kurz oder intensiv, sind sowohl im persönlichen Gespräch als auch telefonisch möglich. Verhaltens- und psychotherapeutische Interventionen helfen dem Entwöhnungswilligen, Strategien zum Umgang mit Entzugserscheinungen und Rauchverlangen zu erarbeiten. Außerdem lernt er, soziale Fertigkeiten zu entwickeln, damit er den Rauchstopp aufrecht erhalten und Rückfälle vermeiden kann. Zu den alternativen Verfahren gehören Hypnose und Akupunktur.
Fagerström-Test zur Beurteilung der Schwere der Nikotinabhängigkeit | ||
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Frage | Antwort | Punkte |
1. Wann nach dem Aufwachen rauchen Sie Ihre erste Zigarette? | Innerhalb von 5 Minuten Innerhalb von 6 bis 30 Minuten Innerhalb von 30 bis 60 Minuten Es dauert länger als 60 Minuten | 3 Punkte 2 Punkte 1 Punkt 0 Punkte |
2. Finden Sie es schwierig, an Orten, wo das Rauchen verboten ist (z. B. in der Kirche, in der Bibliothek, im Kino, und so weiter) auf das Rauchen zu verzichten? | Ja Nein | 1 Punkt 0 Punkte |
3. Auf welche Zigarette würden Sie nicht verzichten wollen? | Die erste nach dem Aufstehen Eine andere | 1 Punkt 0 Punkte |
4. Wie viele Zigaretten rauchen Sie durchschnittlich pro Tag? | Mehr als 30 21-30 11-20 Weniger als 10 | 3 Punkte 2 Punkte 1 Punkt 0 Punkte |
5. Rauchen Sie in den ersten Stunden nach dem Erwachen im Allgemeinen mehr als am Rest des Tages? | Ja Nein | 1 Punkt 0 Punkte |
6. Kommt es vor, dass Sie rauchen, wenn Sie krank sind und tagsüber im Bett bleiben müssen? | Ja Nein | 1 Punkt 0 Punkte |
Tabakabhängigkeit: 0-2 = sehr gering; 3-4 = gering; 5 = mittel; 6-7 = stark; 8-10 = sehr stark (nach Heatherton et al. 1991) |
Erhebliche Risikofaktoren für einen Rückfall sind Entzugssymptome wie das starke Verlangen nach einer Zigarette (Craving), Konzentrationsschwierigkeiten, Reizbarkeit, Frustration, Ruhe- und Schlaflosigkeit, gesteigerter Appetit oder Kopfschmerzen. Arzneimittel sollen diese Entzugserscheinungen verhindern und das Verlangen nach einer Zigarette unterdrücken.
Arzneimittel der 1. Wahl
Die Nikotinersatztherapie gilt aufgrund ihres günstigen Verhältnisses von Wirkungen zu Nebenwirkungen als Arzneimitteltherapie der ersten Wahl, sofern keine Kontraindikationen bestehen. Bei kurz zurückliegendem Herzinfarkt oder Schlaganfall, Herzrhythmusstörungen, Angina pectoris, nicht regulierbarer Hypertonie, Diabetes oder Magen-Darm-Geschwüren sollten PTA oder Apotheker den Patienten an den Arzt verweisen.
Nikotinersatzpräparate geben Nikotin langsamer und sicherer ab als Zigaretten und sind daher weniger suchterzeugend. Die Präparate mildern Entzugssymptome und erleichtern die Überwindung der Tabakabhängigkeit. Zur Verfügung stehen verschiedene Darreichungsformen: Nikotinpflaster, -kaugummis, -lutschtabletten, -inhaler und ab 2014 ein Nikotinspray.
Pflaster oder Kaugummi
Nikotinpflaster eignen sich bei mittelstarker bis starker Abhängigkeit (FTND > 5; 10 bis 40 Zigaretten pro Tag). Sie erzeugen kontinuierlich hohe Nikotin-Blutspiegel und ersetzen daher einen relativ gleichmäßig über den Tag verteilten Konsum von Zigaretten. Wichtig: Pflaster sind nur für den totalen Rauchstopp, nicht für die Reduktion, geeignet. Der Anwender muss das Pflaster täglich wechseln und auf eine jeweils andere trockene, haarlose und saubere Hautstelle kleben. Von verschiedenen Herstellern gibt es jeweils drei Dosisstärken mit einer gestaffelten Wirkstofffreigabe, beispielsweise 25, 15 oder 10 Milligramm innerhalb von 16 Stunden. Die geeignete Dosierung orientiert sich an der Tabakabhängigkeit des Rauchers. Starke Raucher, die mehr als 20 Zigaretten pro Tag geraucht haben, wenden zum Beispiel acht Wochen lang die höchste Dosierung an und reduzieren dann jeweils zwei Wochen lang auf die nächst niedrigere Stufe. Mittelstarke Raucher beginnen mit der mittleren Dosisstärke und reduzieren nach acht Wochen auf die geringste Dosisstärke.
Die Rauchersprechstunde – Beratungskonzepte für Gesundheitsberufe, Rote Reihe Tabakprävention und Tabakkontrolle, Band 1, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg, 2004
Tabakabhängigkeit – Suchtmedizinische Reihe Band 2, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) e.?V.
Auf den Seiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) stehen zahlreiche Informations- und Selbsthilfematerialien für Raucher und Gesundheitsberufe zur Verfügung, zum Beispiel »Leitfaden zur Kurzintervention bei Raucherinnen und Rauchern«, »Rauchfrei«, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und Tabakentwöhnung in Deutschland, Grundlagen und kommentierte Übersicht, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2011
Nikotinkaugummis und -lutschtabletten eignen sich sowohl zur Reduktion des Tabakrauchens als auch zur Entwöhnung. Sie sind indiziert für Raucher mit einer geringen Nikotinabhängigkeit (FTND < 5) und mäßigem Konsum von etwa 5 bis 15 Zigaretten pro Tag, vor allem in unregelmäßigen Abständen. Die Zigarette am Abend oder in Gesellschaft kann der Raucher dann durch ein Kaugummi oder eine Lutschtablette ersetzen. Bei sehr stark abhängigen Rauchern ist es auch möglich, Kaugummis mit Pflastern zu kombinieren, allerdings nur nach Rücksprache mit dem Arzt. Die Kaugummis sollen nur langsam und vorsichtig gekaut werden. Sobald ausreichend Nikotin freigegeben wurde, soll der Kaugummi in der Backentasche bleiben. Nach etwa 30 Minuten sollte das Kaugummi entsorgt werden. Die Lutschtabletten lösen sich im Mund auf, sie dürfen nicht gekaut oder verschluckt werden. Bei beiden Darreichungsformen wird das freigesetzte Nikotin über die Mundschleimhaut aufgenommen. Wie häufig der Entwöhnungswillige ein Kaugummi kaut oder eine Tablette lutscht ist individuell verschieden, es sollten aber nicht mehr als 16 Kaugummis beziehungsweise 15 Lutschtabletten pro Tag sein. Das Ausschleichen soll über Wochen erfolgen.
Gewohnheiten beobachten: Raucher sollten sich selbst fragen, in welchen Situationen sie besonders oft rauchen.
Foto: colourbox.com
Die Anwendung des Nikotin-Inhalers imitiert den Rauchvorgang, wobei Nikotin über ein Mundstück eingeatmet und langsam resorbiert wird. Weil der Raucher dabei das alte Verhaltensmuster aufrecht hält, hat der Einsatz des Inhalers einen geringeren Stellenwert in der Raucherentwöhnung. Von der Anwendung von E-Zigaretten rät die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ab, da die gesundheitliche Unbedenklichkeit nicht erwiesen ist.
Arzneimittel der 2. Wahl
Die rezeptpflichtigen Wirkstoffe Bupropion und Vareniclin werden ebenso zur Minderung der Entzugssymptome und des Rauchverlangens eingesetzt. Bevor er diese Substanzen verschreibt, untersucht der Arzt den Patienten zunächst gründlich. Bei beiden Wirkstoffen erfolgt eine einschleichende Dosierung innerhalb der ersten acht Tage. Die Behandlung sollte also ein bis zwei Wochen vor dem eigentlichen Ausstiegsdatum beginnen. Die Anwendung von Bupropion soll über sieben bis neun Wochen und von Vareniclin über 12 Wochen erfolgen. /
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