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Verschreibungspflichtige Arzneimittel

Sicher in der Schwangerschaft

08.09.2017  11:54 Uhr

Von Maria Pues / Frauen, die an einer chronischen Krankheit ­leiden, kommen häufig auch während der Schwangerschaft um eine Arzneimitteltherapie nicht herum. Viele Patientinnen sind dann verunsichert. Sorgen müssen sie sich aber nicht: Arzneimittel, die häufig bei Schwangeren eingesetzt werden, sind in der Regel sicher für Mutter und Kind.

Viele Frauen nehmen bereits vor Beginn ihrer Schwangerschaft dauerhaft Arzneimittel ein. Häufig sind chronische Erkrank­ungen der Grund, aber auch manche akuten Erkrankungen bedürfen einer Behandlung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit – aus Patientinnensicht – stark wirksamen und möglicherweise auch stark schädlichen Arzneistoffen. Tatsächlich sind einige Wirkstoffe während der Schwangerschaft streng kontraindiziert (siehe Kasten). Die Liste der Arzneimittel, die in der Schwangerschaft nicht gegeben werden dürfen, ist lang. Für die meisten Erkrankungen lässt sich jedoch eine Behandlung finden, die auch während der Schwangerschaft fortgeführt werden kann. Dies erläuterte auch Professor Dr. Gerd Neumann von der Universität Rostock auf dem diesjährigen Fortbildungskongress Interpharm, der im Frühjahr in Bonn stattfand.

Der Gynäkologe gab zu bedenken: Nicht nur Arzneimittel können sich negativ auf eine Schwangerschaft auswirken, sondern auch manche Erkrankungen, wenn sie nicht ausreichend behandelt werden. Möglicherweise verunsichern kann Patientinnen außerdem, dass manche Arzneimittel in bestimmten Phasen der Schwangerschaft gegeben werden dürfen, in anderen hingegen nicht.

Auch ohne die Einnahme von Arzneimitteln kann es zu Fehlbildungen beim Ungeborenen kommen. Das Risiko­ hierfür liegt in der Allgemein­bevölkerung bei etwa 3 Prozent. Verschiedene Faktoren spielen hierbei eine Rolle (siehe Kasten). Nicht zuletzt ist Alkohol ein stark wirksames und häufig unterschätztes Teratogen.

In der Regel geht es nicht allein um die Entscheidung »Arzneimitteltherapie ja oder nein«. Vielmehr müssten drei Aspekte gegeneinander abgewogen werden: das mütterliche sowie das kindliche Risiko­ durch die Erkrankung und das kindliche Risiko durch die Therapie.

Asthma und Allergien

Laut Neumann ist Asthma die häufigste Erkrankung der ersten Lebenshälfte. Bis zu 10 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter sind davon betroffen. Bei knapp einem Drittel von ihnen verschlechtert sich das Asthma abhängig vom bereits bestehenden Schweregrad der Erkrankung mit fortschreitendem Alter. Bei über der Hälfte der Frauen mit schwerem Asthma verschlechtert sich die Erkrankung während einer Schwangerschaft weiter. Ziel der Thera­pie ist es, Häufigkeit und Dauer der Anfälle zu reduzieren.

Teratogene und fetotoxische Faktoren Häufigkeit (in Prozent)
Genetische Erkrankungen 20
Chromosomen- anomalien 5
Mütterliche Erkrank­ungen
(Diabetes, Röteln, Toxoplasmose unter anderem)
4
Chemische und physikalische Faktoren (Arzneimittel, ionisierende Strahlen, Drogen) 4
Anatomische Faktoren 2

Für das Ungeborene hoch riskante Wirkstoffe gebe es in der Asthmatherapie nicht, betonte der Referent. Auch in der Schwangerschaft erfolgt die Therapie nach dem Stufenplan der natio­nalen Versorgungsleitlinie. In­halative Glucocorticoide können demnach während der Schwangerschaft weiter angewendet und bei Bedarf mit inhalativen β-Sympathomimetika wie Salbutamol sowie systemischen Glucocorticoiden wie Prednisolon ergänzt werden. Nicht nur in der Schwangerschaft umstritten ist allerdings der Einsatz von Theophyllin, da dessen Effekte gering, das Risiko für mögliche Nebenwirkungen jedoch erheblich sind.

Bekannt und bewährt

Bei allergischen Erkrankungen können H1-Antihistaminika auch während der Schwangerschaft angewendet werden. Insbesondere im ersten Schwangerschaftsdrittel wird empfohlen, auf seit Längerem bekannte und bewährte Wirkstoffe wie Clemastin oder Dime­tinden zu setzen. Deren sedierende Wirkung könne zudem genutzt werden, wenn jucken­de Hautsymptome den Nachtschlaf beeinträchtigen. Eignen sich sedierende H1-Antihistaminika nicht, könnten auch Wirkstoffe wie Loratadin oder Cetirizin eingesetzt werden.

Ältere, sedierende Antihistaminika wie Doxylamin (in Deutschland off label­) oder Dimenhydrinat kommen darü­ber hinaus bei Übelkeit und schwangerschaftsbedingtem Erbrechen zum Einsatz, ergänzte Gynäkologe Neumann. Denn das als Mittel der Wahl empfohlene Pyridoxin (Vitamin B6) wirke zwar gut gegen Übelkeit, jedoch nicht gegen Erbrechen. Zwar sei für Doxylamin durch Studien belegt, dass für das Ungeborene kein Risiko besteht, und für Dimen­hydrinat hat sich keine Evidenz für ein Risiko ergeben, doch sollten sie bei erhöhtem Risiko für eine Frühgeburt nicht angewendet werden. In diesen Fällen haben sich Metoclopramid, Ondansetron und Promethazin als Alternativen bewährt.

Antibiotika notwendig?

Unter den Antibiotika gibt es solche, die sich während der Schwangerschaft eignen, und solche, bei denen dies nicht der Fall ist. Grundsätzlich muss aber auch immer bei den geeigneten überlegt werde, ob ein Einsatz notwendig und sinnvoll ist. Denn sie wirken stets nicht nur gegen die Krankheitserreger, sondern verändern auch das Mi­krobiom des Menschen und stören das Gleichgewicht der physiologischen Flora, beispielsweise das Schutzsystem durch Lactobazillen. Rund 30 Prozent der Darmflora würden bei einer Antibiotikabehandlung zerstört, so Neumann. Auch an das Risiko für Resistenzen muss beim Einsatz von Antibiotika gedacht werden.

Physikalische Wirkung

Die häufigste bakterielle Infektion während der Schwangerschaft sei die bakterielle Vaginose, erläuterte der Referent. Diese wird laut Leitlinie mit Metronidazol/Clindamycin behandelt, was allerdings zu Resistenzen führen kann und ein hohes Risiko für Rezidive birgt. Als sinnvolle Alternative stellte er den Einsatz von Antiseptika vor, die anders als Antibiotika physikalisch auf die Bakterien­membran wirken, diese destabilisieren und so die Erreger bekämpfen. Die Vorteile: keine Ausbildung von Resistenzen, da nicht Stoffwechsel- oder Vermehrungsvorgänge das Ziel sind, und keine Beeinflussung der Darmflora, da Antiseptika lokal angewendet werden. Zudem seien sie nicht plazentagängig. Als Mittel der Wahl nannte er die Kombination aus Octenidin und Phenoxyethanol (wie in Octeni­sept® Vaginaltherapeutikum/Vaginalspray, uneingeschränkt ab dem vierten Schwangerschaftsmonat anwendbar).

Bluthochdruck-Medikation

Beunruhigt reagieren häufig Bluthochdruckpatientinnen, die ACE-Hemmer oder AT1-Antagonisten anwenden und feststellen, dass sie schwanger sind. Denn Wirkstoffe aus diesen Gruppen sind aufgrund möglicher schwerwiegender teratogener Effekte während der Schwangerschaft kontraindiziert – allerdings erst ab dem zweiten Trimenon. Zu Beginn einer Schwangerschaft sind also keine schädlichen Effekte zu erwarten. Das Antihypertensivum der Wahl während der Schwangerschaft ist Methyldopa, auf das die Patientinnen dann umgestellt werden können.

Auswahl bekannter Teratogene

  • Thalidomid
  • Retinoide (Acitretin, Etretinat, Isotretinoin, Tretinoin)
  • Androgene
  • Cumarinderivate
  • Zytostatika
  • Valproinsäure
  • Carbamazepin
  • Phenobarbital
  • Phenytoin

Eine Schwangerschaft sorgsam zu planen, empfiehlt sich daher stets für Frauen mit chronischen Erkrankungen, die regelmäßig Arzneimittel ein­nehmen. Dann kann eine Pharmakotherapie frühzeitig angepasst werden. Das Therapieziel muss dabei kritisch hinterfragt werden: Ist das Arzneimittel wirklich (noch) erforderlich? Oder gibt es möglicherweise ein anderes, besser erprobtes Arzneimittel, das man stattdessen wählen könnte? Bei unverhofft eingetretener Schwangerschaft muss geprüft werden, ob das Arzneimittel weiter gegeben werden muss oder ob beispielsweise ein Therapieabbruch oder diagnostische Maßnahmen erforderlich sind. Patientinnen mit Kinderwunsch sollten außerdem ihre Arzneimittelanwendungen dokumentieren, riet Neumann.

Informationen zur Anwendbarkeit von Arzneimitteln in der Schwangerschaft scheinen oft schwer zu ermitteln. Keine große Hilfe stellen häufig die Packungsbeilagen dar. Umfangreiche Informationen bietet etwa die Website www.embryotox.de. Dort gibt es unter anderem eine Datenbank mit Informationen zu mehr als 400 verschiedenen Arzneistoffen und ihrem Einsatz in der Schwangerschaft.

Alt statt neu

Bei dem Arzneimitteleinsatz in der Schwangerschaft gilt generell die Faustregel: Ältere Substanzen sollte man gegenüber neueren bevorzugen, da hier meist mehr Erfahrungen vor­liegen. Zudem sollte man möglichst Mono- statt Kombinationstherapien einsetzen, um das Risiko negativer Wirkungen auf das Kind zu minimieren. /

Antibiotika mit embryotoxischem oder teratogenem Risiko

Doxycyclin, Minocyclin Einlagerung in Zahnschmelz und Knochen ab dem 4. Schwangerschaftsmonat → spätere Zahnverfärbungen, Zahnschmelzdefekte und Verzögerung des Knochenwachstums beim Kind; für die Schwangere erhöhte Gefahr von Leberschäden
Ciprofloxacin, Ofloxacin 2. Wahl im ersten Schwangerschaftsdrittel; im Tierversuch wurden Gelenkerkrankungen (Knorpel­schäden) bei jungen Tieren festgestellt, die aber bei intrauterin exponierten Kindern bisher nicht beobachtet wurden
Trimethoprim strenge Indikationsstellung; bisher keine Hinweise auf ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko; 2. Wahl in der gesamten Schwangerschaft. Der Grund: Folsäureantagonisten können im Tierversuch teratogen wirken. Zudem ist der protektive Effekt von Folsäure bei Neuralrohrdefekten bekannt. Daher wird immer wieder ein teratogenes Risiko diskutiert.
Trimethoprim- Sulfamethoxazol 2. Wahl in der gesamten Schwangerschaft; Sulfamethoxazol kann im 2. und 3. Schwangerschafts­drittel Bilirubin aus der Plasmabindung verdrängen. Daher wird – insbesondere bei Frühgeborenen – die Gefahr einer Hyperbilirubinämie diskutiert.

Quelle: Vortrag, Embryotox