Gewürz und Heilpflanze |
11.09.2018 12:09 Uhr |
Von Inka Stonjek / Zimt ist eines der ältesten Gewürze der Welt. Er gelangte im 14. Jahrhundert nach Europa und erlebt hierzulande traditionell zur Weihnachtszeit seine Hochphase – in Lebkuchen, Zimtsternen und anderen Leckereien. Doch viel bedeutsamer ist seine Geschichte als Arzneimittel. So wird er in China seit mehr als 4000 Jahren als Heilpflanze genutzt.
Zimt stammt aus der getrockneten Rinde verschiedener Zimtbäume. Von den weltweit etwa 270 Arten sind in Europa nur zwei wirtschaftlich relevant. Als echter Zimt gilt Ceylon-Zimt, der aus dem Zimtbaum (Cinnamomum verum, auch Cinnamomum zeylanicum) gewonnen wird. Es handelt sich dabei um eine 6 bis 12 Meter hohe und immergrüne Baumart, die ursprünglich in Sri Lanka und Südwestindien beheimatet ist. Ihre Blätter stehen gegenständig zueinander, sind oval, glänzend und haben eine ledrige Oberseite. Sie duften zart nach Gewürznelken, und aus ihnen lässt sich beispielsweise Zimtöl destillieren.
Foto: iStock/Sezeryadigar
Das Gewürz wird allerdings aus der Rinde gewonnen. Objekt der Begierde ist die innerste Schicht, der sogenannte Bast. Dazu werden die zwei- bis dreijährigen Schösslinge geschlagen und durch einen Längs- und Rundschnitt entrindet. Als optimaler Zeitpunkt dafür hat sich das Ende der Regenzeit bewährt, wenn die Rinde feucht ist und leicht abgezogen werden kann. Erst einmal geschält, rollen sich die etwa einen Meter langen Platten der Länge nach von selbst ein. Solange diese Stangen noch biegsam sind, werden acht bis zehn davon zu sogenannten Quills ineinandergeschoben. Beim anschließenden Trocknen werden diese fest und erhalten ihre intensive braune Farbe. Vor dem Transport werden sie gekürzt, doch erst an ihrem Bestimmungsort zu Pulver vermahlen. Auf diese Weise bleibt das Aroma möglichst lange erhalten.
Cassia-Zimt ist günstiger und gilt als Verfälschung des echten Zimts. Er wird in einem ähnlichen Verfahren aus der Rinde der Zimtkassie (Cinnamomum cassia, auch Cinnamomum aromaticum) gewonnen, die in Südchina beheimatet ist. Obwohl auch sie zur Familie der Lorbeerbäume gehört, ist sie nicht direkt mit dem Echten Zimtbaum verwandt. Ihre Rinde ist dunkler und deutlich dicker, weshalb sie sich nur von einer Seite einrollt und in der Mitte ein Hohlraum verbleibt. Auch das Ineinanderschieben zu Quills bleibt aus.
Nicht identisch
Ceylon- und Cassia-Zimt sind parallel im deutschen Lebensmittelhandel zu finden und werden in der Küche identisch verwendet. Für den ungeübten Gaumen sind beide Sorten kaum zu unterscheiden. Insbesondere in Süßspeisen, Gebäck, Tee oder Glühwein verarbeitet, ist vor allem Zimtaldehyd die Aroma-bestimmende Komponente. Dennoch gibt es feine Unterschiede. Optisch erinnert Ceylon-Zimt an einen Stapel brüchiges, aufgerolltes Pergament, während Cassia-Zimt aus einer einzigen dicken Rindenschicht besteht. Chemisch lassen sich beide Sorten laut der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) durch die Reaktion mit Barytwasser unterscheiden.
Cassia-Zimt | Ceylon-Zimt |
Unter anderem Zimtaldehyd (90 Prozent), Eugenol (in Spuren), Cumarin (0,45 Prozent) | Unter anderem Zimtaldehyd (65 bis 80 Prozent), Eugenol (bis zu 10 Prozent), Cumarin (in Spuren) |
Quelle: Weltgesundheitsorganisation WHO
Geschmacklich schwärmen die Gewürzimporteure vom breiteren Aromenspektrum des Ceylon-Zimts und beschreiben ihn als warm, süßlich und leicht holzig. Cassia-Zimt gilt als würzig, schärfer und sogar leicht bitter. Diese feinen Nuancen sind auf die Unterschiede in der Zusammensetzung des ätherischen Öls zurückzuführen: In Ceylon-Zimt ist Eugenol enthalten, das intensiv nach Gewürznelken riecht. Dafür kommt in Cassia-Zimt Cumarin vor, das einen würzigen Geruch nach frischem Heu, Waldmeister oder Vanille mitbringt.
Hier ist Vorsicht geboten, denn Cumarin wirkt toxisch. Im Hinblick auf die Risikobewertung sind vor allem die hepatotoxischen und kanzerogenen Eigenschaften der Substanz relevant. Deshalb haben die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) das gesundheitliche Risiko, das von Cumarin in Lebensmitteln ausgehen kann, bewertet und eine tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (tolerable daily intake, TDI) von 0,1 mg pro kg Körpergewicht abgeleitet. Zudem gelten in der Europäischen Union seit Januar 2011 Höchstmengen für Cumarin in Frühstücksgetreideprodukten, Desserts und Gebäck (siehe Kasten auf Seite 43). Sie sind so bemessen, dass selbst bei Ausschöpfung dieser Höchstmengen eine Überschreitung des TDI-Werts nur möglich ist, wenn jeden Tag sehr große Mengen zimthaltiger Lebensmittel verzehrt werden.
Zimt als Lebensmittel
Für das reine Gewürz gelten die Höchstmengen nicht. Wird beispielsweise in der Weihnachtszeit mit Cassia-Zimt gebacken und reichlich genascht, kann der TDI-Wert leicht überschritten werden. Das BfR empfiehlt deshalb, Cassia-Zimt nur maßvoll zu verzehren beziehungsweise ausschließlich Ceylon-Zimt zu verwenden. Doch das ist leichter gesagt, als getan. Die Verbraucherzentrale Niedersachsen kritisierte bereits 2012, dass es keine Kennzeichnungspflicht für Zimt gibt. Der Verein hatte in verschiedenen Geschäften stichprobenartig Zimt eingekauft und die Angaben verglichen. In den meisten Fällen war die Herkunft nicht ersichtlich, insbesondere bei den Verpackungen aus Super- und Verbrauchermärkten sowie den Discountern. Etwas besser sah es bei Produkten aus Reformhäusern, Biosupermärkten und Naturkostläden aus. »Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass es sich dabei überwiegend um den cumarinreichen Cassia-Zimt handelt«, interpretierte die Lebensmittelexpertin Hedi Grunewald diese Bilanz. Hersteller, die den teureren Ceylon-Zimt eintüten, legen dies in aller Regel offen. Das österreichische Verbrauchermagazin »Konsument« hat erst jüngst ebenfalls einen solchen Test gemacht und ähnliche Ergebnisse erzielt.
Gebäck-Klassiker: Zimtschnecken sind vor allem in Skandinavien und den USA weitverbreitet.
Foto: Shutterstock/viennetta
Die Gefahr, den TDI-Wert von Cumarin zu überschreiten, besteht auch, wenn Zimtpräparate über einen längeren Zeitraum in hohen Dosen eingenommen werden. Entsprechende Nahrungsergänzungsmittel beziehungsweise diätetische Lebensmittel kamen verstärkt auf den Markt, nachdem 2003 eine pakistanische Studie einen Blutzucker- und Blutfett-senkenden Effekt von Cassia-Zimt bei Typ-II-Diabetikern gezeigt hatte. Das BfR weist darauf hin, dass weder die Unbedenklichkeit noch die Wirksamkeit solcher Präparate zweifelsfrei nachgewiesen sind. Zahlreiche Studien am Versuchstier und in vitro sprechen dafür, dass der Zimt die Glucoseaufnahme in periphere Gewebe erhöhen kann – etwa, weil er selbst eine insulinähnliche Wirkung entfaltet, die Empfindlichkeit der Gewebe gegenüber Insulin steigert oder die Insulinsekretion erhöht.
Die bisherigen Humanstudien kommen dahingehend zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft und die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft sprechen sich derzeit gegen die Anwendung solcher Zimtpräparate zur Behandlung des Typ-2-Diabetes aus. Das BfR empfiehlt, Zimtpräparate künftig nur als Arzneimittel nach einer entsprechenden Zulassung zu genehmigen.
Quelle: Verordnung (EG) Nr. 1334/2008
Zimt als Arzneimittel
Zimt wird in anderen Indikationen schon seit Jahrhunderten auch hierzulande traditionell als Heilpflanze verwendet. In Deutschland hat die Kommission E sowohl die Rinde des Echten Zimtbaumes (Cinnamomi ceylanici cortex), als auch die Rinde der Zimtkassie (Cinnamomi cassiae cortex) positiv bewertet. Sie bescheinigt beiden eine antibakterielle, fungistatische und motilitätsfördernde Wirkung und sieht die Anwendung bei Appetitlosigkeit, Völlegefühl und Blähungen sowie dyspeptischen wie leichten krampfartigen Beschwerden im Magen-Darm-Bereich indiziert. Die empfohlene Tagesdosis liegt bei 2 bis 4 Gramm Droge beziehungsweise 0,05 bis 0,2 Gramm des ätherischen Öls. Von der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP), einer Dachgesellschaft nationaler Gesellschaften für Phytotherapie, hat die Rinde des Echten Zimtbaumes ebenso eine positive Bewertung erhalten. Sie sieht Appetitlosigkeit, dyspeptische Beschwerden wie krampfartige Beschwerden im Magen-Darm-Bereich, Völlegefühl, Blähungen und Diarrhö als mögliche Indikationen.
Bei Blähungen
Für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind heute vor allem die Monographien des Europäischen Ausschusses für pflanzliche Arzneimittel (Committee on Herbal Medicinal Products, HMPC) relevant. Dieser hat neben der Rinde des Echten Zimtbaums auch das ätherische Öl als traditionelles pflanzliches Arzneimittel anerkannt. Demnach eignen sie sich beide aufgrund langjähriger Erfahrung zur Behandlung leichter krampfartiger Beschwerden im Magen-Darm-Bereich, die mit Blähungen und Flatulenz einhergehen. Zimtrinde kann zudem bei leichten Durchfällen eingesetzt werden. Die notwendige Qualität der Drogen und der Drogenzubereitungen sind im Europäischen Arzneibuch festgelegt. Nicht empfohlen ist die Anwendung von Zimtrinde und Öl während der Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren, da keine Untersuchungen zur Unbedenklichkeit vorliegen. Zu den Gegenanzeigen gehören Überempfindlichkeitsreaktionen gegenüber den Inhaltsstoffen. /