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Lippenherpes

Kampf den Bläschen

11.09.2018  12:09 Uhr

Von Ulrike Viegener / Lippenherpes ist eine Domäne der Selbst­medikation. Zu einem guten Beratungsgespräch gehört auch, auf Hygieneregeln hinzuweisen. Denn diese sind unverzichtbar im Umgang mit den hochinfektiösen Herpesviren.

Das Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1), der Haupterreger des Lippenherpes, ist allgegenwärtig. Zwei Drittel der Weltbevölkerung sind laut der Weltgesundheitsorganisation WHO mit diesem Virus­ infiziert, und in Deutschland sind es laut Robert-Koch-Institut (RKI) 85 Prozent aller Erwachsenen. Da eine Elimination des Virus aus dem Körper bislang nicht möglich ist, werden bis zu 20 Prozent der Infizierten immer wieder von Episoden des lästigen Herpes labialis heimgesucht.

Nach der oft asymptomatisch verlaufenden Erstinfektion nistet sich das Virus in Nervenganglien ein und ist dort vor dem Zugriff des Immunsystems geschützt­. In dieser Latenzphase ruht das Virus und wartet auf günstige Zeiten. Ist die körpereigene Abwehr geschwächt oder anderweitig beschäftigt – zum Beispiel mit Infekten, Sonnenbrand, durch körperliche Überanstrengung oder Stress – schlägt das Virus zu: Um den Mund herum beginnt es zu kribbeln oder zu brennen, und nach einigen Stunden bilden sich schmerz­hafte, mit Flüssigkeit gefüllte Bläschen, die Millionen von Herpesviren enthalten.

Herpes-simplex-Viren sind hoch­in­fektiös. HSV-1 wird vor allem über den Speichel übertragen und gewinnt in­folge eines veränderten Sexualverhaltens zunehmend auch als Erreger von Genitalherpes (Herpes genitalis) an Be­deutung. Bis zu 30 Prozent der Fälle sollen inzwischen auf das Konto dieses Virussubtyps gehen. Untersuchungen aus den USA zeigen, dass HSV-1 heute bei jungen heterosexuellen Frauen häufiger für Genitalherpes verantwortlich als der klassische Erreger HSV-2. Während früher die Erstinfektion mit HSV-1 und damit die Ausbildung schützen­der Antikörper meist bereits in der Kindheit erfolgte, kommen viele Jugendliche heute offenbar erst im Zuge sexueller Kontakte mit HSV-1 in Kontakt. Risikoträchtig ist in dieser Hinsicht in erster Linie oral-genitaler Sex. Bei Lippenherpes ist übrigens eine ähnliche Entwicklung zu beobachten: Hier wird das HSV-2, das früher kaum eine Rolle spielte, zunehmend als Erreger identifiziert.

Hygiene ist unverzichtbar

In puncto Ansteckungsgefahr besteht großer Aufklärungsbedarf. Das Be­achten von Hygieneregeln ist unverzichtbar im Umgang mit den hoch­infektiösen Herpeserregern, darüber sollte deshalb bei Abgabe von Präpa­raten zur Selbstmedikation des Lippenherpes informiert werden.

Wichtig ist zunächst, dass die Bläschen­ am Mund nicht berührt werden. Also: nicht kratzen, nicht an der Kruste Hand anlegen und das Präparat möglichst nicht mit den Fingern auftragen. Zum Aufbringen topischer Arzneimittel wird besser ein Wattestäbchen benutzt, wobei die Hände vorher und anschließend sorgfältig zu waschen sind. Regel­mäßiges Händewaschen in der Zeit einer­ akuten Herpesläsion dient dazu, eine Ausbreitung der Infektion durch verschleppte Erreger zu verhindern. Und mit Blick auf den Partner sollte in dieser Phase auf Küssen und Sex möglichst verzichtet werden.

Virenbremsen

In aller Regel lässt sich Lippenherpes durch eine topische Behandlung mit Virusta­tika gut in den Griff bekommen. Aciclovir (wie Zovirax®) und Penciclovir (Pencivir®) sind Nukleosidanaloga, chemisch­ vom DNA-Baustein Guanin abgeleitet. Sie werden in die Virus-DNA eingebaut, führen zu einem Ketten­abbruch und hemmen so die Virus­replikation. Die virusspezifische Wirkung­ erklärt sich daraus, dass beide Wirkstoffe erst in infizierten Zellen durch virale Enzyme in die aktiven Wirkstoffe Aciclovirtriphosphat beziehungsweise Penciclovirtriphosphat umgewandelt werden.

Schneller abgeheilt

Die topische Behandlung mit den gut verträglichen Nukleosidanaloga lindert die unangenehmen Symptome des Lippenherpes und verkürzt die Dauer bis zur Abheilung. Die Behandlung sollte am besten gleich bei den ersten Anzeichen wie Kribbeln oder Brennen, also im sogenannten Prodromalstadium, begonnen werden, wenn die Viren gerade erst an die Epidermiszellen andocken. So bestehen die besten­ Chancen, der explosionsartigen Virusvermehrung, die in den ersten 48 Stunden stattfindet, zuvorzu­kommen. Aber auch wenn sich bereits Bläschen gebildet haben, profitieren Lippenherpes-Geplagte von einer Behandlung­, da die Nukleosidanaloga auch noch in späteren Phasen eine gewisse Wirkung entfalten.

Aciclovir wird fünfmal täglich im Abstand von vier Stunden angewendet. Für Penciclovir gilt die Empfehlung, die Creme mindestens sechsmal täglich alle zwei Stunden aufzutragen. Auch gesundes Gewebe um die Läsionen­ herum sollte mitbehandelt werden, um die noch nicht infizierten Epidermiszellen abzuschirmen. Die Behandlung wird fortgeführt, bis alle Bläschen verkrustet und abgeheilt sind, was in der Regel nach etwa fünf Tagen der Fall ist. Der Wirkstoff Pencic­lovir wird – abgesehen von einer farblosen Creme – auch als gefärbte Creme angeboten.

Seit einigen Monaten steht zur Selbstmedikation das Kombinationspräparat Zovirax® Duo zur Verfügung, das Aciclovir (5 Prozent) und Hydro­cortison (1 Prozent) enthält. Unter pathogenetischen Gesichtspunkten scheint die Kombinations­behandlung insofern sinnvoll zu sein, da Entzündungsreaktionen auf den Virus­angriff eine wichtige Rolle beim Lippenherpes spielen.

Neue Kombination

Der Bundesrat hatte Ende 2017 einer Än­derung der Arzneimittelver­schrei­bungs-Verordnung (AMVV) zugestimmt und damit für die Einführung von Zovirax Duo grünes Licht gegeben. Nachdem Aciclovir vorher »in Zube­reitungen als Creme zur An­wendung bei Herpes labialis in Packungs­größen bis zu 2 g und einem Wirkstoffgehalt bis zu 100 mg je ab­geteilter Arzneiform« rezeptfrei war, wurde die Rezeptfreiheit jetzt auch auf die Kombination mit Hydrocortison in einer Konzentration von 1 Prozent ausgedehnt. Neu ist nicht nur die Kombi­nation, sondern auch der Grenzwert für Hydrocortison in einer topischen Zubereitung. Bislang waren Hydro­cortison und Hydrocortisonacetat in Konzentrationen von 0,25 und 0,5 Prozent in topischen Zubereitungen rezeptfrei.

Wann zum Arzt?

Treten Herpes-Rezidive öfter auf als sechsmal pro Jahr, ist eine Selbstmedikation nicht angezeigt. Schwangere und Stillende sollten bei den ersten Anzeichen eines Lippenherpes ebenfalls einen Arzt konsultieren, da Herpesviren bei Säuglingen und Embryos lebens­gefährliche Komplikationen und bleibende Schäden verursachen können. Und schließlich erfordert auch eine Ausweitung der Herpesläsionen über die Lippenregion hi­naus einen Arztbesuch. /

Laut AMVV kann die Kombination »zur Behandlung von Herpes labialis zur Verringerung des Risikos von ulzerativen Läsionen bei Erwachsenen und Kindern ab zwölf Jahren« eingesetzt werden. Eigentlich gelten topische Glucocorticoide bei Virusinfektionen als kontraindiziert, da vor allem in der Replika­tionsphase die Gefahr einer Ausbreitung des Virus im Körper (Virusgeneralisierung) besteht. Entsprechende Bedenken wurden nun aber offenbar hintenangestellt angesichts klinischer Daten, denen zufolge die Kombinationstherapie den Verlauf von Lippenherpes-Episoden besser beeinflusst als die Behandlung mit Placebo beziehungsweise Aciclovir allein­.

Für die dreiarmige Zulassungsstudie waren fast 2500 Patienten mit posi­tiver Lippenherpes-Vorgeschichte randomisiert und auf drei Behandlungsgruppen verteilt worden: eine Kombinationsbehandlung mit Aciclovir und Hydrocortison, eine Monotherapie mit Aciclovir (5 Prozent) oder Placebo jeweils­ als Creme. Der primäre Studien­endpunkt, der für die Beurteilung der Wirksamkeit herangezogen wurde, war die Prävention von ulzerativen Läsionen. Bei 1443 Patienten kam es im Studien­zeitraum zu einem Lippen­herpes-Rezidiv. Für diesen Fall waren die Studienteilnehmer zu Beginn angewiesen worden, entsprechend ihrer Randomisierung die jeweilige Creme aufzutragen, und zwar fünfmal täglich fünf Tage lang. Die Behandlung sollte bei den ersten Symptomen von Herpes­bläschen gestartet werden.

Unter der Kombinationstherapie blieben 42 Prozent der Patienten von ulzerösen Läsionen verschont. Im Vergleich dazu die Zahlen unter Aciclovir allein beziehungsweise unter Placebo: 35 und 26 Prozent. Bei Patienten, bei denen Läsionen auftraten, waren die Heilungszeiten sowohl unter der Kombi­nation als auch unter der Monotherapie gegenüber Placebo verkürzt. Außerdem war die kumulative Läsionsfläche unter der Kombinations­behandlung im Vergleich zu Placebo um 50 Prozent reduziert.

Pflanzlich gegen Herpes

Eine pflanzliche Alternative zur Selbstbehandlung ist ein hochkonzen­trierter Extrakt­ der Zitronenmelisse (Lomaherpan®). Dessen Inhaltsstoffe sind nachweislich in der Lage, ein Andocken reaktivierter Herpeszellen an die Epidermiszellen zu verhindern, wobei vor allem die enthaltene Rosmarinsäure für die Rezeptorblockade verantwortlich ist. Auf die Vermehrung der Viren inner­halb der Zellen nehmen die Inhalts­stoffe der Melisse keinen Einfluss. Deshalb muss die mehrmals tägliche Anwendung des Melissenextrakts umgehend beim Auftreten der Pro­dromalsymptome gestartet werden. Das Präparat ist zur Behandlung von Lippenherpes bei Erwachsenen und Kindern ab einem Jahr zugelassen.

Zur Lippenpflege bietet der Her­steller zusätzlich einen Pflegestift mit Melissen­extrakt (Lomaprotect®) an. Die regelmäßige Anwendung soll vor Lippen­herpes-Rezidiven schützen. Außer­ den Wirkstoffen der Zitronenmelisse enthält der farblose Pflegestift, der mit kosmetischen Lippenstiften kom­binierbar ist, einen effektiven UV-Filter. Starke Sonneneinstrahlung ist bekanntlich ein Triggerfaktor, der den Lippen­herpes »zum Erblühen« bringt. /

Topische Präparate bei Lippenherpes

Wirkstoff/ Medizinprodukt Präparate­beispiele Bemerkungen
Virustatika • Aciclovir, Penciclovir • Aciclovir + Hydrocortison Zovirax®, Pencivir®, Zovirax® Duo bei den ersten Anzeichen wie Kribbeln oder Brennen anwenden, verkürzen die Dauer bis zum Abheilen der Bläschen
Zitronenmelisse Lomaherpan®, (Lomaprotect®) mehrmals täglich bei Auftreten der Prodromalsymptome anwenden
Zinksulfat Virudermin®, in Kombination mit Heparin in Lipactin® Zinkionen sollen antiviral wirksam sein; auch adstringierende Zinkoxidschüttel­mixtur oder weiche Zinkpaste können auf die Bläschen aufgetragen werden
Docosan-1-ol Muxan® zur topischen Behandlung früher Stadien von Herpes labialis (Prodromal- oder Erythemphase)
Hydrokolloid- Pflaster Herpesbläschen Pflaster Compeed® Arbeiten nach dem Prinzip der feuchten Wundheilung, beugen Schorfbildung vor und schützen vor Schmutz und anderen Erregern. Über das Pflaster kann Make-up oder Lippenstift aufge­tragen werden.
Wärmestift Herpotherm® Konzentrierte Wärme (51 °C) soll Entzündungsreaktionen dämpfen