Umfangreichere Früherkennung |
26.09.2016 11:28 Uhr |
Von Annette Immel-Sehr / Vielen Eltern in Deutschland sind die Kürzel U1 bis U9 sicher ein Begriff. Es sind gängige Bezeichnungen für die gesetzlich verankerten Vorsorgeuntersuchungen für Kinder. Am 1. September 2016 traten Änderungen bei diesen Früherkennungsuntersuchungen in Kraft. Diese setzen neue Standards und sehen weitere Untersuchungen vor.
Gemäß Sozialgesetzbuch V haben Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres Anspruch auf Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten, die ihre körperliche oder geistige Entwicklung maßgeblich gefährden. Die Früherkennungsmaßnahmen für Kinder, die gesetzliche Krankenversicherungen als reguläre Leistung anbieten, sind Bestandteil der sogenannten Kinder-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) – jenes Gremiums, das unter anderem den Leistungsanspruch der gesetzlich Krankenversicherten festlegt.
Programm überprüft
Das sogenannte Gelbe Heft, in dem Ärzte die Ergebnisse der Vorsorgeuntersuchungen dokumentieren, begleitet die Eltern durch die ersten Lebensjahre ihres Kindes. Insgesamt neun U-Untersuchungen werden darin festgehalten. Vor allem im ersten Lebensjahr wird die Entwicklung des Säuglings genau verfolgt: Allein sechs Untersuchungen sind in den ersten zwölf Monaten in bestimmten Lebenswochen vorgesehen, die erste kurz nach der Geburt. Ab dem zweiten Lebensjahr vergrößern sich die Zeitabstände, die U9 erfolgt zwischen dem 60. und 64. Lebensmonat des Kindes.
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In den letzten Jahren haben Experten das Früherkennungsprogramm für Kinder auf den Prüfstand gestellt. Auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse wurden sowohl die Untersuchungsmethoden als auch die für die Untersuchungen vorgesehenen Zeitpunkte überprüft. Am Ende des mehrstufigen Überarbeitungsprozesses hat der G-BA verschiedene Änderungen beschlossen: Unter anderem setzte er neue Standards für Seh- und Hörtests fest und beschloss ein verfeinertes Screening von Sprache und Motorik der Kinder.
Auch die psychosoziale Entwicklung der Kinder soll zukünftig untersucht werden, um Verhaltensauffälligkeiten oder Risikofaktoren für psychische Erkrankungen möglichst früh feststellen zu können. Dazu sollen Ärzte eine sogenannte Sozialanamnese vornehmen und beobachten, wie das Kind mit seiner Kontaktperson, beispielsweise seiner Mutter, interagiert. Festgeschrieben wurde auch, dass Kinderärzte die Eltern bei den U-Untersuchungen zu bestimmten Gesundheitsthemen beraten sollen, beispielsweise über sichere Schlafumgebung, Unfallvorbeugung sowie über Ernährung. Neugeborene sollen außerdem standardmäßig auf Mukoviszidose untersucht werden, wenn die Eltern einverstanden sind.
Mehr individuelle Tipps
Das neue »Gelbe Heft« wurde für die Dokumentation der einzelnen Untersuchungen umstrukturiert und optisch etwas modernisiert. Zu jeder U ist nun auch ein Bemerkungsfeld vorgesehen, in das der Arzt individuelle Tipps etwa zur Förderung der kindlichen Entwicklung oder weitergehende Empfehlungen zur Behandlung eintragen kann. Das neue Heft enthält zudem Informationen zu den wichtigsten Themen jeder U-Untersuchung, mit denen sich Eltern im Vorfeld vertraut machen können.
Neu ist eine herausnehmbare Teilnahmekarte, auf der die bisherigen Untersuchungen dokumentiert werden. Bei Bedarf können Eltern oder Sorgeberechtigte damit die regelmäßigen Untersuchungen beispielsweise gegenüber der Kindertagesstätte, Schule oder dem Jugendamt nachweisen, ohne dass diese vertrauliche Befunde einsehen können.
Schrittweise Einführung
Für Neugeborene werden zukünftig nur noch die neuen Hefte ausgegeben. Für Kinder, bei denen die Dokumentation in dem bisher gültigen Heft begonnen wurde, erhalten Eltern bis zur U6 zusätzlich ein neues Kinderuntersuchungsheft, das danach ausschließlich genutzt wird. Dennoch sollten Eltern das bisher verwendete Heft immer zu den U-Untersuchungen mitbringen, da die Daten nicht übertragen werden. Ab der U7 wird kein neues Heft mehr ausgegeben. Der Arzt dokumentiert die Ergebnisse auf eigens gefertigten Einlegeblättern, die in das vorhandene Gelbe Heft eingeklebt werden.
Derzeit verhandelt die Kassenärztliche Bundesvereinigung noch mit den Krankenkassen über die Vergütung der neu eingeführten Leistungen. Innerhalb von sechs Monaten müssen sie sich einigen. Somit sollten die verbesserten Vorsorgeleistungen spätestens am 1. März 2017 überall in Deutschland angeboten werden. /