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Werbeaussagen von Kosmetika

Mehr Schein als Sein

13.10.2017  14:46 Uhr

Von Elke Wolf / Werbeaussagen zu Kosmetika wie »klinisch getestet« oder »von Dermatologen empfohlen« vermitteln Seriosität, suggerieren Qualität und strenge Testverfahren. Eine genauere Analyse dieser Auslobungen ergibt: Die vermeintlichen Qualitätssiegel sind oft nicht mehr als Mindestanforderungen oder Selbstverständlichkeiten, die der Verbraucher von einer Gesichtscreme, einem Shampoo oder einem Rasierschaum erwarten darf.

Aussagen wie »dermatologisch getestet« oder »hypoallergen« werden im Fachjargon als Claims bezeichnet. Es handelt sich um Behauptungen des jeweiligen Herstellers, aus denen sich keine garantierte Qualitätseigenschaft ableiten lässt. Laut der EU-Kosmetikverordnung müssen diese Claims lediglich belegbar sein und der Wahrheit entsprechen. Doch anders als bei Wirksamkeitsnachweisen in der Medizin, bei denen es klare Vorgaben für die Durchführung einer Studie gibt, dürfen Kosmetikhersteller ihre Untersuchungsmethoden weitgehend selbst bestimmen. Definierte Kriterienkataloge fehlen.

Versieht etwa ein Hersteller sein Produkt mit der Aussage »klinisch getestet«, muss er mindestens eine klinische Studie zu der Zubereitung vorlegen können. Wie und an wie vielen Probanden das Produkt allerdings getestet wurde, ist Ermessenssache des Herstellers. Und auch, ob das Ergebnis positiv oder negativ ausfiel, ist anhand der Aussage nicht zu erkennen. Der Begriff »getestet« besagt lediglich, dass ein Test stattfand. Das Ergebnis bleibt ein Geheimnis.

Genauso schwammig ist der Slogan »dermatologisch getestet«. Er besagt nicht mehr, als dass bei dem Produkttest ein Dermatologe anwesend war. »Augenärztlich getestet« werden Kosmetika für die Augenpartie wie Mascara, Make-up-Entferner oder Augengele. Rückschlüsse auf die Wirksamkeit oder Hautverträglichkeit sind daraus nicht zu ziehen. Auch über das Unter­suchungsverfahren an sich sagt das nichts aus. Auch wird nicht ersichtlich, an wie vielen Probanden das Präparat getestet wurde.

Ach, wie reizend

Häufig zu finden sind Formulierungen wie »für Allergikerhaut geeignet«, »hypo­allergen« oder »für empfindliche Haut geeignet«. Kein Wunder, sind doch besonders Allergiker und Patienten mit Hautkrankheiten auf Produkte an­gewiesen, die beste Verträglichkeit mit sich bringen. Der Verbraucher wiegt sich bei obigen Aussagen in Sicherheit. Dabei bedeutet »hypoallergen« lediglich, dass keine bekanntermaßen allergieauslösenden Substanzen enthalten sind. Das schließt jedoch nicht aus, dass der Anwender auf eine andere Substanz dennoch mit Unverträglichkeiten rea­gieren kann. Wird »Hautverträglichkeit dermatologisch nachgewiesen« auf der Verpackung angepriesen, dann wurde das dazugehörige Präparat in der Regel an hautgesunden Freiwilligen unter Aufsicht von Dermatologen getestet und für gut befunden.

Mehr Sicherheit können Menschen mit empfindlicher Haut von Kosmetika erwarten, die entweder das Label des Deutschen Allergie- und Asthmabundes (DAAB) oder das ECARF-Siegel der Europäischen Stiftung für Allergie­forschung tragen. Die Allergiefreundlichkeit der ECARF-ausgezeichneten Präparate (darunter nicht nur Kosme­tika, sondern auch Waschmittel, Haushaltsreiniger oder Staubsauger) haben unabhängige Wissenschaftler und Techniker anhand festgelegter Kri­te­rien festgestellt. Auf der Webseite der Stiftung findet sich eine Übersicht der ausgezeichneten Produkte (www.ecarf-siegel.org).

Gleiches gilt für das DAAB-Label. Bei derart ausgezeichneten Produkten können Verbraucher davon ausgehen, dass die Inhaltsstoffe kein hohes allergenes Potenzial aufweisen und frei von Duft-, Konservierungs- und Farb­stoffen sind. Die Labelvergabe stützt sich sowohl auf die Bewertung der Inhaltsstoffe in der Deklarationsliste als auch auf praktische Erfahrungen der Allergiker, Asthmatiker beziehungsweise Neurodermitiker während der Anwendung über einen längeren Gebrauchszeitraum. Der DAAB weist darauf hin, dass auch »natürliche Inhaltsstoffe« mit einem allergenen Risiko behaftet sein können.

Viel heiße Luft

Viel heiße wissenschaftliche Luft verbirgt sich auch hinter der Aussage »80 Prozent der Anwenderinnen zeigen sich mit der Anwendung zufrieden« oder »80 Prozent der Anwenderinnen bestätigen die hervorragende Wirksamkeit der Creme«. Analysiert man solche Anzeigentexte genauer, zeigt sich schnell das Problem: Kleinste Fußnoten verweisen darauf, dass der Hersteller die Anwenderinnen mitunter online befragt hat und diese die Kosmetik gratis erhalten haben. In den aller­meisten Fällen ist zudem die Teilnehmerzahl sehr überschaubar. Wenn etwa nur 28 Anwenderinnen teil­genommen haben, lässt das keine Rückschlüsse auf die Allgemeinheit zu. Die Fehleranfälligkeit bei so wenigen Probandinnen ist zu hoch, die statistische Aussagekraft geht gen Null.

Auch die Auslobung »hergestellt unter pharmazeutischen Bedingungen« will Wissenschaftlichkeit nahelegen. Diese Formulierung sagt aus, dass Gesichts- und Hautpflegepräparate wie Arzneimittel hergestellt wurden, nämlich in sterilen keimfreien Räumlich­keiten, die nicht mit Alltagsbekleidung und Straßenschuhen betreten werden dürfen. Die Art der Produktion sagt aber noch nichts über die Qualität des Produkts aus.

Die Sache mit den Tieren

»Vegan« sind Haut- und Körperpflegeprodukte, die keine Inhaltsstoffe tierischen Ursprungs enthalten. Aber Vorsicht: Das bedeutet nicht automatisch, dass die Präparate auch tierversuchsfrei sind. Vegane Kosmetik kann prin­zipiell Inhaltsstoffe enthalten, die irgendwann einmal an Tieren getestet wurden. Umgekehrt kann tierver­suchsfreie Kosmetik durchaus Inhaltsstoffe tierischer Herkunft enthalten (wie Bienenwachs, Honig, Milch).

Seit dem 11. März 2013 ist EU-weit der Verkauf von Kosmetika verboten, für deren Inhaltsstoffe nach diesem Datum­ Tierversuche durchgeführt wurden. Dennoch, so mahnen verschiedene Tierrechtsorganisationen, gebe es verschiedene Schlupflöcher. So betrifft das Verkaufsverbot nur Präparate, die seitdem auf den Markt kommen. Zu­be­reitungen und Inhaltsstoffe, die vor obigem­ Datum an Tieren getestet wurden, dürfen weiterhin vermarktet werden. Und das Tierversuchsverbot gilt nur für Inhaltsstoffe, die ausschließlich in Kosme­tik- und Pflegeprodukten zum Einsatz kommen. Inhaltsstoffe also, die auch in anderen Produkten vorkommen und daher unter das Chemikaliengesetz fallen, werden nach wie vor an Tieren getestet. Das trifft auf viele Inhalts­stoffe von Kosmetika zu. Sie werden zum Beispiel auch für Reinigungsmittel und Waschmittel, in Medikamenten oder sogar für Farben verwendet.

Auslobungen wie »Dieses Produkt wurde nicht an Tieren getestet« ist zu misstrauen. Solche Aussagen ver­schleiern die Tatsache, dass einzelne Inhaltsstoffe dieses Produktes sehr wohl in Tierversuchen getestet worden sein könnten. Auch »Dieses Unternehmen testet nicht an Tieren« kann bedeuten, dass der Hersteller die Versuche möglicherweise von Dritten durchführen lässt. Garantiert tierversuchsfreie Kosme­tik verbirgt sich hinter Siegeln wie der Veganblume, dem BDIH- Prüfzeichen, dem springenden Hasen oder dem Hasen mit der schützenden Hand darüber. Die Website der Tierrechtsorganisation Peta (www.kosmetik.peta.de) listet Kosmetika von Herstellern, die schriftlich versichert haben, keine Tierversuche durchzuführen. /

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