Beratungsintensive Wirkstoffgruppe |
09.10.2018 11:25 Uhr |
Von Kornelija Franzen / Bisphosphonate hemmen die Aktivität knochenabbauender Osteoklasten. Das macht sie zu optimalen Werkzeugen im Kampf gegen Osteoporose: Sie bremsen den Knochenschwund und senken so das Frakturrisiko. Um eine gute Bioverfügbarkeit sicherzustellen und Nebenwirkungen vorzubeugen, gilt es, spezielle Einnahmeregeln zu befolgen.
Die Erfolgsgeschichte der Bisphosphonate hat bereits in den 1960er-Jahren begonnen. Man fand damals heraus, dass durch Zugabe von Plasma und Urin die Auflösung mineralischer Knochensubstanz gestoppt werden kann. Die dafür verantwortlichen Hemmstoffe wurden bald als Pyrophosphate identifiziert, eine Stoffgruppe, die man bereits kannte und industriell als Wasserenthärter nutzte. Doch weil Pyrophosphate nach oraler Gabe rasch durch körpereigene Phosphatasen abgebaut werden, kam eine direkte therapeutische Nutzung nicht infrage. Bei der Suche nach stabilen Pyrophosphat-Analoga stieß man auf die Gruppe der Bisphosphonate. Zu den heute am häufigsten eingesetzten Vertretern dieser Substanzklasse gehören Alendron-, Ibandron-, Pamidron-, Risedron- und Zoledronsäure.
Vorwiegend antiresorptiv
Bisphosphonate besitzen eine hohe Affinität zum Mineralstoffgerüst des Skeletts – einmal eingebaut, verbleiben sie hier jahrelang. Bevorzugt reichern sie sich dabei an Stellen mit aktivem Knochenumbau an und hemmen hier die Aktivität der Osteoklasten. Obwohl sie zu einem gewissen Grad auch die Mineralisation und damit den anabolen Knochenaufbau stören, überwiegt ihr antiresorptiver Effekt deutlich.
Weniger Calcium freigesetzt
Durch den verringerten Knochenabbau wird außerdem weniger Calcium freigesetzt. Eine Tatsache, die man sich bei der Behandlung Tumor-assoziierter Hypercalcämien zunutze macht. Hinzu kommt, dass Bisphosphonate überschüssiges Calcium aufgrund ihrer Struktur auch direkt binden können. Darüber hinaus erschweren Bisphosphonate das Anheften und Eindringen von Skelettmetastasen und lindern Tumor-bedingte Knochenschmerzen. Neben Osteoporose, Knochenmetastasen und Tumor-assoziierten Hypercalcämien werden Bisphosphonate auch bei Morbus Paget eingesetzt. Diese Stoffwechselstörung ist gekennzeichnet durch einen übermäßigen Skelettumbau, der zu deformierten und äußerst bruchanfälligen Knochen führt.
In Schwangerschaft und Stillzeit sind Bisphosphonate kontraindiziert. Niereninsuffizienz sowie schwere akute gastrointestinale Entzündungen schließen eine Anwendung ebenfalls aus.
Bisphosphonate gibt es sowohl in peroraler als auch parenteraler Form, als Tabletten und Infusionen. Entscheidend für die Wahl von Substanz, Darreichungsform, Dosierung und Frequenz der Verabreichung ist die Indikation. Bei tumorassoziierten Erkrankungen setzt man bevorzugt auf die parenterale Applikation von Zoledron-, Pamidron- oder Clodronsäure.
Mittel der Wahl
Bei Osteoporose sind Alendron-, Risedron- oder Ibandronsäure Mittel der Wahl. Sie werden in der Regel entweder einmal täglich (Alendronsäure 10 mg, Risedronsäure 5 mg), einmal wöchentlich (Alendronsäure 70 mg, Risedronsäure 35 mg) oder einmal monatlich (Ibandronsäure 150 mg) peroral eingenommen. Treten unter Behandlung mit oralen Bisphosphonaten gastrointestinale Unverträglichkeiten auf, wird auf eine intravenöse Therapie umgestellt. Diese erfolgt üblicherweise einmal vierteljährlich (Ibandronsäure 3 mg) oder gar nur einmal jährlich (Zoledronsäure 5 mg). Indikationen für eine parenterale Gabe von Bisphosphonaten bei Osteoporose sind überdies strenge Bettlägerigkeit sowie Erkrankungen, die mit einer massiven Malabsorption einhergehen (wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa).
Nüchtern, mit Wasser
Bisphosphonate zeigen nach oraler Einnahme eine sehr geringe Bioverfügbarkeit. Schuld daran ist eine schlechte gastrointestinale Resorptionsquote. Dies liegt zum einen an der Polarität dieser Substanzklasse, zum anderen an der Neigung zur Komplexbildung mit zwei- oder mehrwertigen Kationen. So erklärt sich die etwas umständliche Art der Einnahme: nüchtern, mindestens eine halbe Stunde vor dem Frühstück und mit einem vollen Glas Leitungswasser (mindestens 200 ml).
Vorsicht: Mineralwasser eignet sich aufgrund der hohen Konzentration der darin enthaltenen Salze nicht zur Einnahme. PTA und Apotheker sollten im Rahmen der Beratung unbedingt darauf hinweisen. Um eine möglichst hohe Aufnahme in den Blutkreislauf zu erzielen, ist es ratsam, am Einnahmetag auf Milch und Milchprodukte sowie Kaffee und Tee beim Frühstück zu verzichten. Um unmittelbare Wechselwirkungen weitestgehend auszuschließen, sollten weitere Arzneimittel mit einem Abstand von mindestens zwei Stunden eingenommen werden, Mineralstoffe am besten abends.
Niemals liegend
»Bitte nehmen Sie Ihre Tablette immer stehend oder aufrecht sitzend ein. Legen Sie sich anschließen für mindestens eine halbe Stunde nicht wieder hin!«. Dieser wichtige Hinweis darf bei der Abgabe oral einzunehmender Bisphosphonate niemals fehlen. Bei Ibandronsäure beträgt dieser Sicherheitspuffer gar eine volle Stunde. Hintergrund sind mögliche Reizungen, Entzündungen oder gar Ulzerationen der Speiseröhre, die durch die sauren Bisphosphonate verursacht werden können. Aus diesem Grund ist das Zerkauen oder das Zergehenlassen im Mund ebenfalls verboten.
Die Tablette darf nur stehend oder aufrecht sitzend eingenommen werden!
Nehmen Sie die Tablette nüchtern, etwa 30 Minuten vor dem Frühstück ein!
Trinken Sie bei der Einnahme der Tabletten immer ein großes Glas Leitungswasser!
Zudem dürfen Bisphosphonat- haltige Tabletten nur als Ganzes geschluckt werden. Um etwaige Reizungen rechtzeitig zu erkennen, sollten PTA und Apotheker Patienten darin bestärken, auf mögliche Warnzeichen zu achten. Das sind etwa neu auftretendes oder sich verstärkendes Sodbrennen, Schluckbeschwerden, die nicht in Verbindung zu einer akuten Erkältung stehen, sowie anhaltende Schmerzen hinter dem Brustbein.
Bei richtiger Anwendung sind Bisphosphonate gut verträglich. Treten dennoch unerwünschte Wirkungen auf, so handelt es sich bei peroraler Applikation vorwiegend um gastrointestinale Beschwerden wie Dyspepsien, Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung. Werden Bisphosphonate intravenös gegeben, ist die Nierenfunktion regelmäßig zu überprüfen. So können auftretende Funktionsstörungen frühzeitig diagnostiziert werden.
Sowohl bei oraler als auch bei parenteraler Applikation kann es zu Knochen-, Muskel- und Gelenkschmerzen, allergischen Hautreaktionen, grippeähnlichen Symptome und Hypocalcämie, also einem Absinken des Serumcalciumspiegels, kommen.
Tatort Kiefer
In seltenen Fällen kann eine Bisphosphonat-Therapie der Auslöser einer Medikamenten-assoziierten Kiefernekrose sein. Diese schwerwiegende Komplikation ist gekennzeichnet durch freiliegendes Knochengewebe, das keine Tendenz zur Heilung zeigt und nach und nach abstirbt. Begleitet wird der Gewebsuntergang vielfach von Mundgeruch, Fistelbildung, Schwellungen, Schmerzen, Zahnlockerungen und Sensibilitätsstörungen in der Unterlippe.
Betroffen sind überwiegend Patienten, die im Rahmen ihrer Krebstherapie intravenös mit Zolendronsäure behandelt werden. Kiefernekrosen unter oraler Therapie mit Bisphosphonaten sind äußerst selten. Die Wahrscheinlichkeit zu erkranken steigt, wenn begleitend Glucocorticoide oder Angiogenese-Inhibitoren eingenommen werden. Als allgemeine Risikofaktoren gelten Rauchen, hohes Lebensalter, mangelhafte Zahnhygiene sowie eine insgesamt schlechte Zahngesundheit.
Um Veränderung schnell zu erkennen, sollten PTA und Apotheker Patienten auf die Notwendigkeit regelmäßiger zahnärztlicher Kontrolluntersuchungen hinweisen sowie die Bedeutung einer guten Mundhygiene betonen. Schmerzen im Mundraum oder gar wackelige Zähne sind umgehend zahnärztlich abzuklären. /