Endlich rauchfrei |
01.11.2017 10:51 Uhr |
Von Narimaan Nikbakht / Kann Hypnose dabei helfen, für immer mit dem Rauchen aufzuhören? Die Willenskraft unserer Autorin reichte dafür bislang nicht aus. Ein Erfahrungsbericht.
Manchmal musst du die Augen schließen, um klar zu sehen. Ich habe schon eine Menge versucht, um mein Verlangen nach Zigaretten loszuwerden: Ich habe auf pure Willenskraft gesetzt, den vergriffenen Ratgeber »In 40 Minuten ein Weltstar und Nichtraucher« gelesen und Nikotintabletten gelutscht – alles ohne Erfolg.
Durch sanfte Berührung der Hand holt Ortwin Meiss unsere Autorin zurück ins Hier und Jetzt.
Foto: privat
So wie mir geht es vielen, denn quarzen, qualmen, paffen ist keine Tätigkeit, die einen mit Stolz erfüllt. Von den knapp 15 Millionen deutschen Rauchern würden mehr als die Hälfte gern mit dem Laster aufhören. 70 bis 80 Prozent der Raucher haben demnach schon mindestens einmal probiert, von ihrer Sucht loszukommen. Doch zu wenige halten die Vorsätze durch.
Ich möchte es darum mit Hypnose versuchen. Gespannt wähle ich die Telefonnummer, die mir eine Kollegin auf einen Zettel gekritzelt hat. Ortwin Meiss steht da, Diplom-Psychologe und Hypnotherapeut. Er arbeitet nach der Milton-Erickson-Methode, die sehr effektiv sein soll. So hat er schon vielen Spitzensportlern zum Sieg verholfen und Studenten mit Prüfungsangst durchs Examen bekommen. Werde auch ich zu denjenigen gehören, denen Hypnose hilft? Einen Versuch ist es wert, der Termin vereinbart.
»Was stellen Sie sich unter Hypnose vor?«, fragt mich Ortwin Meiss zu Beginn meiner ersten Sitzung. Sofort erzähle ich von Show-Hypnotiseuren, die Menschen wie Hasen über die Bühne hoppeln lassen. Doch Meiss winkt ab. »Die Kunst dieser Entertainer besteht meist darin, sich aus einer Menschenmenge die Leute herauszupicken, die schon lange davon träumen, sich auf der Bühne mal so richtig gehen zu lassen«, erklärt er. Das beruhigt mich. »Hypnose ist eine Art tiefe Konzentration. Sie werden geistig wach bleiben und sich der Behandlungssituation voll bewusst sein.«
Im Innen sein
Ich könne mir das so vorstellen, wie wenn man in ein Buch vertieft ist und die Umwelt kaum mehr wahrnimmt. Oder wie auf der Autobahn, wenn man plötzlich aufschreckt, weil man zuvor derart abwesend war, dass man die hinter sich liegende Strecke gar nicht mehr erinnert. Ich verstehe: Also kein einfaches Fingerschnippen mit Zack-und-weg, wie ich immer dachte, sondern eher so wie kurz vor dem Einschlafen. »In diesem Zustand ist Ihr Unterbewusstsein besonders empfänglich für Suggestionen. Und keine Sorge: Ihr eigener Wille ist immer stärker als der Hypnotiseur. Sie sind der Kapitän, ich nur der Lotse, der Hilfestellung bietet«, so der Experte weiter. Langsam entspanne ich mich. Doch bevor die Hypnose beginnt, fragt er mich noch nach meinen Rauch-Gewohnheiten. Dann erläutert er, welchen Kurs er einschlagen wird: »Ich möchte in Ihrem Fall mit dem Begriff Klarheit arbeiten.« Einverstanden. Ich bin hoffnungsvoll, aber auch voller Skepsis.
Es wird ernst
»Setzen Sie sich bequem hin und atmen Sie tief ein und aus.« Ich sitze wie eine Eins und atme wie geheißen. Dann schließe ich die Augen und lausche weiter der sanften Stimme des Therapeuten. »Sie sinken tiefer und tiefer … tiefer und tiefer … Sie sind gelöst und entspannt. Ihr Körper wird schwerer und immer schwerer …« Womit er wohl Recht hat, denn die Holzdielen unter mir fangen plötzlich an zu knarren – und machen einen Höllenlärm. Ich beschließe, sämtliche störenden Geräusche zu überhören. Schließlich möchte ich ja weg von den Fluppen. Also konzentriere ich mich weiter ganz aufs Atmen und lausche seiner Stimme. Ein und aus. Ich fühle mich sicher. Ein und aus. Ich lausche seiner Stimme … ein und aus. So ruhig und warm … ein und aus. Im Raum sind nur wir beide. Doch es dauert nicht lange und eine dritte Partei scheint deutlich anwesend – mein Unterbewusstsein. Ein und aus. Könnte jetzt wegschlummern.
Meiss arbeitet nun mit Suggestionen, Botschaften an mein Unterbewusstsein, die meinen Wunsch unterstützen sollen, nicht mehr zu rauchen. »Stellen Sie sich etwas Klares vor«, sagt er. »Sehen Sie Klarheit!« Plötzlich sehe ich tatsächlich Bilder. Wie eine Flutwelle strömen sie auf mich ein, bis ich bei einer Erinnerung hängen bleibe: Ich sehe einen vergangenen Ski-Urlaub in Norwegen vor mir. Klirrende Kälte, blauer Himmel, Sonnenschein, gestochen scharfe Bilder, weißer Schnee, klare Luft. Ein und aus.
Diplom-Psychologe Ortwin Meiss arbeitet nach der Milton-Erickson-Methode.
Foto: Manfred Witt/VISUM
»Stellen Sie sich vor, wie diese klare Luft Ihre Lungenbläschen reinigt. Genau wie das Bild, das Sie sehen – genauso klar und rein wird nun Ihr Körper.« Irgendwann macht es Klick bei mir: Wenn mein Körper so klar und qualmfrei wie diese unberührte Schneelandschaft ist – was hat dann ein Zigarettenstummel in diesem Bild zu suchen? Der Therapeut arbeitet weiter mit dem Bild und verankert es immer tiefer in mein Unterbewusstsein. Ich verinnerliche diese Vorstellung. Ein und aus. Ach was! Ich bin diese Schneelandschaft. Zigaretten würden mich nur verunreinigen.
Nach 50 Minuten weckt er mich sanft auf, indem er meine Hand berührt. Ich fühle geistige Frische! Energie! Eine Reinheit wie Norwegens Schneelandschaft. Rauchen möchte ich heute auf keinen Fall mehr.
Der Tag danach
Einen Tag später sitze ich mit einer Freundin beim Italiener. Sie qualmt Kette. Ich selbst habe null Verlangen. Drei Tage später auf einer Veranstaltung: Als mir jemand eine Zigarette anbietet, wird mir bewusst, dass ich nicht mal daran gedacht habe. Siebter Tag: Streit mit meiner Mutter am Telefon. Wütend lege ich auf. Jetzt eine rauchen! Doch statt zur Kippe greife ich zu meinem Tagebuch und schreibe mir die Finger wund. Zweite Woche: Mir fehlt nichts. Im Gegenteil. Ich habe mehr Energie, erfreue ich mich daran, dass meine Kleidung nicht mehr nach kaltem Nikotin riecht und merke, dass sich mein Geruchs- und Geschmackssinn verfeinert haben. Zweiter Monat: Ich habe mich zu einem Yogakurs angemeldet, laufe dem Bus hinterher – und erwische ihn, ohne völlig außer Atem zu sein, wie früher. Heute: Warum habe ich überhaupt je geraucht?
Fazit: Der Selbstversuch war bei mir ein Volltreffer und kann eine Methode sein, um von den Zigaretten loszukommen. Studien zeigen aber auch, dass diese Therapieform bei jedem unterschiedlich wirkt. Manche brauchen nur eine Sitzung, manche drei, und bei einigen schlägt sie überhaupt nicht an. Auch mir bietet sie keine Garantie, nicht wieder rückfällig zu werden. /
Für eine Hypnosesitzung fallen etwa 100 Euro an. Nur in Ausnahmefällen beteiligen sich die gesetzlichen Krankenkassen an den Kosten. Hypnosekosten beim Zahnarzt müssen in jedem Fall selbst übernommen werden.
Bei der Wahl eines Therapeuten helfen: