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Plausibilitätsprüfung

Tretinoin

01.11.2017  10:52 Uhr

Von Andreas Melhorn / Tretinoin ist ein Wirkstoff mit vielen Anwendungsgebieten. Er kann eingenommen oder auf der Haut und Schleimhaut angewendet werden. Abhängig von der Erkrankung werden unterschiedliche Rezepturbestandteile eingesetzt.

Eine PTA erhält das abgebildete Rezept von einer Kundin. Die Kundin berichtet, es wäre ein Folgerezept. Das letzte Mal hätte sie eine Lösung zur Behandlung ihrer Akne bekommen, die jedoch die Haut sehr stark gereizt hätte. Sie benutzte die Lösung eine Weile, dann ging sie erneut zu ihrem Arzt und bat um etwas Hautschonenderes. Sie fragt die PTA, ob die neue Verordnung wirklich besser ist. Die PTA verspricht der Kundin, nachzuforschen und sie gegebenenfalls anzurufen, bevor sie das Gel herstellt.

Tretinoin gehört zu den Retinoiden, einer Wirkstoffgruppe, die die Entwicklung der Keratinozyten der Haut beeinflusst. Retinoide werden bei Krankheiten eingesetzt, die mit einer gestörten Verhornung einhergehen, unter anderem bei verschiedenen Formen der Akne, Schuppenflechte, Knötchenflechte und selten bei aktinischen Keratosen.

Es gibt Kapseln zum Einnehmen und Mono- und Kombipräparate zur Anwendung auf der Haut als Fertigarzneimittel. Zusätzlich stehen verschiedene Magistralrezepturen zur Verfügung, zum Beispiel zur Anwendung am Auge oder in der Mundhöhle, gegebenenfalls auch im Genitalbereich. Von den Retinoiden ist nur Tretinoin (Vitamin-A-Säure, Retinolsäure) als Rezeptursubstanz erhältlich.

Sowohl bei der Einnahme als auch bei der lokalen Anwendung muss die teratogene Wirkung der Retinoide unbedingt beachtet werden. Nach Anwendung auf der Haut wurde über Einzelfälle von Fehlbildungen bei Neugeborenen berichtet. Die PTA notiert sich den Hinweis, um die Patientin vorsorglich darüber zu informieren.

Zu Beginn der lokalen Behandlung mit Tretinoin rötet und schuppt sich die Haut. Normalerweise klingen diese Nebenwirkungen nach einer Weile spontan ab. Bei starken Symptomen hilft es oft, anfänglich nur alle zwei bis drei Tage zu behandeln. Die PTA weiß nicht, ob die Patientin über diese Tatsache aufgeklärt wurde. Die unangenehme Reizung könnte also einfach ein Teil der notwendigen Wirkung der Lösung gewesen sein.

Stabilität von Tretinoin

Bei ihren Nachforschungen stößt die PTA als erstes auf Berichte zur Stabilität des Wirkstoffs. Auch wenn sie das bei ihrer Fragestellung nicht weiterbringt, widmet sie sich des Themas genauer. Schließlich spielt es für die Herstellung und Abfüllung eine wichtige Rolle.

Tretinoin ist in Zubereitungen licht- und oxidationsempfindlich. Deshalb braucht man ein Antioxidans, um eine ausreichende Stabilität des Rezepturarzneimittels sicherzustellen. Das DAC/NRF benutzt bei seinen standardisierten Rezepturvorschriften Butylhydroxytoluol, was sich bezüglich der chemischen Stabilisierung als vorteilhaft erwiesen hat. In Fertigarzneimitteln kommt außerdem Butylhydroxyanisol zur Anwendung. Auch bei Anwesenheit eines Antioxidans sollten Tretinoin-haltige Arzneimittel geschützt vor Licht und Luftsauerstoff gelagert werden. Aluminiumtuben schließen die Luft besser aus als Spenderdosen oder Kruken und lassen zudem kein Licht hindurch. Spenderdosen schützen zwar auch vor Licht, jedoch weniger als die Tuben.

Neben Licht und Luftsauerstoff spielt auch die Lagertemperatur eine Rolle für die Stabilität. Für wasserhaltige Zubereitungen schreibt das DAC/NRF meist eine Lagerung im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C vor. Wenn eine lichtundurchlässige Verpackung nicht möglich ist (zum Beispiel bei Augentropfen), gewährleistet der Kühlschrank außerdem den benötigten Lichtschutz.

Der Arzt hat auf dem Rezept nicht vermerkt, dass das Gel in eine Tube abgefüllt werden soll. Die PTA macht sich eine entsprechende Notiz, um später daran zu denken. Außerdem enthält die Rezepturformel keinen Stabilisator, was die PTA ebenfalls vermerkt.

Verschiedene Grundlagen

Nach kurzer Suche findet sie den Rezepturhinweis »Tretinoin« auf der Website des DAC/NRF. Dort werden verschiedene Zusammensetzungen und Anwendungsgebiete beschrieben. Der Rezepturhinweis verlinkt außerdem auf mehrere NRF-Rezepturen des eigentlichen Werks. Bei chronischen Hauterkrankungen und zur Behandlung der Altershaut kommen bevorzugt lipophile Zubereitungen zum Einsatz. Die PTA liest Vorschriften für eine Salbe und eine Creme, die zum Beispiel bei Schuppenflechte oder bestimmten Verhornungsstörungen eingesetzt werden können. Hydrophile Zubereitungen, wie zum Beispiel das vorliegende Gel, eignen sich bei verschiedenen Formen der Akne. Die PTA findet dazu drei Rezepturvorschriften: eine Lösung, die von der Patientin bisher eingesetzt worden sein könnte, ein Gel und eine hydrophile Creme. Die Zusammensetzung des Gels gleicht nahezu der der rezeptierten Zubereitung, bei letzterem fehlt nur der Stabilisator.

Die PTA wirft einen Blick auf die Zusammensetzung der Lösung, um sie mit dem Gel vergleichen zu können. Sie enthält circa 50 Prozent Ethanol, was die Haut zusätzlich zur Tretinoinwirkung austrocknet und reizt. Das Gel enthält weniger Ethanol, könnte also wirklich eine Verbesserung sein. Die PTA nimmt sich dennoch vor, ein Gespräch mit der Patientin über die Wirkweise von Tretinoin zu führen. Die ebenfalls gelistete Tretinoin-haltige hydro­phile Creme könnte eine zusätz­liche Alternative darstellen, falls die Haut noch weniger ausgetrocknet werden soll.

Fazit und Herstellung

Die PTA hält es für unnötig, die Patientin zu kontaktieren. Die Tatsache, dass das Gel weniger Alkohol enthält und die Haut somit weniger reizt und austrocknet, erklärt, dass es sich im Vergleich mit der ethanolischen Lösung besser eignet. Ein Gespräch wird zeigen, inwieweit die Patientin über die Wirkweise des Tretinoin aufgeklärt wurde.

Die Zusammensetzung des Gels muss angepasst werden, weil kein Stabilisator auf dem Rezept steht. Die PTA bespricht sich kurz mit dem dienst­habenden Apotheker und schlägt ihm die im DAC/NRF beschriebene Rezepturzusammensetzung vor: Hydrophiles Tretinoin-Gel 0,05 % (NRF 11.124.). Außerdem will sie das Gel in eine Aluminiumtube abfüllen und den Verweis auf die Lagerung im Kühlschrank auf dem Etikett vermerken. Der Apotheker ist in allen Punkten ihrer Meinung und unterzeichnet die Plausibilitätsprüfung und Herstellungsanweisung. Die PTA stellt nun folgendes Gel her.

Im Gespräch mit der Patientin stellt sich heraus, dass sie über die Nebenwirkungen bestens aufgeklärt wurde. Die Reizung war ihr allerdings zu stark. Sie freut sich, dass sich das Gel höchstwahrscheinlich besser für sie eignet. /

Rezeptur

Tretinoin 0,025 g

Butylhydroxytoluol 0,005 g

Ethanol 70 Prozent (V/V) 9,995 g

Carbomergel zu 50 g

Rezeptur-Videos

Rezepturprobleme? PTA-Forum hilft in kurzen, aber sehr informativen Videos auf YouTube weiter – von der Herstellung von Kapseln oder Gels bis hin zum richtigen Wiegen oder wie man Inkompatibilitäten vermeidet.

→ zu den Rezeptur-Helfern auf Video

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