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Neue Arzneistoffe

Dreiercombo gegen Krebs

30.10.2018  12:14 Uhr

Von Sven Siebenand / Drei neue Wirkstoffe kamen Mitte Oktober auf den deutschen Markt. Alle drei kommen bei Krebserkran­kungen zum Einsatz: der Antikörper Durvalumab bei Lungenkrebs und Encorafenib sowie Binimetinib bei Hautkrebs. Die beiden letzt­genannten werden immer miteinander kombiniert.

Durvalumab (Imfinzi® 50 mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Astra-Zeneca) gehört zu den sogenannten Checkpoint-In­hibitoren. Diese Form der Immun­therapie wird seit einigen Jahren bei unterschiedlichen Krebsarten sehr erfolgreich eingesetzt, unter anderem beim Bronchialkarzinom. Beispielsweise die Antikörper Nivolumab (Opdivo®)­, Pembrolizumab (Keytruda®) und Atezolizumab (Tecentriq®) sind bereits im Handel. Durvalumab stößt zu dieser Gruppe als nächster Wirkstoff hinzu.

Wie ist der Wirkmechanismus? Der sogenannte PD-1-Signalweg hemmt eine ständige T-Zell-Aktivierung, um den Körper vor überschießenden Immunreaktionen zu schützen. Eigentlich positiv; wenn aber Tumorzellen diesen Weg nutzen und das Immunsystem ausbremsen, ist das schädlich. Auf ihrer Oberfläche können Krebszellen den Liganden­ für PD-1-Rezeptoren bilden. Dieser Ligand, PD-L1, bindet an die Rezeptoren, und die Aktivität des Immunsystems wird gedrosselt. An dieser Stelle greifen die Checkpoint-Inhibitoren ein. Nivolumab und Pembrolizumab blockieren den PD-1-Rezeptor auf den Immunzellen. Die Liganden auf der Oberfläche der Krebszelle können dann nicht mehr daran binden. Das Immunsystem bleibt aktiv und kann gegen den Krebs vorgehen. Atezolizumab und Durvalumab wirken ähnlich. Sie binden jedoch nicht an den Rezeptor, sondern an PD-L1 und hemmen so die Interaktion­ zwischen Rezeptor und Ligand. Darüber hinaus blockieren sie noch einen weiteren Signalweg. Denn PD-L1 bindet normalerweise auch an den Rezeptor B7.1. Atezolizumab und Durvalumab hemmen auch diesen Vorgang.

Antikörper bei Lungenkrebs

Durvalumab ist zugelassen für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit lokal fortgeschrittenem und inoperablem, nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC), deren Tumoren eine PD-L1-Expression von ≥ 1 Prozent aufweisen und bei denen die Erkrankung nach platinbasierter, kombinierter Radiochemotherapie nicht fortgeschritten ist.

Die empfohlene Dosis beträgt 10 mg/kg Körpergewicht, sie ist alle zwei Wochen intravenös zu verabreichen. Die Infusionen werden über einen Zeitraum von 60 Minuten gegeben. Wie bei anderen Checkpoint-Inhibitoren wird auch in der Fachinformation von Imfinzi vor infusionsbedingten Reaktionen und immunvermittelten Nebenwirkungen gewarnt.

Die Liste möglicher Nebenwirkungen ist lang. Sehr häufig traten zum Beispiel Infektionen der oberen Atemwege, Pneumonie, Husten, Hautausschlag, Pyrexie sowie Durchfall und Bauchschmerzen auf. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während und für mindestens drei Monate nach der Behandlung eine wirksame Verhütungsmethode anwenden. In der Schwangerschaft sollte Durvalumab nicht zum Einsatz kommen. Bei Stillenden ist zu entscheiden, ob Imfinzi abgesetzt oder abgestillt wird.

Zwei Neulinge bei Hautkrebs

Mit Encorafenib (Braftovi® 50 und 75 mg Hartkapseln, Pierre Fabre Médicament) und Binimetinib (Mektovi® 15 mg Filmtabletten, Pierre Fabre Médicament) stehen zwei weitere Tyrosinkinase-Hemmer fortan auf dem Markt zur Verfügung. Die beiden Wirkstoffe werden immer miteinander kombiniert und kommen zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit nicht-resezierbarem oder metastasiertem Melanom mit einer BRAF-V600-Mutation zum Einsatz. Diese Mutation ist bei rund 40 Prozent aller Melanome zu finden.

Beide Wirkstoffe greifen in den sogenannten RAS/RAF/MEK/ERK-Signalweg ein, welcher eine wichtige Rolle beim Melanom sowie bei einer Reihe weiterer Tumoren spielt. Die Wirkstoffe ergänzen sich, da sie an verschiedenen Stellen in die Reaktionskaskade eingreifen. Encorafenib hemmt das Enzym RAF-Kinase. Die Wirkung von Binimetinib beruht dagegen auf der Blockade der Enzyme MEK-1 und -2. Die Kombination aus einem RAF- und einem MEK-Hemmer zur Hautkrebsbehandlung ist nicht neu. Auch die Kombinationen aus Dabrafenib (Tafinlar®) und Trametinib (Mekinist®) sowie Vemurafenib (Zelboraf®) und Cobimetinib (Cotellic®) stellen solche Doppel dar.

Die empfohlene Dosis von Encorafenib beträgt 450 mg einmal täglich. Binimetinib sollen die Patienten zweimal täglich im Abstand von zwölf Stunden einnehmen. Die empfohlene Dosis sind dann jeweils drei Kapseln zu 15 mg. Beide Medikamente sind als Ganzes zusammen mit Wasser zu schlucken und können unabhängig von einer Mahlzeit eingenommen werden. Bei Auftreten bestimmter Nebenwirkungen können eine Dosisreduktion, eine Unterbrechung oder ein Behandlungsabbruch erforderlich sein. Die Behandlung mit Encorafenib mit einer Dosis von 450 mg einmal täglich als Einzelwirkstoff wird nicht empfohlen. Wenn die Behandlung mit Binimetinib vorübergehend unterbrochen wird, sollte Encorafenib während dieser Zeit auf 300 mg einmal täglich reduziert werden. Wenn Binimetinib dauerhaft abgesetzt wird, sollte die Behandlung mit Encorafenib ebenfalls abgesetzt werden. Wird die Behandlung mit Encorafenib vorübergehend unterbrochen, sollte auch die Behandlung mit Binimetinib unterbrochen werden. Wird Encorafenib dauerhaft abgesetzt, sollte auch Binimetinib abgesetzt werden. Encorafenib sollte nicht gleichzeitig mit starken CYP3A4-Inhibitoren angewendet werden. Auch sollte dieser Wirkstoff nicht gleichzeitig mit Grapefruitsaft eingenommen werden.

Bei Anwendung der empfohlenen Dosis von Binimetinib in Kombination mit Encorafenib waren die häufigsten Nebenwirkungen Fatigue, Übelkeit, Durchfall, Erbrechen, Netzhautablösung, Bauchschmerzen, Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen und Anstieg der Creatinkinase im Blut.

Gebärfähige Frauen müssen während der Behandlung mit den beiden Wirkstoffen und für mindestens einen Monat nach Einnahme der letzten Dosis eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Beide Substanzen werden während der Schwangerschaft sowie bei gebärfähigen Frauen, die keine Kontrazeptiva anwenden, nicht empfohlen. Es ist nicht bekannt, ob die Wirkstoffe oder ihre Metaboliten in die Muttermilch übergehen. Ein Risiko für Säuglinge kann nicht ausgeschlossen werden. Der Arzt muss dann gemeinsam mit der Patientin entscheiden, ob das Stillen beendet oder die Therapie mit diesen Medikamenten abgesetzt wird. /

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