Standardisiert messen ist verlässlich |
30.10.2018 12:14 Uhr |
Von Brigitte M. Gensthaler, München / Blutdruckmessen ist doch kinderleicht: Manschette um Arm oder Handgelenk legen, aufpumpen, ablassen und Werte ablesen. Dazwischen einige nette Worte mit dem Patienten wechseln – und fertig. Und falsch! Wer so misst, erhält keine verlässlichen Werte. Diese liefert nur die standardisierte Blutdruckmessung.
Etwa jeder dritte Bundesbürger hat zu hohen Blutdruck; bei Menschen zwischen 70 und 79 Jahren sind es sogar drei Viertel. Allerdings wird der Blutdruck nur bei jedem zweiten gut eingestellt, und jeder zehnte lässt sich gar nicht erst behandeln. Jeder fünfte Hochdruckpatient weiß nichts von seinem Leiden. »Doch Hypertonie ist ein Killer«, warnte Professor Dr. Carsten Böger vom Nierenzentrum Traunstein bei der Expopharm in München.
Die standardisierte Blutdruckmessung ist heute die Grundlage der Diagnostik und Therapie. Sie beginnt mit der richtigen Vorbereitung: eine halbe Stunde vorher Kaffee, Sport und Rauchen vermeiden, Blase entleeren und eine mindestens fünfminütige Ruhepause vor der ersten Messung einhalten. »Das bedeutet: nicht herumlaufen, reden, lesen oder fernsehen«, erklärte der Kardiologe.
Der Patient soll entspannt und angelehnt sitzen, die Beine nicht übereinanderschlagen und den Arm so hinlegen, dass die Manschette auf Herzhöhe liegt. Diese muss beim Anlegen luftleer sein und darf nicht zu fest und nicht zu locker um den Oberarm gelegt werden. Der untere Rand sollte zwei Fingerbreit oberhalb der Ellenbeuge sein. Verwendet man Handgelenkgeräte, soll der Patient die Hand entspannt auf Herzhöhe halten.
Auch während der Messung gilt: »Behandler und Patient reden nicht.« Das Messgerät müsse mindestens TÜV-geprüft sein, besser noch ein Prüfsiegel der Deutschen Hochdruckliga tragen.
An welchem Arm und wie oft?
Bei Erstkontakt mit einem Patienten misst man an beiden Armen, später auf der Seite mit den höheren Werten. Dies ist der Druck in den Hauptgefäßen und den Organen.
Böger empfahl Mehrfachmessungen alle ein bis zwei Minuten. Die Pause von einer Minute ist wichtig, damit sich die aufgestauten Venen entspannen können. Wenn der Blutdruck zwischen zwei Messungen um mehr als 10 mmHg abfällt, müsse man weiter messen, bis der Unterschied nur noch 5 mmHg beträgt. »In Summe dauert die standardisierte Blutdruckmessung etwa acht Minuten.«
Dokumentiert werden exakte Werte sowie die Zeit von Messung und Medikamenteneinnahme. Der Kardiologe empfahl die Eigenmessung morgens und abends vor Einnahme der Medikation für fünf bis sieben Tage »und zwar in der Woche vor dem Praxis- oder Apothekentermin«.
Nicht standardisierte Messungen führten zu schwankenden und um 5 bis 10 mmHg höheren Ergebnissen, sagte Böger aus Erfahrung. »Die Ziel- und Grenzwerte in Leitlinien beziehen sich auf standardisierte Messungen. Dabei ist zu beachten, dass Eigenmesswerte 5 bis 7 mmHg niedriger liegen als Werte, die in der Praxis oder Apotheke erfasst wurden.«
Neue Leitlinie 2018
Die neue europäische ESC/ESH-Leitlinie 2018 definiert eine arterielle Hypertonie als Blutdruck ab 140/90 mmHg. Dann ist immer eine Arzneimitteltherapie – neben Allgemeinmaßnahmen – indiziert. Bei Werten von 130 bis 139/85 bis 89 ist eine antihypertensive Therapie nur bei hohem kardiovaskulären Risiko angezeigt.
Und das Therapieziel? Bei der Praxismessung sollten alle Menschen Werte unter 140/90 erreichen oder – wenn gut verträglich – unter 130/80 mmHg. Jüngere Patienten (unter 65 Jahren) sollten einen systolischen Zielwert von 120 bis 129 mmHg anstreben; bei Älteren und Nierenkranken ist man großzügiger (130 bis 139 mmHg). Neu in den Leitlinien ist die Untergrenze: Der systolische Wert soll nicht unter 120 abfallen. »Für Menschen mit Diabetes gelten die gleichen Zielwerte«, betonte Böger. Von allen Werten müsse man 5 bis 7 mmHg abziehen, wenn der Patient den Blutdruck selbst misst. /