Sicherer Umgang mit Gesundheits-Apps |
13.11.2018 10:30 Uhr |
Von Caroline Wendt / Viele Patienten dokumentieren ihre Blutdruckwerte in einer App, berechnen Broteinheiten mit dem Smartphone oder führen online ein Migräne-Tagebuch. Mobile Anwendungen können das Selbstmanagement der Patienten fördern. Doch sollten die Anwender auch Datenschutzaspekte nicht aus den Augen verlieren.
App ist die Kurzform des englischen Worts Application, zu Deutsch Anwendung. Die Software-Programme erledigen in unserem täglichen Leben bereits viele Aufgaben. Auch für viele chronisch kranke Patienten gehören Gesundheits-Apps bereits zu ihrem Alltag. Erwerben können die Patienten die Anwendungen in App-Stores oder auf den Internetseiten der Hersteller. Die Auswahl ist groß, manchmal zu groß, um intuitiv die richtige Entscheidung zu treffen.
Manche Programme sind als Medizinprodukte registriert. Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erfolgt die Abgrenzung zu Lifestyle-Anwendungen anhand der Zweckbestimmung. Eine App gilt dann als Medizinprodukt, wenn sie eine der folgenden Aufgaben erfüllt:
Empfängnisregelung
Laut einer Stellungnahme der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ist die Zweckbestimmung einiger Apps jedoch schwer einzuschätzen und immer eine Einzelfallentscheidung. Daher gestalte sich die Abgrenzung zwischen einer Lifestyle-App und einer App mit Medizinprodukt-Status oft schwierig.
Welche Diabetes-App ist sinnvoll? Ein Siegel von DiaDigital kann die Auswahl erleichtern.
Foto: Shutterstock/Microgen
Deshalb ist es sinnvoll, wenn PTA und Apotheker ein paar Tipps parat haben, worauf Patienten bei der Auswahl einer App achten sollten. Der Zweck eines Medizinprodukts muss vom Hersteller in der Gebrauchsanweisung und den Werbematerialien bestimmt sein. Zu erkennen ist eine Registrierung als Medizinprodukt am CE-Kennzeichen. Eine reine Datenspeicherung, wie bei einem Tagebuch, reicht allerdings nicht für eine Registrierung.
Je nach Risikoklassifizierung müssen Medizinprodukte verschiedene Anforderungen erfüllen. Das gilt auch für die digitalen Applikationen. Während im Moment noch viele Apps die Risikoklassifizierung I (geringes Risiko) haben, steigen mit der neuen EU-Medizinprodukteverordnung, die 2020 in Kraft tritt, die Anforderungen an Gesundheits-Apps. Dann zählen Apps, die für Entscheidungen für diagnostische oder therapeutische Zwecke herangezogen werden, zur Klasse IIa (Anwendungsrisiko mit mäßigem Invasivitätsgrad). So kann zukünftig laut Ärzteblatt beispielsweise ein Schmerz-Tagebuch, das einen Schmerzscore berechnet, mithilfe dessen der behandelnde Arzt die Therapie anpasst, dieser Risikoklasse zugeordnet werden.
Kann eine eingeleitete Therapiemaßnahme zu einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustands führen oder einen chirurgischen Eingriff notwendig machen, erfolgt ab 2020 eine Zuordnung in die Klasse IIb (erhöhtes methodisches Risiko, systemische Wirkungen). Kann eine irreversible Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder der Tod eines Patienten erfolgen, wie bei einer im Krankenhaus genutzten App, welche die Dosierung einer Chemotherapie berechnet, gehört sie gemäß der Medizinprodukteverordnung in die Risikoklasse III. Sämtliche andere Software wird weiterhin der Klasse I zugeordnet.
Dokumentation ja, Diagnose nein: Die Deutsche Hochdruckliga sieht Apps, die den Blutdruck beurteilen, kritisch.
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Um eine Registrierung als Medizinprodukt zu erhalten, müssen die Apps – genau wie alle anderen Medizinprodukte auch – ein sogenanntes Konformitätsverfahren durchlaufen. Bei Produkten der Risikoklasse I reicht es aus, wenn der Hersteller selbst angibt, dass alle notwendigen Anforderungen erfüllt sind. Medizinprodukte der Klasse IIa und höher müssen das Konformitätsverfahren von einer benannten Stelle (zum Beispiel TÜV Nord) durchführen lassen. Für den Anwender ist die Einstufung in die Risikoklassen IIa, IIb oder III an einer Nummer zu erkennen, die hinter dem CE-Kennzeichen steht.
Ob eine bestimmte App als Medizinprodukt eingestuft ist, ist im App-Store nicht immer ersichtlich. Eine im April dieses Jahres veröffentlichte Studie der Medizinischen Hochschule Hannover ergab, dass von 8700 deutschsprachigen Apps in der Kategorie Gesundheit, Fitness und Medizin nur 41 das CE-Kennzeichen im App-Store auch angeben, obwohl mehr als 100 ein solches vorweisen konnten.
Um mehr Transparenz in den Markt zu bringen, haben verschiedene deutsche Diabetes-Gesellschaften unter Federführung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) die Arbeitsgemeinschaft DiaDigital gegründet. Sie verleihen Apps, die ihre Funktionalität und Sicherheit unter Beweis gestellt haben, ein Siegel. Tester sind sowohl Ärzte und Diabetesberater als auch Diabetes-Erkrankte selbst. Eine Liste mit getesteten Applikationen ist auf diadigital.de zu finden.
Siegel für Diabetes-Apps
Die untersuchten Apps dienen als digitales Diabetes-Tagebuch (zum Beispiel My Therapy, Omnitest Diabetes Tagebuch), erinnern an Blutzuckeressungen (zum Beispiel Lumind) oder berechnen Broteinheiten (zum Beispiel Broteinheiten/BE Rechner Pro oder Nutri Check). Die Datensicherheit der Apps überprüft das Zentrum für Telematik und Telemedizin in Bochum.
Gesundheitsdaten sind sensible Daten, die nicht in die falschen Hände geraten dürfen. Daher sollten Anwender darauf achten, dass sie Apps mit lokaler Datenspeicherung – also auf dem eigenen Gerät – auswählen. Übermitteln Anbieter die Daten an Dritte, können die Informationen beispielsweise zu Werbe- oder Marktforschungszwecken genutzt werden.
Jeder Bürger der Bundesrepublik hat das Recht, über die Verwendung seiner Daten selbst zu bestimmen – das ist sowohl im Bundesdatenschutzgesetz, den Datenschutzgesetzen der Länder als auch im Telemediengesetz und der europäischen Datenschutzgrundverordnung festgeschrieben. Dennoch sind die Datenströme im Internet nicht immer nachvollziehbar. Das Aktionsbündnis Patientenschutz hat daher einen Flyer veröffentlicht, der Anwendern anhand einer Checkliste helfen soll, eine sichere App zu identifizieren.
Daten schützen
Demnach sollten Anwender unter anderem auf Folgendes achten: Besitzt die App eine Datenschutzerklärung und ist diese gut lesbar und in deutscher Sprache verfasst? Informiert die Datenschutzerklärung darüber, welche Daten zu welchem Zweck erfasst werden? Des Weiteren empfiehlt der Flyer, dass die App nur die Daten anfordern sollte, die für die Funktion der App auch erforderlich sind. So ist beispielsweise eine Standortermittlung mittels GPS bei einer App für Pollenallergiker von Bedeutung, für die Ermittlung des Blutzuckers aber nicht. Auch sollten Patienten Apps, die eine Diagnose liefern, kritisch sehen. Denn eine Diagnose müsse auf jeden Fall ein Arzt stellen, so die Empfehlung.
Deshalb warnt auch die Deutsche Hochdruckliga (DHL) vor Anwendungen, die Handlungsempfehlungen geben. So könnte bereits ein Ampelschema – etwa grün: der Blutdruck ist in Ordnung, rot: der Blutdruck ist zu hoch – die Patienten dazu verleiten, eigenständig ihre Blutdruckmedikation zu verändern, heißt es in einer Pressemitteilung. Eine App dürfe nur zur Dokumentation und zum Selbstmanagement dienen.
Auch immer mehr Krankenkassen entwickeln eigene Apps, um ihre Versicherten auf digitalem Weg bei der Therapie zu unterstützen. So auch die Techniker Krankenkasse (TK): In Zusammenarbeit mit der Schmerzklinik Kiel und des bundesweiten Kopfschmerzbehandlungsnetzes entstand die Migräne-App. Die Patienten führen mithilfe der App ein Tagebuch, dokumentieren und analysieren ihre Kopfschmerzphasen und Verhaltensmuster. Laut einer Onlineumfrage der TK und der Schmerzklinik Kiel gaben 1500 Probanden an, dass die Häufigkeit von Migräne-Attacken und die daraus resultierende Schmerzmitteleinnahme durch die App abnahmen. Sie hatten die App 13 Monate getestet. Durchschnittlich hatten die Probanden drei Tage pro Monat weniger Kopfschmerzen als ohne Nutzung der App.
Patienten können mithilfe einer App Ruhe vor dem Tinnitus finden.
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Tinnitus-App auf Rezept
Krankenkassen können Apps auch in ihre Bonusprogramme integrieren. Einige Anwendungen werden sogar durch ausgewählte Kassen finanziert. So zum Beispiel die App Tinnitracks: Das Programm soll bei bestimmten Tinnitus-Arten helfen, indem es die auf dem Smartphone abgespielte Musik an die jeweiligen Tinnitus-Frequenzen anpasst. Die Verordnung der App durch einen am Programm teilnehmenden HNO-Arzt erfolgt zum Beispiel über Gutschein-Codes.
Mit »Vivy« startete im September dieses Jahres eine besondere Gesundheits-App. Versicherte zahlreicher Krankenkassen können mit dieser Anwendung ihre digitale Gesundheitsakte verwalten. So können Patienten beispielsweise ihr Laborbefunde und Röntgenbilder bei ihrem Arzt digital anfragen, speichern und wenn nötig mit einem anderen (Fach-)Arzt teilen. Die App kann zudem an anstehende Impftermine oder Vorsorgeuntersuchungen erinnern. Scannt der Patient den Code einer Medikamentenpackung, kann die App zusätzlich einen Medikationscheck ausführen. /