Von wegen natürlich schlank |
13.11.2018 10:30 Uhr |
Von Verena Arzbach / Verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Gewichtsabnahme sind schweren Fällen von Adipositas vorbehalten. Wer lediglich ein paar Kilogramm abnehmen und dazu unterstützend ein – möglichst natürliches – Präparat einnehmen will, findet in Apotheken und Drogerien verschiedene Möglichkeiten. Oft versprechen diese Mittel große Effekte und einen schnellen Diäterfolg. Welche Produktgruppen haben tatsächlich eine Wirkung?
Wer sich näher über freiverkäufliche Abnehmmittel informiert, stößt zunächst auf sogenannte Fettblocker oder Fettbinder, beispielsweise Formoline L112 oder XLS-Medical Fettbinder. Sie sollen die Fettresorption verringern, indem sie Nahrungsfette binden und wieder ausscheiden. Formoline L112 enthält den Faserstoff Polyglucosamin (L112) aus Krebstierpanzern. XLS-Medical und vergleichbare Produkte aus dem Drogeriemarkt enthalten als Wirkstoff Lipoxitral™ oder Litramine™, einen Faserkomplex aus dem Feigenkaktus.
Foto: Shutterstock/caimacanul
Da es sich in der Regel um Medizinprodukte handelt, sind die Hersteller nicht verpflichtet, klinische Studien durchzuführen. Für Formoline L112 und das höher dosierte Formoline L112 extra, die exklusiv über Apotheken vertrieben werden, wirbt der Hersteller zwar mit Daten aus kleineren doppelblinden, placebokontrollierten Studien. Sie zeigen, dass der Faserkomplex die Gewichtsabnahme bei einer Diät im Vergleich zu Placebo etwas erhöhen kann und positive Effekte auf den Blut-Cholesterol-Wert hat. Auch zu Litramine, dem Inhaltsstoff von XLS-Medical Fettbinder, gibt es einzelne Studien, die auf bessere Abnehmerfolge als mit Placebo schließen lassen könnten. Tatsächlich ist die Datenlage aber eher dünn: Das Verbrauchermagazin Öko-Test, das Anfang 2018 verschiedene Schlankheitsmittel getestet hat, sieht die Wirkung der Fettbinder als nicht ausreichend bewiesen an.
Ein wichtiger Hinweis für Kunden: Werden Fette aus der Nahrung gebunden, können auch die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K nicht mehr ausreichend aufgenommen werden. Gleiches gilt bei lipophilen Arzneistoffen, etwa Hormonpräparaten oder hormonellen Kontrazeptiva. Patienten sollten hier einen zeitlichen Abstand von mindestens vier Stunden bei der Einnahme einhalten. Auch sollte auf eine ausreichend hohe Trinkmenge geachtet werden, sonst kann es zu gastrointestinalen Beschwerden wie Blähungen oder Verstopfung kommen. Patienten mit chronischen Verdauungsproblemen oder chronischen Magen-Darm-Erkrankungen wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa oder Reizdarm-Syndrom sollten vor der Einnahme ihren Arzt befragen.
Ähnlich wie Fette sollen auch Kohlenhydrate aus der Nahrung gebunden werden können. Der Kohlenhydratblocker von XLS-Medical und entsprechende Drogeriemarkt-Zubereitungen enthalten beispielsweise einen Glykoproteinkomplex aus Bohnen, als PhaseLite™ oder GlycoLite™ patentiert. Dieser reduziert die Aktivität des Enzyms α-Amylase, das während der Verdauung Kohlenhydrate in Glucose aufspaltet. So soll der Körper weniger Glucose aufnehmen. Ob das tatsächlich beim Abnehmen hilft, ist fraglich: Die Wirkung ist wissenschaftlich nicht belegt. Größere klinische Studien gibt es nicht.
Durch Quellung satt
Besser ist die Datenlage bei Präparaten mit Glucomannan aus der Knolle der asiatischen Konjak-Pflanze (zum Beispiel Bionorm Sättigungskapseln, Formoline Mannan). Die enthaltenen Ballaststoffe quellen – werden sie vor einer Mahlzeit eingenommen – im Magen auf und wirken sättigend. Auch auf den Cholesterolspiegel und die Darmgesundheit soll sich Glucomannan positiv auswirken können. Glucomannan wird übrigens in Asien in zahlreichen Lebensmitteln wie Stärke verarbeitet, zum Beispiel in Gelees oder Glasnudeln. Auch in der EU ist es als Lebensmittel-Zusatzstoff unter der Nummer E 425 zugelassen.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bescheinigt Glucomannan eine belegte gewichtsreduzierende Wirkung im Rahmen einer kalorienreduzierten Diät. Produkte mit Glucomannan dürfen also mit dieser Aussage, einem entsprechenden Health Claim, werben – aber nur, wenn pro Portion 1 g Glucomannan enthalten ist und täglich 3 g Glucomannan in drei Portionen vor den Mahlzeiten eingenommen werden. Der zweite zugelassene Claim »Glucomannan trägt zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels im Blut bei« darf nur bei einer Aufnahme von 4 g pro Tag verwendet werden.
Es bleibt dabei: Wer gesund abnehmen will, kommt an einer ausgewogenen Ernährung mit viel Obst und Gemüse nicht vorbei.
Foto: iStock/caimacanul
Langzeiterfolg fraglich
Wie viel Wirkstoff die entsprechenden Medizinprodukte tatsächlich enthalten, ist meist nicht deklariert. Stiftung Warentest und die Verbraucherzentrale sehen die Produkte kritisch: Gerade zu Beginn einer Diät könnten die aufgequollenen Ballaststoffe zwar das Hungergefühl reduzieren und so den Gewichtsverlust unterstützen. Langzeiterfolge seien jedoch nicht zu erwarten, schreibt die Verbraucherzentrale auf ihrer Webseite. Es lägen keine Ergebnisse von Studien vor, die länger als drei Monate andauerten. Der Körper könne sich an das erhöhte Nahrungsvolumen gewöhnen, und das Hungergefühl könne über einen gefüllten Magen nur gedämpft, nicht ausgeschaltet werden, so die Kritikpunkte.
PTA und Apotheker sollten Anwender darauf hinweisen, dass die Kapseln mit ein bis zwei Gläsern Wasser eingenommen werden müssen. Eine zu hohe Verzehrmenge kann wie bei anderen Ballaststoffen zu Völlegefühl, Bauchschmerzen und Blähungen führen.
Fettverbrennung angeregt
Eine weitere Gruppe der natürlichen Schlankheitsmittel sind Fatburner: Substanzen, die den Stoffwechsel anregen und vermehrt Fett verbrennen sollen. So beworbene Mittel werden in der Regel über Drogeriemärkte und Reformhäuser vertrieben. Sie enthalten sekundäre Pflanzenstoffe, etwa Polyphenole aus Zitrusfrüchten, Flavonoide aus Süßholzwurzeln und/oder Koffein, grünen Tee oder Guarana (zum Beispiel Alsiroyal® Figura Fatburner).
Wirkung nicht belegt
Wirkversprechen solcher Nahrungsergänzungsmittel sind wissenschaftlich nicht belegt und EU-rechtlich auch nicht erlaubt. Die Verbraucherzentrale warnt online: »In vielen Fatburnern wird eine Vielzahl von Pflanzenextrakten zusammengemischt. Selbst wenn die einzelnen Substanzen nicht in gesundheitsgefährdenden Mengen enthalten sind, ist die Wirkung dieser Stoffmischungen nicht einzuschätzen, und es kann zu unerwarteten gefährlichen Wirkungen kommen.« Dazu kommt, dass viele Fatburner für Lebensmittel verbotene Substanzen enthalten. Ein hohes Risiko besteht, wenn sie über dubiose Quellen aus dem Ausland über das Internet bezogen werden (siehe Kasten). /
Warnung vor Mitteln aus dem Internet
Wer vermeintlich natürliche Schlankheitsmittel über dubiose Quellen im Internet bestellt, kann mitunter böse Überraschungen erleben. Das Landesuntersuchungsamt (LUA) Rheinland-Pfalz hat in den vergangenen Jahren in mehreren solcher Mittel gesundheitsschädliche Substanzen nachgewiesen und rät daher grundsätzlich vom Kauf solcher Produkte über das Internet ab.
Immer wieder enthielten vermeintlich harmlose Nahrungsergänzungsmittel zum Abnehmen Arzneistoffe, die nicht auf der Verpackung deklariert waren, warnt das LUA auf seiner Webseite. Besonders häufig fanden die Wissenschaftler in der Vergangenheit Sibutramin. Der selektive Noradrenalin- und Serotonin-Wiederaufnahmehemmer war bis Anfang 2010 in Europa zur Behandlung von Adipositas unter ärztlicher Aufsicht zugelassen. Da unter der Einnahme teils gravierende Nebenwirkungen wie kardiovaskuläre Zwischenfälle auftraten, ruht die Zulassung inzwischen. Sibutraminhaltige Produkte dürfen daher in Deutschland nicht verkauft werden, der Handel damit ist strafbar.
Auch Phenolphthalein wird immer wieder in Schlankheitsmitteln nachgewiesen. Die Substanz wirkt abführend, so soll ein schneller Gewichtsverlust vorgetäuscht werden. Phenolphthalein steht unter Verdacht, krebserregende Nebenwirkungen zu haben.
Eine Auflistung der Mittel, vor denen das LUA warnt, finden Interessierte hier: lua.rlp.de/de/unsere-themen/lexikon/lexikon-s/schlankheitsmittel/.