Wissenslücken und Abgabehindernisse |
13.11.2018 10:30 Uhr |
Von Verena Arzbach / Seit rund dreieinhalb Jahren ist die Pille danach rezeptfrei in Apotheken erhältlich. Dennoch ist es für Frauen in vielen Fällen nicht ganz einfach, das Medikament ohne Schwierigkeiten zu erhalten. Zudem gibt es bei ihnen noch viele Wissenslücken zur Notfallkontrazeption.
Es gibt nach wie vor Aufklärungsbedarf beim Thema Pille danach. Das zeigen die Daten einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa, das im September dieses Jahres 1035 Frauen zwischen 20 und 40 Jahren zu ihrem Wissensstand zur Notfallkontrazeption befragt hatte. Ein Viertel der Frauen wusste demnach nicht, dass sie die Pille danach ohne Rezept in der Apotheke erhalten können. 2017 waren es sogar 37 Prozent gewesen.
Viele Frauen wissen nicht, dass sie die Pille danach rezeptfrei in der Apotheke bekommen.
Foto: iStock/apomares
Einen Wissenszuwachs – wenn auch noch große Lücken – gibt es auch bezüglich der Wirkweise der Pille danach: 37 Prozent der Befragten glauben fälschlicherweise, dass die Pille danach abortiv wirkt. 2016 waren es 47 Prozent gewesen. Dabei kann die Pille danach eine bereits bestehende Schwangerschaft gar nicht abbrechen. Sie verschiebt vielmehr das fertile Fenster, also die Zeit, in der eine Schwangerschaft am wahrscheinlichsten auftritt, hauptsächlich indem sie den zyklusabhängigen Anstieg des Luteinisierenden Hormons (LH) und damit den Eisprung verschiebt. So kann es nicht zu einer Befruchtung kommen.
Obwohl die Pille danach nun schon mehrere Jahre rezeptfrei ist, hätten Frauen häufig noch Probleme, sie ohne Schwierigkeiten und Vorurteile zu erwerben. Dieser Ansicht sind zumindest zwei Studentinnen der Hochschule Fulda, die im Rahmen ihrer Masterarbeit untersucht haben, wie die Abgabe der Pille danach in hessischen Apotheken gehandhabt wird.
Erschwerter Zugang
Stefanie Freytag und Verena Dierolf hatten für ihre Masterarbeit im Fach Public Health im vergangenen Jahr 143 Apothekenleiter in Hessen befragt. 70,3 Prozent der Apotheker sehen die Pille danach demnach als »besonderes Medikament«, das nicht mit anderen rezeptfreien Medikamenten vergleichbar ist. Fast ebenso viele glauben, dass die Pille danach ein medizinisch bedenkliches Medikament ist, so zwei Ergebnisse der nicht repräsentativen Umfrage. Die beiden Studentinnen vermuten, dass unter anderem moralische Bedenken und die jahrelangen Diskussionen um die Rezeptfreigabe zu dieser Annahme bei den Apothekenmitarbeitern führen.
Ein weiteres Ergebnis der Umfrage in Hessen: Bestand der Verdacht, dass die Pille danach wegen einer Vergewaltigung benötigt wird, wurde sie nur in etwas mehr als der Hälfte der Fälle herausgegeben. Laut den beiden Master-Studentinnen beruht das vermutlich auf einer Unsicherheit der Apothekenmitarbeiter im Umgang mit Opfern von sexualisierter Gewalt. In der aktuellen Handlungsempfehlung der Bundesapothekerkammer (BAK) zur Abgabe der Pille danach (abrufbar auf www.abda.de) heißt es allerdings ausdrücklich, Hinweise auf eine Gewalttat seien kein Grund, die Abgabe der Pille danach per se zu verweigern. PTA oder Apotheker sollten aber unter anderem zu einem anschließenden Besuch bei einem Gynäkologen raten und auf Hilfsangebote wie das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen (Tel.: 08000 116 016 oder online via www.hilfetelefon.de) oder den Frauennotruf (www.frauen-gegen-gewalt.de) hinweisen.
Zeitpunkt des Verkehrs
Für die Entscheidung, ob die Einnahme der Pille danach notwendig ist, ist nur relevant, wann der ungeschützte Geschlechtsverkehr stattgefunden hat. Die fruchtbaren Tage können und sollten in der Apotheke nicht berechnet werden – sie schwanken von Frau zu Frau und auch von Zyklus zu Zyklus stark. Levonorgestrel (zum Beispiel Pidana®, Navela®, Postinor®) kann bis zu drei Tage nach dem Sex eingenommen werden, Ulipristalacetat (Ellaone®) bis zu fünf Tage danach. Liegt die Verhütungsspanne länger als 120 Stunden zurück, sollte die Betroffene an den Arzt verwiesen werden.
Ebenso sollten PTA und Apotheker bei Mädchen unter 14 Jahren verfahren, wenn keine Einverständniserklärung eines Erziehungsberechtigten vorliegt. Bei der Abgabe an Jugendliche über 14 Jahre empfiehlt die BAK, schriftliche Aufzeichnungen zur Beratung anzufertigen und einen anschließenden Arztbesuch zu empfehlen. Im Regelfall soll die Pille danach auch nicht auf Vorrat abgegeben werden, so die BAK. Falls dies im Einzelfall doch so gehandhabt wird, sollten PTA oder Apotheker der Betroffenen ebenfalls zum Frauenarztbesuch raten.
Hinweise für die Beratung
In der Beratung sollte auch der Hinweis nicht fehlen, dass nach der Einnahme der Pille danach für den restlichen Zyklus kein Verhütungsschutz besteht. Die normale hormonelle Kontrazeption sollte nach der Pille danach aber dennoch wie üblich fortgeführt werden. Zusätzlich sollten die Frauen bis zur nächsten Monatsblutung aber auch ein Barriere-Verhütungsmittel wie ein Kondom oder Diaphragma verwenden.
Kontraindiziert ist die Einnahme der Pille danach bei einer bereits bestehenden Schwangerschaft. Ein Hinweis auf eine mögliche Schwangerschaft, den PTA oder Apotheker im Beratungsgespräch erfragen sollten, kann eine verspätete, ungewöhnlich schwache oder ungewöhnlich kurze letzte Monatsblutung sein. Stillende Mütter sollten nach der Einnahme von Ulipristalacetat eine mindestens einwöchige Stillpause einhalten. Bei Levonorgestrel muss die Stillpause nur mindestens acht Stunden betragen.
Leidet die Anwenderin nach der Einnahme der Pille danach unter Übelkeit mit Brechreiz und/oder Erbrechen, kann die Wirksamkeit vermindert sein. Erbricht die Frau innerhalb von drei Stunden nach der Einnahme, gewährleistet die Einnahme einer weiteren Tablette die Wirksamkeit. Um das Auftreten von Übelkeit zu vermindern beziehungsweise zu vermeiden, kann empfohlen werden, vor der Einnahme etwas zu essen. /