Die unterschätzte Gefahr |
27.11.2018 10:51 Uhr |
Von Isabel Weinert / COPD, die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, kostet jährlich zahlreiche Menschen das Leben. Sie wird es laut Prognosen bis 2020 weltweit auf Platz drei der häufigsten Todesursachen schaffen. Das pathologische Geschehen lässt sich nicht heilen, aber symptomatisch behandeln.
Eine COPD ist laut AWMF-Leitlinie definiert als persistierende und üblicherweise progrediente Atemwegsobstruktion, der zwei Ursachen zugrunde liegen: eine Entzündung im Bereich der kleinen Atemwege (obstruktive Bronchiolitis) und eine Destruktion von Lungengewebe (Emphysem).
Foto: Shutterstock/AshTproductions
Die Zahlen der an COPD erkrankten Menschen steigen rasant. Von den über 40-jährigen sind nach Expertenschätzungen zehn bis zwölf Prozent in Deutschland betroffen. Erst 2050 sollen die Erkrankungszahlen ihren Gipfel erreicht haben. COPD bringt unter den respiratorischen Erkrankungen den größten Verlust an Arbeitstagen mit sich, so die Autoren der AWMF-Leitlinie. Bislang tritt die Erkrankung meist erst im mittleren Lebensjahr auf. Da junge Menschen jedoch heute früher mit dem Rauchen als bedeutsamsten Risikofaktor beginnen, könnte sich die dadurch verursachte COPD künftig auch schon in früherem Lebensalter manifestieren.
COPD trifft jedoch nicht nur Raucher, sondern immer häufiger auch Menschen, die nie geraucht haben. Generell liegt das Erkrankungsrisiko bei (Passiv-)Rauchern höher sowie bei Menschen, die inhalativen Noxen berufsbedingt und/oder aus der Umwelt stammend ausgesetzt sind und bei denjenigen, die Atemwegsinfektionen (in der Kindheit) oder Tuberkulose durchgemacht haben. Aber auch intrauterine und frühkindliche Entwicklungen sowie der sozioökonomische Status spielen laut AWMF-Leitlinie eine Rolle. Genuin kommen eine genetische Disposition zum Tragen, eine bronchiale Hyperreaktivität oder auch Störungen des Lungenwachstums. Viele Patienten haben außer der COPD eine chronische Bronchitis, die der Erkrankung vorangehen oder sich erst mit ihr ausprägen kann.
COPD beginnt nicht schlagartig, sondern entwickelt sich über Jahre hinweg zunächst unbemerkt. Symptome wie chronischer Husten wird von vielen Betroffenen lange Zeit abgetan. Hinzu kommen Atemgeräusche, manchmal auch ein Engegefühl in der Brust. Zunehmend zeigt sich Atemnot, erst unter Belastung, später leiden die Betroffenen auch in Ruhe darunter.
Gefährlicher Umbau
In Folge jahrelanger Exposition von Zigarettenrauch oder anderen Noxen entwickelt sich eine Hypertrophie und Hyperplasie der Becherzellen in der Bronchialschleimhaut, es wird vermehrt Schleim gebildet. Das durch das Rauchen nicht mehr intakte oder gar vollständig zerstörte Flimmerepithel vermag den Schleim nicht mehr Richtung Rachen zu transportieren. Das Lumen der Bronchien verengt sich, Entzündungsprozesse werden chronisch. Durch die damit einhergehenden Schädigungen beginnt sich das Lungengewebe fehlerhaft umzubauen, eigentlich in dem Versuch, eben diese Schäden zu reparieren. Fachleute sprechen beim fehlerhaften Umbau auch vom Remodeling. Hierbei lagert sich vermehrt Bindegewebe in die Bronchialwände ein, die Zahl schleimbildender Drüsenzellen steigt, Muskelzellen in den Atemwegswänden wachsen verstärkt. Die Mechanismen des Remodeling stehen im Fokus der Forschung, um bei tieferem Verständnis der Prozesse daraus neue Ansatzpunkte für medikamentöse Therapien ableiten zu können.
Bei COPD steht an erster Stelle die Empfehlung, das Rauchen aufzugeben.
Foto: Fotolia/eyewave
Die strukturellen und funktionellen Veränderungen in der Lunge münden in einer anhaltenden Obstruktion. Als Folge der chronischen Entzündung verändert sich zudem das Verhältnis von Proteasen zu Proteaseinhibitoren, wodurch immer mehr Bindegewebe zugrunde geht, ein Lungenenmphysem entwickelt sich. Die Pathophysiologie fordert Patienten immer mehr Atemarbeit ab. Schreitet die Erkrankung weiter voran, sind eine pulmonale Hypertonie oder ein Cor pulmonale nicht selten.
Bei COPD-Patienten reagiert zudem das Bronchialsystem überempfindlich auf unspezifische Reize. Eine COPD von einem Asthma bronchiale abzugrenzen, ist nicht immer einfach, zumal es eine Kombination aus beiden Erkrankungen gibt. Dann sprechen Mediziner von einem Asthma-COPD-Overlap-Syndrom (ACOS). Jüngst fanden Wissenschaftler heraus, dass die Gefahr, zum Asthma eine COPD zu entwickeln, für weibliche Asthmatiker erhöht ist.
Eine COPD in einem frühen Stadium zu diagnostizieren und dann gezielt medikamentös einzugreifen, sind neben dem nicht (mehr) Rauchen die entscheidenden Waffen gegen die Krankheit. Medikamente lindern die Schwere der Symptome, senken die Zahl der Exazerbationen und verbessern Gesundheitsstatus und Belastbarkeit. Allerdings vermag keines der derzeit vorhandenen Medikamente den fortschreitenden Verlust der Lungenfunktion aufzuhalten.
In der Apotheke entscheidend: den Betroffenen die richtige Inhalationstechnik bei Einsatz von Bronchodilatatoren oder Corticosteroiden zu vermitteln, bis sie sie wirklich beherrschen.
Bronchodilatatoren, zu denen Anticholinergika und Beta-2-Sympathomimetica zählen, stellen die Therapiebasis bei COPD dar. Sie verringern die Überblähung der Lunge. Dadurch können sich die Patienten wieder mehr belasten. Braucht ein Betroffener Medikamente aus diesen Gruppen dauerhaft, sollte der Arzt langwirksame Vertreter vorziehen.
Therapie nach ABCD-Grad
Bronchodilatatoren kommen auch kombiniert zum Einsatz. Die Vorteile: Die Bronchodilatation nimmt zu, die unerwünschten Effekte steigen jedoch nicht an. Kurz wirksame Beta-2-Sympathomimetica (SABA) kommen bei akuter Atemnot zum Einsatz, solche mit langer Wirkdauer (LABA /LAMA) hingegen im Rahmen der Dauermedikation. Wann sie eingesetzt werden, entscheiden Ärzte anhand der Symptomatik und der Zahl an Exazerbationen. Eine Hilfe für die passende Therapie bieten Medizinern die ABCD-Grade, die auch in den AWMF-Leitlinien genannt werden. Dabei stehen A und C für geringe Symptome und ein geringes Exerzabationsrisiko, B und D für stärkere Symptome und C und D für ein hohes Risiko für akute Verschlechterungen.
Hilft Patienten eine Therapie nach diesem Schema nicht, oder leiden sie auch an einer chronischen Bronchitis, profitieren sie von der zusätzlichen Gabe des PDE-4-Hemmers Roflumilast.
Inhalative Glucocorticoide (ICS) kommen vor allem bei Exazerbationen zum Einsatz. Hier wirken sie noch dann, wenn Bronchodilatatoren keinen Effekt mehr zeigen.
Antibiotika sollen Ärzte nur dann verordnen, wenn sie einen eitrigen Auswurf diagnostiziert haben. Das gilt auch dann, wenn es sich um eine schwere Exazerbation handelt.
Auch Theophyllin erweitert die Bronchien, allerdings in geringerem Ausmaß als die oben genannten Gruppen. Dafür treten Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Unruhe und Schlaflosigkeit sowie Herzrhythmusstörungen häufig auf.
Kombinationen von Glucocorticoiden und LABA wirken sich positiv auf Lungenfunktion, Belastbarkeit, Gesundheitsstatus und Exaberzationsfrequenz aus, Einfluss auf das Überleben haben Kombinationen dieser Art oder auch Dreierkombinationen aus LABA/LAMA und ICS jedoch nicht.
Bedeutung der Ernährung
Nicht-medikamentöse Verfahren spielen in der Therapie der COPD eine wichtige Rolle. An erster Stelle steht hier, das Rauchen aufzugeben. Körperliche Aktivität, Lungensport und Lungenreha sind hilfreich. Ebenso profitieren Patienten von einer physiotherapeutischen Atemtherapie, in der sie auch Körperhaltungen kennenlernen, die das Atmen erleichtern. Eine Ernährungsberatung, deren Empfehlungen umgesetzt werden, zeigt ebenfalls Effekte, denn eine unausgewogene Ernährung verschlechtert die Lungenfunktion und die Kraft der Lunge, sich gegen Keime zu wehren.
Über- und Untergewicht setzen der Lunge zu. Häufig geht mit fortschreitender Erkrankung ein Gewichtsverlust einher, bis hin zu einer dadurch bedingten stationären Aufnahme ins Krankenhaus. Beides – zu viel und zu wenig Gewicht – sollte möglichst mit einer ausgewogenen Ernährung ausgeglichen werden. Im Falle Übergewicht ein Vorhaben, das sich bekanntermaßen oft als ebenso schwierig erweist wie an COPD erkrankte Raucher dafür zu gewinnen, das Rauchen aufzugeben. Was COPD-Patienten auf jeden Fall brauchen, sind Grippeschutz- sowie Pneumokokkenimpfung. /