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Küchenhelfer

Hobbykoch mit Handicap

27.11.2018  10:51 Uhr

Von Edith Schettler / Für Menschen mit Behinderungen oder Erkrankungen, die die Beweglichkeit einschränken, hält das alltägliche Leben immer wieder Herausforderungen bereit. Die meisten Betroffenen haben den Wunsch, so lange wie möglich selbstständig in ihrer eigenen Wohnung zu leben und sind besonders dankbar, wenn es für sie Hilfsmittel gibt, die ihnen das ermöglichen. Das Apothekenteam kann ihnen oder ihren Ange­hörigen beispielsweise auch für die Zubereitung und Aufnahme der Nahrung spezielle Alltagshilfen empfehlen.

Eine ganze Reihe von Hilfsmitteln erleichtert das Essen und Trinken und trägt dazu bei, dass die Patienten den Genuss am Essen behalten können und dabei so unabhängig wie möglich bleiben. Die ­eigene Entscheidung darüber, welche Gerichte und in welcher Qualität sie ­essen möchten, ist für ihre psychische­ und physische Gesundheit enorm wichtig. Ein Mensch, der bisher immer selbst gekocht und eingekauft hat, wird nach einem Unfall mit schwerem Körperschaden nicht nur unter den Folgen leiden, sondern auch unter einer­ Einschränkung seiner Lebensqualität durch eine ­möglicherweise notwendig gewor­dene »Zwangsbeköstigung« mit stunden­lang in der Styroporbox warm gehaltenen Gerichten aus einer Groß­küche.

 

Viele Küchenhelfer gibt es in einer speziellen Ausführung für Menschen mit reduzierter Motorik. Einige davon finden sich auch in der Lauer-Taxe der Apotheke, allerdings haben die Apo­thekerverbände mit den Gesetzlichen Krankenversicherern keine Verträge über die Erstattung dieser Produkte ­abgeschlossen. Da sie zu den apothekenüblichen Waren zählen, dürfen sie jedoch in der Apotheke verkauft ­werden. Doch selbst für Tipps, welche Hilfs­mittel für den Einzelnen geeignet sind, sind die betroffenen Kunden dankbar, auch wenn die Krankenkassen die Produkte­ nicht erstatten oder ­andere Vertriebswege außerhalb der ­Apotheke favorisieren. Im Hilfsmittel­verzeichnis des GKV-Spitzenverbandes sind einige dieser Produkte in der G­ruppe 02 (Adaptions­hilfen), An­wendungsort 40 (Häuslicher Bereich) in den Untergruppen 02 (Ess-/Trinkhilfen) und 03 (Rutschfeste Unterlagen) aufgeführt.

Selbst zubereitet

Viele Patienten, die allein in ihrer häuslichen Umgebung leben, möchten trotz Behinderung nicht darauf verzichten, ihre Mahlzeiten selbst ­zuzubereiten. Aus ernährungsphysiologischer Sicht ist das Kochen mit ­frischen Zutaten natürlich­ der beste Weg zu einer gesun­den Ernährung und der Versorgung mit vorgekochten oder industriell gefertigten Mahl­zeiten in jedem Fall vorzuziehen.

Rutschfeste Unterlagen für Arbeitsflächen, Nicht-Rutsch-Platzsets, Antirutschtabletts und Antirutschfolie als Meterware zum individuellen Zuschneiden erleichtern Patienten den Gebrauch von Geschirr und Küchen­geräten. Das kann nötig sein, wenn sie beispielsweise nur mit einer Hand ­arbeiten können oder Schwierigkeiten im Bereich der Finger-, Hand- oder Armgelenke aufgrund von neurologischen Störungen oder entzündlichen Deformationen haben.

 

Die Unterlagen bestehen aus Kunststoff und verhindern auch bei Feuchtigkeit, dass Gegenstände weg­rutschen. Es gibt sie in verschiedenen Formen, Größen und Farben, zum Beispiel von der Firma Param GmbH. Die Folien werden entweder unter die ­entsprechenden Gegenstände gelegt oder wie ein Tuch in die Hand genommen, um etwa Gläser und Flaschen mit Drehverschlüssen leichter öffnen zu können. Anti-Rutsch-Bänder (zum Beispiel über Thomashilfen für Körper­behinderte GmbH & Co. Medico KG) sind einseitig mit einem Kleber v­ersehen und können dauerhaft an Gegenständen wie einem Griff oder einer Vorratsdose angebracht werden. Diese lassen sich dann dank der rauen Oberfläche einfacher und sicherer greifen.

 

Pfannenwender, Dosenöffner und Knoblauchpressen mit verdickten, weichen Griffen liegen gut und sicher in der Hand und erfordern weniger Kraftaufwand (wie Good Grips®, Firma Reha­forum Medical GmbH). Auf die Griffe bereits vorhandener Küchen­utensilien können zuschneidbare far­bige Schaumstoffschläuche geschoben werden, die den gleichen Zweck erfüllen (beispielsweise Griffverdickungen von Medictools®).

 

Schneidehilfen in Zangenform mit zwei kammförmigen Griffen wie die Tomatenzange Tomatex® (Westmark GmbH) halten ovale Lebensmittel wie Eier oder Tomaten sicher und erlauben das Schneiden ohne Gefahr für die Finger­. Schneidemaschinen, beispielsweise Fissler® finecut Obst- und Gemüse­schneider und Leifheit® Qualitätshacker oder elektrische Gewürzmühlen, erleichtern nicht nur behinderten Hobbyköchen, Lebensmittel zu zerkleinern.

 

Spezielle Zubereitungshilfen, die sich auf ein Brettchen aufstecken lassen­, fixieren mithilfe von Dornen Brötchen, Käse oder weiches Gemüse. Saugnäpfe am Schneidebrettchen verhindern das Verrutschen auf feuchten oder glatten Oberflächen, ein seitlicher L-förmiger Rand bietet zusätzlichen Halt für das Schneidgut. Messer, Gabeln­ und Käsehobel gibt es mit abge­winkelten oder Rundgriffen, Gemüse­schäler und -bürsten zum Überziehen über einen oder mehrere Finger. Flaschen und Dosen lassen sich mit spülmaschinenfesten Zangen oder schlaufenförmigen Spezialinstrumenten öffnen, teilweise mit Einhandbe­dienung. Spezialversender wie Thomas­hilfen oder Servoprax® bieten eine gute Auswahl an modifizierten ­Küchenhelfern an.

Für demenzkranke, blinde oder behinderte und alleinstehende ältere Menschen sind Herdüberwachungen im Handel, für die sich die Pflegekassen auf Antrag und bei Vorliegen der entsprechenden Indikation im Rahmen der Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung an den Kosten beteiligen. Diese Geräte, zum Beispiel Franzi® von der Firma Scanvest, bestehen aus einem Hitzesensor und einer Steuereinheit. Sie schalten den Elektroherd entweder nach einer programmierten Zeit oder bei Überschreitung einer bestimmten Temperatur im Bereich des Kochfeldes automatisch aus. Sie werden von ­einem Elektroinstallateur über dem Kochfeld eingebaut und sind nur für Elektro­herde erhältlich.

Auch die Optik soll stimmen

Auch behinderte oder kranke Menschen möchten ihre Mahlzeiten gern in einer schönen Umgebung einnehmen und legen Wert auf eine gute Tisch­kultur. Das ideale Geschirr und Besteck für sie unterscheidet sich daher optisch nur wenig von den herkömmlichen ­Tischutensilien. Die Firma Villeroy & Boch AG hat mit der Serie Neufchâtel care ein ansprechendes Porzellan­geschirr speziell für Alten- und Pflegeheime entwickelt, das aber auch für private Verbraucher erhältlich ist (­beispielsweise bei Thomashilfen). Die Teller haben­ einen gewölbten Boden und hohe Ränder, Untertassen eine extra tiefe Arretierung zum kippsicheren Abstellen­ der Tasse. Die Tassen sind mit ergonomischen Henkeln gestaltet und haben einen ausgestellten Mundrand. Zum Geschirrset, dessen Teile auch einzeln erhältlich sind, gehört auch ein so- genanntes Knork, eine Kombination aus Messer und Gabel in Einem, mit ­separatem Moosgummi-Überzug.

 

Eine Tellerranderhöhung aus Kunststoff (zum Beispiel von Willy Behrend GmbH & Co. KG) kann auf viele normale Teller aufgesteckt werden. Sie erleichtert das einhändige Essen, da die Nahrung­ nicht vom Teller rutschen kann.

 

Ein besonders formschönes Besteck für Menschen mit Bewegungseinschränkungen der Handmotorik ist das Inte­grale® von der Solinger Firma Amefa, unter anderem erhältlich bei Ovata, Haim­hausen. Die Besteckteile haben ­einen kugelförmigen Griff aus Edelstahl und können in verschiedenen Positionen gut und sicher gehalten werden.

Müheloser essen

Bestimmte Gabeln und Löffel sind nach links oder rechts in beliebigem Winkel biegbar und haben einen dicken Kunststoffgriff, wie Good Grips® Esslöffel biegsam von Rehaforum Medical GmbH. Der Whale Spoon® Kinderlöffel (Invento Design, Hamburg) besteht aus Silikon und ermöglicht auch Erwachsenen durch seine besondere Form kleckerfreies Essen. Die Entwickler ­gewannen für ihr Produkt schon ­mehrere Design-Preise.

 

Für Patienten mit Schwierigkeiten beim Halten der Besteckteile gibt es Besteckhalter mit Klettbändern zum Fixieren an der Hand (beispielsweise Rehaforum Medical GmbH). Vorhan­denes Besteck lässt sich mithilfe von aufsteckbaren Besteckgriffen (wie von Param GmbH) leichter greifen und ­halten.

Fest im Griff

Trinkbecher aus Kunststoff sind mit Deckeltüllen für flüssige oder breiige Nahrung, mit einem oder zwei Griffen erhältlich (beispielsweise Einnehme­becher Dr. Junghans Medical). Für Pa­tienten, die im Liegen trinken, eignet sich der auslaufsichere Vakuumbecher Novo Cup® (Rika Care, Dänemark). Eine Besonderheit ist ein Becher mit Nasenaussparung für Patienten mit Problemen im Kopf- und Nackenbereich wie nach einem Schleudertrauma (zum Beispiel­ Careliv Produkte OHG). Aus ihm kann der Patient trinken, ohne den Kopf in den Nacken legen zu müssen. Strohhalme mit Rückflussstopp (unter anderem von Rehaforum Medical GmbH) erleichtern Menschen mit schwacher Mundmuskulatur das Trinken und Schlucken. Sie können mithilfe von Trinkhalmhaltern am Glas befestigt werden, damit sie leichter mit dem Mund zu greifen sind.

Immobile Patienten erreichen ihr Trinkgefäß besser, wenn es auf einer Trinkhilfe befestigt wird. Diese gibt es mit einem stabilen Standfuß oder einer Schraubklemme zur Befestigung an der Tischplatte oder am Rollstuhl. Ein 30 bis 40 Zentimeter langer flexibler Schwanenhals mit einem Becherhalter am oberen Ende bringt das Trinkgefäß bis auf Kopfhöhe des sitzenden Patienten, so dass dieser ohne Hilfe bei Bedarf trinken kann. Diese Trinkhilfen sind über jonas-care UG, Westhausen zu ­beziehen.

Das Öffnen von Flaschen, Getränkekartons und -dosen gelingt leichter mit speziellen Werkzeugen, die es in einer großen Auswahl gibt. Neben den Anti-Rutsch-Pads sind aufsteckbare Kappen aus Gummi oder Kunststoff (zum Beispiel Multi Grip®, Rehaforum Medical GmbH) für Flaschen und Gläser mit Schraubdeckel in verschiedenen Größen erhältlich. Getränkedosen lassen sich leichter mit einem unter die Lasche gesteckten Hebel (beispielsweise Dosen­öffner für Dosen mit Zugring von Willy Behrend GmbH & Co. KG) ­öffnen. Große und weiche PET-­Flaschen klappen beim Ausgießen nicht zusammen, wenn man den a­ufschraubbaren Flaschen­griff Easy2Hold® (Firma Brix Design A/S, Dänemark) benutzt.

Eine Anzahl dieser Hilfsmittel ist in der Lauer-Taxe der Apotheken mit einer Pharmazentralnummer aufgeführt, so zum Beispiel die Produkte der Firmen Rehaforum Medical GmbH, Param GmbH, Dr. Junghans Medical und Willy Behrend GmbH & Co. KG. /

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