Klarheit schaffen |
10.12.2018 12:22 Uhr |
Von Caroline Wendt / Seit rund zwei Monaten sind HIV-Selbsttests frei verkäuflich: in Apotheken, Drogeriemärkten oder über das Internet. Das senkt die Hemmschwelle zur Durchführung eines Tests, verringert aber auch den Zugang zu qualifizierter Beratung. Deshalb ist es wichtig, dass Kunden in der Apotheke wichtige Informationen rund um den Test erhalten.
Nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) wissen rund 11 400 Menschen in Deutschland nichts von ihrer Infektion mit dem humanen Immundefizienz-Virus (HIV) und können den Erreger unbemerkt weitergeben. Unbehandelt führt HIV zu der Immunschwächekrankheit Aids. Ist eine HIV-Infektion jedoch bekannt, können Medikamente den Ausbruch von Aids verhindern, und die Betroffenen können ein nahezu normales Leben führen. Deshalb sind eine frühzeitige Diagnose und ein einfacher Zugang zu HIV-Tests wichtig.
Bereits seit 2016 empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation WHO den Einsatz von Tests, die die Patienten alleine zu Hause durchführen können. Seit dem 29. September dieses Jahres ist der Beschluss nun auch in Deutschland rechtskräftig: Die Medizinprodukte sind frei verkäuflich. Bisher erfolgten die Tests nur durch Ärzte, Gesundheitsämter oder Beratungsstellen der Deutschen Aids-Hilfe – also an Orten mit einem Beratungsangebot. Diese Informationsmöglichkeiten fallen beim Onlinehandel und dem Verkauf in Drogeriemärkten weg. Daher ist es umso wichtiger, dass Kunden zumindest beim Kauf eines Tests in der Apotheke von PTA und Apotheker kompetent beraten werden.
HIV-Testkits für die Anwendung zu Hause sind seit zwei Monaten auch in Deutschland erhältlich.
Foto: Your Photo Today
Antikörper-Nachweis
Ist ein Patient mit dem HI-Virus infiziert, bildet sein Immunsystem Antikörper, die im Blut nachweisbar sind. Die Selbsttests enthalten HIV-Typ-1- und HIV-Typ-2-Proteine: Befinden sich Antikörper in der Blutprobe, binden diese an die antigenen Strukturen der Proteine im Test. Diese Antikörper-Antigen-Bindung wird durch eine Farbreaktion sichtbar. Ein Kontrollfeld zeigt zudem an, ob der Test korrekt durchgeführt wurde oder ungültig ist.
Es gibt HIV-Tests, die mit Speichel- oder Urinproben arbeiten. Tests, die die Antikörper im Blut nachweisen, sollten aber immer bevorzugt werden, da die Konzentration der Antikörper im Blut höher ist. Der erste Schritt zur Durchführung eines solchen Tests ist die Entnahme eines Bluttropfens aus dem Finger. Das funktioniert am besten bei warmen, gut durchbluteten Fingern. PTA und Apotheker können den Rat geben, die Hände vor dem Test mit warmem Wasser zu waschen und die Durchblutung durch Reiben der Fingerbeere anzuregen. Die Testkits enthalten Alkoholtupfer, mit denen die Kunden die Einstichstelle zunächst desinfizieren sollten. Bevor sie mithilfe der mitgelieferten sterilen Einmallanzette zur Tat schreiten, sollte die Einstichstelle jedoch nicht nur sauber, sondern auch trocken sein.
Eine Infektion mit dem HI-Virus erfolgt meistens durch ungeschützten Geschlechtsverkehr. Aber auch eine Nadelstichverletzung kann den Erreger übertragen. Die ersten Symptome – zum Beispiel grippeähnliche Beschwerden, Hautausschlag oder Lymphknotenschwellungen – treten meist kurz nach der Infektion auf. Danach folgt eine Phase, die mehrere Monate bis Jahre andauern kann. In dieser merken die Betroffenen häufig nichts von ihrer Erkrankung. Dennoch vermehren sich die Viren im Körper weiter und schädigen die T-Helferzellen der körpereigenen Abwehr. Ohne Behandlung können nach Jahren schwerwiegende Erkrankungen auftreten, da das Immunsystem sich nicht mehr gegen Krankheitserreger wehren kann.
Die anfänglichen Symptome sind so unspezifisch, dass sie alleine nicht für eine Diagnose ausreichen. Daher sollte jeder, der den Verdacht hegt, sich mit dem HI-Virus infiziert zu haben, einen Test durchführen. Männern, die Sex mit Männern haben, empfiehlt die Deutsche Aids-Hilfe, mindestens einmal jährlich einen HIV-Test durchzuführen. Auch bei schwangeren Frauen sei ein HIV-Test sinnvoll: Liege eine Infektion vor, könne eine Übertragung auf das Baby vermieden werden. Des Weiteren rät die Organisation, dass Konsumenten von intravenösen Drogen regelmäßig ihren HIV-Status überprüfen sollen.
Einfache Handhabung
Die Handhabung der Selbsttests unterscheidet sich je nach Anbieter. Bei manchen Tests (zum Beispiel Exacto® HIV-Test oder Atomo® HIV Self Test) wird das Blut in ein dafür vorgesehenes Feld der Testkassette gegeben. Danach müssen die Anwender eine Lösung zum Verdünnen der Probe eintropfen – je nach Test entweder in das Testfeld oder in ein daneben liegendes Feld. Nach 10 bis 15 Minuten ist im Ablesefeld das Ergebnis sichtbar: Ein Streifen bedeutet HIV-negativ, zwei Streifen deuten auf ein positives Testergebnis hin.
Bei anderen HIV-Selbsttests (zum Beispiel Autotest VIH® oder Biosure HIV Self Test) ähnelt die Testkassette einem Röhrchen oder einem Kugelschreiber. Außerdem enthält das Kit einen Testständer, den die Anwender zunächst auf eine ebene Fläche stellen müssen. In diesen kommt zunächst die Kapsel mit der Verdünnungslösung. Über das spitze Ende des Teströhrchens kann nun der Blutstropfen direkt aufgenommen werden. Danach gehört das Teströhrchen in den Testständer. Die Anwender sollten darauf achten, dass sie das Teströhrchen kräftig nach unten drücken, um die Folie über der Verdünnungslösung zu durchstechen. Nach 15 Minuten geben ein Strich (HIV-negativ) oder zwei Striche (wahrscheinlich HIV-positiv) Auskunft über das Testergebnis.
Das Blut muss ins Röhrchen: 15 Minuten später kann der Anwender das Ergebnis ablesen.
Foto: Your Photo Today
Flasche mit Verdünner
Anders funktionieren Tests, die verschiedene Fläschchen mit Flüssigkeiten mitliefern (zum Beispiel Insti HIV-Selbsttest): Hier müssen die Anwender den Blutstropfen in das Fläschchen mit dem Probenverdünner geben. Nach gründlichem Mischen kommt der gesamte Inhalt der Flasche in die Vertiefung der Testkassette. Ist keine Flüssigkeit mehr zu sehen, folgt der Inhalt des zweiten Fläschchens. Dieses enthält den Farbentwickler. Ist die gesamte Flüssigkeit von der Testkassette aufgenommen, müssen die Anwender die Klärlösung aus der dritten Flasche hinzufügen: Sie schwächt die Hintergrundfarbe ab, damit der Kontroll- und der Testpunkt deutlicher hervortreten. Das Testergebnis kann sofort, maximal nach einer Stunde, abgelesen werden.
Unabhängig davon, welcher Selbsttest zum Einsatz kommt, bleibt eine diagnostische Lücke. Nach der Ansteckung vergehen zwölf Wochen, bis die Konzentration der Antikörper im Blut so hoch ist, dass sie im Selbsttest nachweisbar sind. PTA und Apotheker sollten daher in der Beratung unbedingt darauf hinweisen, dass die Selbsttests in diesen ersten drei Monaten eine HIV-Infektion nicht zuverlässig ausschließen können. Liegt der Risikokontakt weniger als drei Monate zurück, können die Kunden bei einem Arzt, einem Gesundheitsamt oder einer HIV-Beratungsstelle Hilfe suchen. Von dort aus kann das entnommene Blut in ein Labor geschickt werden. Labortests können bereits sechs Wochen nach einer möglichen Infektion eine sichere Aussage treffen. Berichten die Kunden von einem Risikokontakt, der weniger als 48 Stunden zurückliegt, sollten die Apothekenmitarbeiter raten, eine Notfallaufnahme aufzusuchen. Die Einnahme einer Postexpositionsprophylaxe (PEP) kann in diesem Fall eine Infektion verhindern.
Nicht alleinlassen
Wie sicher ist ein negatives oder positives Ergebnis? Mit dieser Frage sollten PTA und Apotheker die Kunden nicht alleinlassen. Aussage zu der Zuverlässigkeit eines Tests geben die Sensitivität und Spezifität. Die Sensitivität gibt an, wie genau ein Test tatsächlich erkrankte Personen identifiziert. Die Spezifität ist ein Maß für Fähigkeit des Testes, nicht infizierte Personen zu erkennen. Je höher die prozentualen Zahlen, desto sicherer ist das Ergebnis.
HIV-Selbsttests mit einem CE-Kennzeichen weisen eine fast 100-prozentige Spezifität auf. Sie treffen also nach dem Abwarten der diagnostischen Lücke von zwölf Wochen eine recht sichere Aussage, ob ein Patient HIV-negativ ist. Auch die Sensitivität der Test liegt bei annähernd 100 Prozent. Dennoch können Kreuzreaktionen ein falsch positives Ergebnis hervorrufen. Daher sollten Kunden mit einem positiv ausgefallenen Selbsttest diesen Befund auf jeden Fall durch einen Arzt verifizieren lassen. Erst wenn auch dieser Test positiv ist, besteht sicher eine HIV-Infektion. Patienten, die bereits eine antivirale Therapie in Form einer Präexpositionsprophylaxe (PrEP) oder eine PEP einnehmen, aber Bedenken haben, dass sie sich trotzdem mit dem HI-Virus infiziert haben könnten, sollten sich zur Beratung und Testung an einen Arzt wenden. Hilfe und anonyme Beratung – persönlich, telefonisch oder online – finden Betroffene auch bei der Deutschen Aids-Hilfe. /
Auf der Internetseite des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) können Betroffene und Interessierte weitere Informationen zu den HIV-Selbsttests finden. Zusammen mit dem Bundesministerium für Gesundheit haben die Experten des PEI wichtige Informationen zu den Tests zusammengestellt. So sind hier beispielsweise Gebrauchsanweisungen und Videos zur richtigen Anwendung der verschiedenen Selbsttests zu finden. Empfohlen werden lediglich Tests, die das CE-Kennzeichen tragen und somit die für Europa festgelegten Anforderungen erfüllen. Außerdem gibt es auf der Internetseite des PEI ein Meldeformular, falls Probleme mit einem HIV-Selbsttest auftreten. Das PEI leitet die Fehlermeldungen weiter an die Hersteller und kann, wenn nötig, Maßnahmen anordnen.
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