Schwarz ist nicht das neue Weiß |
10.12.2018 12:22 Uhr |
Von Elke Wolf / Aktivkohle ist nicht das neue Wundermittel, von dem uns die Werbung überzeugen will. Schon seit Langem ist das schwarze Pulver in der Medizin für seine Fähigkeit bekannt, Durchfall zu stoppen und Vergiftungen entgegenzuwirken. Jetzt soll es Zähne blütenweiß putzen, die Haut von Talg und Entzündungen befreien und den Körper entgiften können. Doch die Versprechen, mit denen schwarze Kosmetik verkauft wird, kann sie leider nicht halten.
Aktivkohle wurde in den vergangenen zwei Jahren regelrecht gehyped. So sehr, dass laut dem Verbraucherpanel des Marktforschungsunternehmens GfK Aktivkohle der am stärksten wachsende Ernährungs- und Lifestyle-Trend (noch vor Proteinen, Veggie und Soja) überhaupt ist. Dafür haben zahlreiche Beauty-Blogger, die sich mit sogenannten »Black Masks« auf Nase, Stirn und Kinn in den sozialen Medien wie Instagram zeigen, und Beauty-Tutorials, die erklären, wie genau schwarze Peelings, Shampoos oder Zahnpasten anzuwenden sind, gesorgt.
Boom im Kosmetik-Regal: Immer mehr Präparate enthalten Aktivkohle.
Foto: iStock/dimid_86
Und nun kann man auch Smoothies, seinen Latte macchiato als Charcoal latte oder Müsli mit dem schwarzen Zusatzstoff genießen. Die entsprechenden Präparate versprechen einen »Detox-Effekt«, »porentiefe Reinigung« oder eine »Klärung der Haut« – wahlweise von innen oder außen. Doch Vorsicht: Viele der beworbenen Effekte sind wissenschaftlich nicht zu halten. Mehr noch: Der Konsum ist nicht immer unbedenklich.
Aktivkohle ist in der Medizin keine Unbekannte. Bereits seit Jahrhunderten wird Carbo medicinalis als Arzneimittel genutzt, das etwa bei Vergiftungen gefährliche Substanzen im Magen-Darm-Trakt bindet oder Durchfall stoppen soll. Das Europäische Arzneibuch sieht vor, dass zu seiner Gewinnung etwa Lindenholz oder Kokosschalen unter starker trockener Hitze verbrannt werden. Dabei verflüchtigen sich alle Begleitsubstanzen, übrig bleibt lediglich der Kohlenstoff, der noch einem Aktivierungsprozess unterzogen werden muss. Zudem wird Aktivkohle in heimischen Wasseraufbereitern genauso als Wasser- und Partikelfilter eingesetzt wie in Teichanlagen und großen technischen Industrieanlagen oder Kläranlagen.
Bei der Erhitzung und Aktivierung entsteht die charakteristische poröse Struktur der Kohle. Die Poren sind wie bei einem Schwamm untereinander verbunden. Das schafft eine riesengroße innere Oberfläche: 1 Gramm Aktivkohle hat eine Oberfläche von bis zu 2000 Quadratmetern. Würde man diese Fläche am Stück ausrollen, lägen etwa acht schwarze Tennisfelder vor einem. Dieser inneren Struktur verdankt die Aktivkohle ihre Fähigkeit, Substanzen an sich binden zu können und quasi wie ein Schwamm aufsaugen zu können. Diese ohne Frage vorhandene medizinische Wirkung ist vermutlich der Ausgangspunkt für die Vermarktung schwarzer Kosmetika als Detox-Produkte.
Unspezifischer Adsorber
Entsprechende Kosmetika sollen Poren verfeinern, unreine und fettige Haut klären, »Bad-hair-days« ein Ende bereiten sowie diverse Verfärbungen von Kaffee, Tee oder Rotwein von Zähnen lösen können. Dank seiner porösen Oberfläche adsorbiert Aktivkohle auch so ziemlich alles. In eine flüssige, halbfeste oder feste Grundlage eingearbeitet, bindet sie unspezifisch sämtliche Substanzen, die ihr in die Quere kommen. Das können zwar einerseits abgestorbene Hautschüppchen, Talg oder schädliche Umweltpartikel sein, aber andererseits werden der Haut so auch wertvolle Lipide, Vitamine oder Mineralien entzogen. Black Peelings oder Masken eignen sich deshalb allenfalls für Personen mit Hang zu fettiger Haut. Trockene Haut läuft Gefahr, noch trockener zu werden. Und der reinigende Effekt von schwarzer Zahnpasta beruht wohl eher auf der abschmirgelnden als auf der adsorbierenden Wirkung.
Schwarzmalerei auch in der Zahnpflege
Foto: Shutterstock/Melica
In der Tat ist es recht zweifelhaft, dass das schwarze Pulver auf der Zahnoberfläche Partikel aus Tee, Kaffee oder Wein aufsaugen soll. Eine Analyse von mehr als 25 Studien im Journal of the American Dental Association (JADA), in der US-amerikanische Zahnärzte Aktivkohle-Zahnpasta untersucht hatten, wies keine spezifischen Effekte der zugesetzten Substanz nach. In einigen Arbeiten entdeckten die Autoren der Universität von Maryland in Baltimore stattdessen Hinweise auf eine Schädigung der Zähne in Form eines erhöhten Abriebs von Zahnschmelz. Und in der Tat: Wer den RDA-Wert, den Relative-Dentin-Abrasion-Wert, auf seiner schwarzen Zahnpasta sucht, sucht vergebens. Er dürfte eher hoch sein. Hinzu kommt, dass einer reinen Aktivkohle-Zahnpasta Inhaltsstoffe wie Fluorid fehlen. Diese hätte die Aktivkohle aufgrund ihrer Oberfläche längst gebunden.
Kritisch prüfen
Dass Schwarz das neue Weiß sein soll, dem widersprechen auch die Tester des Verbrauchermagazins Ökotest. Keines der 15 im vergangenen Jahr geprüften Aktivkohle-Kosmetikprodukte aus Drogerie oder Parfümerie schnitt in der Bewertung gut ab, sechs fielen mit ungenügend durch, drei mit mangelhaft. Keiner der Hersteller legte Studien vor, die die Wirksamkeit der Produkte belegen. Im Gegenteil: Ökotest musste bemängeln, dass in mehr als der Hälfte der Testprodukte Spuren von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) nachweisbar waren. Diese sind gemäß der Europäischen Kosmetikverordnung verboten, da sie im Verdacht stehen, krebserregend zu sein.
Längst hat die Aktivkohle auch Einzug in die Lebensmittelindustrie gehalten Shutterstock/Rimma Bondarenko
Wer Produkte mit dem gehypten Stoff dennoch testen möchte, sollte einen genauen Blick auf die INCI-Liste werfen. Einige Zubereitungen werben zwar mit dem Trendstoff, enthalten ihn aber gar nicht. Echte Aktivkohle-Kosmetik führt in der Inhaltsstoffliste die englischen Begriffe »activated charcoal« oder »charcoal powder« auf. Steht auf den Tuben und Flaschen nur »Charcoal« oder »CI 77266 Carbon Black«, hat das mit Aktivkohle wenig zu tun. Es handelt sich vielmehr um Ruß, der auch in dekorativer Kosmetik wie in Mascara, Eyeliner oder Kajal zum Einsatz kommt. Dieser bringt nur die schwarze Farbe.
Mit Aktivkohle versetzte Smoothies, schwarzes Eis oder an sich schon gesundes Müsli mit Detox-Effekt: Der Trendstoff, in Lebensmitteln auf der Zutatenliste mit E153 beziffert, hat längst auch die Küche erreicht. Doch auch hier ist sein Einsatz nicht ganz unkritisch zu sehen. Zwar wird der Farbstoff von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit als gesundheitlich unbedenklich eingestuft. Doch das unspezifische Schwammpotenzial der Aktivkohle kann sich nachteilig für Anwender auswirken, die regelmäßig Medikamente einnehmen und zusätzlich schwarze Lebensmittel konsumieren. Bereits geringe Dosen können die Wirksamkeit von Arzneimitteln beeinträchtigen, da sind sich Pharmazeuten sicher. /