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Stufenplan

Behandlung bei chronischer Obstipation

Wenn der Stuhlgang zur Qual wird, kann das viele Ursachen haben. Medikamente wie Opioide oder Krankheiten wie Morbus Parkinson kommen als Auslöser infrage. Bedenken bei einer langfristigen Behandlung mit Laxanzien sind meist unbegründet.
Nicole Schuster
04.06.2021  08:30 Uhr

Gibt es mit dem Stuhlgang Probleme, ist das für Betroffene nicht nur belastend, sondern oft auch mit Scham verbunden. Von einer chronischen Verstopfung spricht man, wenn Patienten über drei Monate hinweg seltener als jeden dritten Tag Stuhlgang haben, der Stuhl sehr hart ist und sie lange auf der Toilette sitzen und stark pressen müssen. Nach der Defäkation bleibt das Gefühl zurück, den Darm nur unvollständig entleert zu haben.

Chronische Obstipation ist häufig idiopathisch, also ohne erklärbare Ursache. Sie kann aber auch durch einige Krankheiten bedingt oder medikamenteninduziert auftreten. »Bei Grunderkrankungen ist unter anderem an Morbus Parkinson zu denken«, sagt Professor Dr. Stefan Müller-Lissner, Internist und Gastroenterologe aus Berlin, gegenüber PTA-Forum. »Eine Obstipation bei Schlaganfallpatienten kann vorübergehend auftreten, bildet sich aber oft wieder zurück. Hier ist die Genese unklar, die Bettlägerigkeit unmittelbar nach dem Schlaganfall kann aber eine Rolle spielen.« Endokrine Störungen werden laut dem Experten als Ursache überschätzt und neurologische Grunderkrankungen sind meist nicht ursächlich behandelbar. Erkrankungen im Analbereich wie Fissuren, Hämorrhoiden oder Analstenosen können dazu führen, dass Patienten den Stuhl zurückhalten und dieser verhärtet. In der Folge entsteht eine akute Obstipation. Bei M. Parkinson ist Obstipation hingegen sogar als ein mögliches Frühsymptom bekannt. Bei der Nervenerkrankung mit dem Leitsymptom der Akinesie ist das Verdauungsproblem multifaktoriell. »Die Krankheit führt dazu, dass sich der Darm weniger bewegt und die Bauchpresse schwächer wird. Eine weitere Ursache ist eine mangelnde Erschlaffung des Analsphinkters«, erklärt der Gastroenterologe. Die gegen die Erkrankung eingenommenen Medikamente können das Problem verstärken.

Arzneimittel als Auslöser

Tritt in zeitlichem Zusammenhang mit neu verordneten Medikamenten eine Obstipation auf, lohnt es, den Medikationsplan zu überprüfen. Der Klassiker unter den eine Verstopfung begünstigenden Arzneimitteln sind Opioide. Bei ihnen ist Obstipation eine der häufigsten Nebenwirkungen. Die Opioid-induzierte Obstipation tritt zu Beginn der Opioid-Therapie auf und hält in der Regel über die gesamte Behandlungsdauer an. Bekannt dafür, die Darmtätigkeit zu beeinträchtigen, sind auch Psychopharmaka wie trizyklische Antidepressiva oder Neuroleptika. Anticholinergika oder manche Antihypertensiva können ebenfalls die Darmtätigkeit verlangsamen und Probleme mit dem Stuhlgang auslösen.

Am besten ansprechen

Bei Parkinson-Patienten, aber auch bei Menschen, die Opioide einnehmen, hilft es den Betroffenen, wenn PTA die Themen Darmentleerung und Obstipation proaktiv ansprechen und eine Beratung zu medikamentösen Lösungen anbieten.

Um ein passendes Abführmittel zu finden, sind die individuellen Bedürfnisse des Patienten zu beachten. Ziel ist es, eine zuverlässige Wirkung mit einem definierten Wirkeintritt sowie eine physiologische Stuhlkonsistenz sicherzustellen, zudem sollte das Mittel gut verträglich und dosierbar sein.

Gemäß dem Stufenplankonzept der S2k-Leitlinie Chronische Obstipation sollte die Therapie bei leichten Beschwerden mit Ballaststoffen wie Leinsamen oder Flohsamenschalen (zum Beispiel Mucofalk®, Agiocur®, Linusit® Gold Leinsamen) begonnen werden. Sie vergrößern das Stuhlvolumen und sorgen so für einen Dehnungsreiz im Enddarm. Wichtig ist, während der Anwendung ausreichend zu trinken. Bei Patienten mit einer verzögerten Darmpassage reicht die Wirkung jedoch oft nicht aus. Ballaststoffe können zudem unangenehme Nebenwirkungen wie Blähungen oder abdominelle Krämpfe auslösen.

Mittel der Wahl für eine langfristige Therapie sind daher osmotisch aktive Präparate. Macrogole wie Movicol® oder Dulcolax Balance® binden über osmotische Effekte Flüssigkeit im Darmlumen und reduzieren die Rückresorption. Das Stuhlvolumen nimmt zu und ein Defäkationsreiz wird ausgelöst. Die Pulver werden in Wasser aufgelöst und unabhängig von den Mahlzeiten ein- bis dreimal täglich eingenommen. Es gibt sie aromafrei und in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Die Wirkung tritt nach einem bis zwei Tagen ein. Ähnlich wirken Zuckeralkohole wie Lactulose (etwa Bifiteral®). Da allerdings Darmbakterien die Zuckeralkohole abbauen, geht die Anwendung mit einer meist störenden Gasbildung, Flatulenz und mit Meteorismus einher.

Eine Alternative zu den Osmolaxanzien sind die darmstimulierenden Abführmittel Natriumpicosulfat (wie Laxoberal®) und Bisacodyl (zum Beispiel Dulcolax®). Bei Bisacodyl sollte die PTA darauf hinweisen, dass der Patient zur Aufnahme von Milch oder Antacida einen zeitlichen Abstand von mindestens einer Stunde einhalten soll. Sonst kann sich der Schutzüberzug des Abführmittels bereits im Magen zersetzen und die Magenschleimhaut reizen. Bisacodyl wirkt etwa sechs bis acht Stunden nach Einnahme, Natriumpicosulfat zehn bis zwölf Stunden. Um morgens zur Toilette gehen zu können, sollten Patienten die Mittel daher abends anwenden. Ein Vorteil von Natriumpicosulfat: Der Wirkstoff ist auch in flüssiger Form verfügbar. Die Tropfen eignen sich besonders für Patienten, die Schwierigkeiten haben, feste Arzneimittel zu schlucken oder die eine flexible Dosierung brauchen.

Salinische Laxanzien wie Glaubersalz (Na2SO4) oder Bittersalz (MgSO4) sollten bei chronischer Obstipation zurückhaltend eingesetzt werden. Sie sind zwar wirksam, können aber langfristig unerwünschte Wirkungen wie eine Störung des Elektrolythaushalts mit sich bringen. Wünschen Patienten eine rektale Entleerungshilfe, kann die PTA Bisacodyl-Zäpfchen (wie in Dulcolax® Zäpfchen), Glycerol-Suppositorien (Glycilax® Zäpfchen) oder CO2 freisetzende Zäpfchen (Lecicarbon®) empfehlen. Verschafft eine Monotherapie dem Patienten nicht ausreichend Erleichterung, können Präparate mit unterschiedlichen Wirkprinzipien kombiniert werden, etwa Bisacodyl und Macrogole.

Nicht zur Prophylaxe

Steht ein Medikament im Verdacht, die Verdauungsprobleme zu verursachen, kann der Arzt möglicherweise ein anderes Präparat verschreiben oder die Dosis anpassen. Bei einer Opioid-induzierten Obstipation können ärztlich verordnete periphere Opioid-Antagonisten wie Naloxon in oraler Applikation helfen. Sie blockieren die periphere Opioid-Wirkung am Darm, ohne die zentral schmerzlindernden Effekte zu beeinträchtigen. Ist es sinnvoll, vorbeugend gleich mit der ersten Verschreibung die Mittel oder andere Laxanzien zu verordnen? Davon rät der Experte ab: »Nicht jeder Patient entwickelt unter einer Opioid-Therapie Verstopfung. Eine vorbeugende Verschreibung ist daher nicht sinnvoll. Stattdessen sollte der Arzt nach Beschwerden beim Stuhlgang fragen und dann bei Bedarf Laxanzien oder periphere Opioid-Antagonisten verschreiben.«

Patienten, die wegen einer Dauerbehandlung Bedenken haben, fühlen sich beruhigt, wenn sie erfahren, dass bei bestimmungsgemäßer Anwendung ein längerer Gebrauch von Laxanzien nicht gefährlich ist. Es treten weder Gewöhnungseffekte und Dosissteigerungen noch Kaliumverluste oder sonstige gravierende Nebenwirkungen auf. Die Mittel verbessern das Wohlbefinden und können im schlimmsten Fall vor ernsten Komplikationen wie einem Darmverschluss schützen. Allerdings sollte man sie nicht täglich oder prophylaktisch, sondern bedarfsgerecht anwenden.

Wichtig ist auch, gegenüber verunsicherten Patienten mit Mythen aufzuräumen: »Man muss nicht jeden Tag Stuhlgang haben«, sagt Müller-Lissner. »Ein Toilettengang alle drei Tage reicht für die meisten Menschen völlig aus. Eine Gefahr, sich mit im Darm befindlichen Stuhl selbst zu vergiften, besteht nicht.« 

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