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Conn-Syndrom

Bluthochdruck durch Hormone

Beim Conn-Syndrom produzieren die Nebennieren zu viel Aldosteron. In der Folge steigt der Blutdruck. Das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse ist dann noch höher als bei der »normalen« Hypertonie. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind deshalb besonders wichtig.
Judith Schmitz
15.12.2022  09:00 Uhr

Bis vor einigen Jahren ging man davon aus, dass bei über 98 Prozent der Patienten mit arterieller Hypertonie keine Ursache zu finden ist. »Besonders Hormonstörungen galten bislang als sehr seltene Auslöser für dieses Gesundheitsproblem. Inzwischen wissen wir, dass dies nicht mehr stimmt«, sagte Professor Dr. Martin Fassnacht, Leiter des Lehrstuhls für Endokrinologie und Diabetologie am Uniklinikum Würzburg bei einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE).

Erkrankungen der kleinen Nebennieren seien nach heutigem Kenntnisstand für mehr als 10 Prozent der Hypertoniefälle verantwortlich. Diese nur wenige Zentimeter großen Organe, die beidseits auf den Nieren sitzen, bilden verschiedene Hormone. Mehrere dieser Hormone sind an der Regulation des Blutdrucks beteiligt, darunter das »Salzhormon« Aldosteron. Es verhindert, dass Natrium über die Niere beim Wasserlassen verloren geht. Damit hält Aldosteron auch Wasser zurück, wodurch der Blutdruck steigt. Normalerweise ist die Bildung von Aldosteron in ein hormonelles Netzwerk eingebunden, das Blutdruck und Flüssigkeitshaushalt reguliert.

Beim Conn-Syndrom, dem primären Hyperaldosteronismus, lässt sich Aldosteron nicht mehr durch andere Hormone wie dem Renin aus der Niere kontrollieren. Es kommt zur Überproduktion durch eine oder beide Nebennieren, der Blutdruck steigt. Gleichzeitig verliert der Körper Kalium und das Blut wird alkalisch. Diese sogenannte Alkalose ist eine Störung des Säure-Basen-Haushaltes, bei der der pH-Wert des Blutes auf über 7,45 steigt. Sie gehört zusammen mit Kaliummangel und Bluthochdruck zu den drei klassischen Zeichen – der Trias – eines Conn-Syndroms. In den meisten Fällen ist jedoch nur der Blutdruck erhöht. Dadurch wird das Conn-Syndrom oft lange übersehen. Durchschnittlich vergehen zehn Jahre von der Erstdiagnose Bluthochdruck bis zur Diagnose. Nur etwa 1000 Patienten mit Conn-Syndrom werden jedes Jahr diagnostiziert. Bei etwa 30 Millionen Blutdruckkranken in Deutschland sind jedoch zwischen 1,5 und 2 Millionen Menschen davon betroffen. »Selbst bei milder Hypertonie haben mindestens 5 Prozent der Patienten ein Conn-Syndrom«, betonte Fassnacht. Dieser Prozentsatz steige bei sehr ausgeprägter Hypertonie auf 30 Prozent, sprich bei einem Drittel aller Menschen mit schwer einstellbarem Bluthochdruck ist ein Conn-Syndrom die Ursache.

Hohes Herz-Kreislauf-Risiko

Laut Fachgesellschaften wäre es daher sinnvoll, die Hälfte der Hypertoniker auf das Conn-Syndrom zu untersuchen. »Die Realität ist, dass wahrscheinlich nur 1 Prozent der Conn-Syndrome entdeckt wird«, sagte Fassnacht. Vor allem bei Patienten mit Erstdiagnose Bluthochdruck in jungen Jahren um die 45 sollten Ärzte aufmerksam werden. Dagegen sei das Risiko für ein Conn-Syndrom mit 75 Jahren bei Erstdiagnose Bluthochdruck gering, sodass ein Testen nicht sinnvoll sei. Die Unterdiagnose Conn-Syndrom ist laut Fassnacht aus zwei Gründen bedauerlich: Zum einen führt der Hochdruck beim Conn-Syndrom fünf- bis zehnmal häufiger zu Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herzversagen als bei anderen Hochdruckerkrankungen. Dadurch versterben Menschen mit einem Conn-Syndrom deutlich früher, wenn die Erkrankung nicht diagnostiziert wird. Ein Grund für die erhöhte Rate an Herzkreislaufereignissen ist die schlechte Wirkung der üblich eingesetzten Medikamente bei einem Conn-Syndrom.

Ein Blutdruck, der trotz dreier verschiedener Medikamente auf Dauer über 140/90 mmHg liegt, ist daher ein Warnhinweis, ebenso ein Kaliummangel im Blut, eine Vergrößerung der Nebenniere im Ultraschall, bekannte Erkrankungen in der Familie oder ein Schlaganfall vor dem 40. Lebensjahr. Zum anderen könnten Ärzte bei circa einem Drittel der Betroffenen mit Conn-Syndrom sogar eine dauerhafte Heilung erzielen: Diese Menschen haben einen kleinen gutartigen Nebennierentumor, der das Zuviel an Aldosteron produziert. »Wird dieser Tumor erfolgreich operativ entfernt, ist die Erkrankung verschwunden. Wenn der Bluthochdruck nicht schon andere Organe geschädigt und sich damit verselbstständigt hat, haben die Menschen wieder einen komplett normalen Blutdruck«, führt Fassnacht aus.

Erfolgreiche Therapie möglich

»Frühzeitig erkannt und mit gezielten Medikamenten behandelt, können wir Patienten mit Conn-Syndrom erfolgreich therapieren, sodass wir ihr Risiko für Herz-Kreislauf-Ereignisse senken oder sie im Falle eines Tumors sogar heilen«, fasst Fassnacht zusammen. Es lohne sich also, entgegen der Versorgungsrealität, diese Patienten mit der geeigneten Diagnostik frühzeitig herauszufischen. Das Conn-Syndrom sei eben nicht, wie früher geglaubt, selten  und auch die Diagnostik sei nicht so kompliziert, wie oft geglaubt.

Der erste Schritt zur Diagnose ist ein Screeningtest, für den der Hausarzt gleichzeitig die Hormone Aldosteron und das Steuerungshormon Renin misst und aus dem Messergebnis einen Quotienten bildet. Wird ein festgelegter Schwellenwert überschritten, scheinen die Nebennieren zu viel Aldosteron zu bilden. Da es hier zu falsch positiven Ergebnissen kommen kann, ist ein Bestätigungstest obligat. Diesen sollte am besten ein Endokrinologe durchführen. Dabei handelt es sich um einen Suppressionstest mit Kochsalzinfusion. Dieser Test ist etwas aufwendiger, da der Arzt zuvor die Blutdruckmedikamente umstellen muss, das heißt, idealerweise nur noch Medikamente einsetzt, die das Aldosteron und Renin nicht beeinflussen.

Je nach Ergebnis des Suppressionstests wird anschließend eine gezielte Lokalisationsdiagnostik durchgeführt. Zudem wird überprüft, ob andere seltene hormonelle Ursachen des Bluthochdrucks vorliegen könnten wie das Phäochromozytom oder das Cushing-Syndrom. Für die Lokalisationsdiagnostik bestimmt der Facharzt mit einem Katheter die Aldosteron-Konzentration in den Venen der beiden Nebennieren. Ist die Konzentration nur auf einer Seite erhöht, kann das Conn-Syndrom durch die Entfernung einer Nebenniere geheilt werden. Das betrifft etwa ein Drittel der Patienten. Produzieren beide Nebennieren zu viel Aldosteron, ist eine Operation nicht möglich. In diesem Fall helfen Aldosteron-Antagonisten, die die Wirkung des Hormons an den Zellen ausschalten, indem sie die Rezeptoren blockieren.

Vereinfachte Diagnostik

Seit 2006 gibt es ein Patientenregister, das alle Erkrankungen aus den führenden Zentren zur Behandlung des Conn-Syndroms sammelt. Hierdurch konnten etwa die diagnostischen Schritte vereinheitlicht und vereinfacht werden. Zudem wurden Untergruppen von Patienten identifiziert, die besonders von einer Operation profitieren oder bei denen man auf weitere Begleiterkrankungen besonders achten muss. Dadurch haben sich laut DGE die Behandlungsergebnisse des Conn-Syndroms verbessert.

Jüngste Daten einer internationalen Studie mit mehr als 3500 Patienten mit zufällig entdecktem Nebennierentumor, die von Fassnacht und seinem Team geleitet wurde, zeigen zudem, dass Patienten, deren Nebennierentumor etwas zu viel Cortisol bildet, deutlich häufiger an Bluthochdruck und Diabetes leiden. Zudem liegt bei dieser Gruppe eine 50- bis 75-prozentig höhere Sterbewahrscheinlichkeit vor als bei Patienten mit normaler Cortisolproduktion. Dieses Risiko ist stark abhängig von Geschlecht und Alter: Männer über 65 Jahre mit Nebennierentumor und vermehrter Cortisolproduktion haben kein erhöhtes Risiko. Die Sterblichkeit bei Frauen unter 65 Jahren mit dieser Konstellation ist dagegen mehr als vierfach erhöht. Fassnacht forscht nun, ob sich dieses Risiko durch Operation oder medikamentöse Therapie senken lässt. Die Relevanz ist hoch: Etwa 3 Prozent aller Menschen über 50 Jahre haben einen Nebennierentumor. Für Deutschland entspricht das einer Million Betroffenen.

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