Brustkrebs hat an Schrecken verloren |
Zu Beginn bespricht ein interdisziplinäres Tumorkonzil aus Onkologen, Radiologen, Gynäkologen, Pathologen und Nuklearmedizinern, welche Operationsart und welche Behandlung individuell voraussichtlich die besten Erfolgsaussichten zeigen.
Ziel ist immer, malignes Gewebe vollständig zu eliminieren. Kleine Tumore lassen sich brusterhaltend entfernen. Bei größerer Ausdehnung sind nach wie vor Amputationen notwendig. Eventuell erhalten Patientinnen vor der OP Chemo- oder Strahlentherapien. Man spricht von einer neoadjuvanten Therapie mit dem Ziel, dass ein Tumor soweit schrumpft, dass er chirurgisch besser entnommen werden kann. Auch Lymphknoten im Achselbereich werden entnommen und untersucht, denn dort können sich einzelne Krebszellen festsetzen.
Ergänzend, sprich adjuvant, kommt eine Bestrahlung infrage, um das Rückfallrisiko zu minimieren. Denn mikroskopisch kleine Reste an Tumorgewebe können in der Brust verblieben sein. Experimentell gelang es Wissenschaftlern, diese Zellen mit Fluoreszenzfarbstoffen sichtbar zu machen. Ihr Verfahren ist aber noch nicht Routine.
Um jeder Patientin ein Maß an Qualität und das bestmögliche Behandlungskonzept zu bieten, erarbeiten in zertifizierten Brustzentren interdisziplinäre Tumorboards einen Therapieplan aus. Dieser wird engmaschig kontrolliert. / Foto: Adobe Stock/BSIP
Chemotherapien sind nur sinnvoll, falls Patientinnen ein hohes Rezidivrisiko haben, etwa bei hormonunabhängig wachsenden Tumoren oder bei Tumoren mit vielen HER2-Rezeptoren auf der Oberfläche. Betroffene haben aufgrund einer Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom Juni 2019 Anspruch auf einen zusätzlichen Genexpressionstest, um die Notwendigkeit zytotoxischer Behandlungen zu bewerten. Vor allem im Anfangsstadium profitieren Frauen von dieser Art der Behandlung nicht, haben aber mit schweren Nebenwirkungen zu kämpfen. Bei fortgeschrittenem Mammakarzinom werden sich Ärzte jedoch oft für eine Chemotherapie entscheiden. Sie dauert zwischen 18 und 24 Wochen. In mehreren Zyklen erhalten Patientinnen dabei die Protokolle AC, EC, FAC oder FEC. Die Kürzel stehen für Adriamycin, Cyclophosphamid, Epirubicin und Fluorouracil. Paclitaxel und Docetaxel können noch hinzukommen, sollten Lymphknoten befallen sein.
Chemotherapien richten sich gegen alle schnell wachsenden Zellen, doch es geht in einigen Fällen auch anders. Manche Wirkstoffe werden nur bei bestimmten molekularbiologischen Merkmalen des Tumors eingesetzt. Konnten Pathologen etwa nachweisen, dass Tumorzellen hormonsensitiv sind, verordnen Ärzte Patientinnen vor der Menopause ein Östrogen-Rezeptor-Modulator wie Tamoxifen (wie Kessar®, Mandofen®). Der Arzneistoff verhindert, dass Östrogen an Rezeptoren bindet und dass es möglicherweise zum Rezidiv kommt. Ob die Prophylaxe fünf oder gar zehn Jahre lang sinnvoll ist, entscheidet der Onkologe anhand individueller Risikofaktoren. Postmenopausale Patientinnen produzieren keine Hormone mehr in den Ovarien, sondern nur noch im Muskel- und Fettgewebe, und Ärzte nutzen dann Aromatasehemmer.
Foto: Grafik: Stephan Spitzer
Je früher ein Tumor entdeckt wird, desto besser ist er zu behandeln. Fachgesellschaften raten zum monatlichen Selbstcheck. Der optimale Zeitpunkt bei Frauen vor den Wechseljahren ist eine Woche nach Beginn der Regelblutung. Dann ist die Brust besonders weich. Frauen nach den Wechseljahren sollten einen fixen Tag im Monat wählen und ihn im Kalender eintragen.
Am besten betrachtet man sich mit unbekleidetem Oberkörper in verschiedenen Positionen vor einem Spiegel. Zuerst etwa bei herabhängenden, dann bei nach oben gestreckten Armen, bei nach vorn gebeugtem Oberkörper sowie mit in die Hüfte gestemmten Armen. Die Brüste jeweils von vorn und von der Seite begutachten. Hat sich etwas verändert? Dann mit der flachen Hand systematisch die Brust abtasten: Dazu den rechten Arm hochheben, um dann mit der linken Hand die rechte Brust zu untersuchen und umgekehrt. Beim Tasten die Finger leicht gegeneinander bewegen (wie beim Klavierspielen). Dabei am äußeren oberen Rand beginnen und sich spiralförmig nach innen bis zur Brustwarze vorarbeiten. Auch diese abtasten und vorsichtig ausdrücken. Tritt Flüssigkeit aus, auf Farbe und Konsistenz achten. Nicht zu vergessen: die Bereiche in Richtung Schlüsselbein und Achselhöhle.
In biologischen Oberflächenstrukturen steckt aber noch mehr Potenzial. Etwa jedes vierte Mammakarzinom weist eine Überexpression des HER2/neu-Rezeptors auf. Dieser Marker steht normalerweise für eine schlechte Prognose, hat aber auch therapeutisches Potenzial. Denn Trastuzumab (Herceptin®), ein Antikörper, richtet sich gegen Teile dieser Oberflächenstruktur. Er kann zusammen mit Pertuzumab (Perjeta®), einem weiteren Antikörper, und Docetaxel (Taxotere®), einem Zytostatikum, zum Einsatz kommen. Lapatinib (Tyverb®) hat die Rezeptoren EGFR und HER2 zum Ziel. Wachstumsfaktoren können nach der Blockade von Bindungsstellen nicht mehr ihre Wirkung entfalten.
Auch Bevacizumab (Avastin®), ein Angiogenesehemmer, ist bei Brustkrebs zugelassen. Er vermindert die Neubildung von Blutgefäßen im Tumor, indem er den Gefäßwachstumsfaktor VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) abfängt. Im Unterschied dazu hemmt Palbociclib (Ibrance®) die Proteine CDK4 und CDK6. Daraufhin teilen sich die Zellen deutlich langsamer. Auch Ribociclib (Kisqali®) wirkt als Inhibitor. Er hat andere Proteine im Zellzyklus, nämlich D1/CDK4 and CDK6, zum Ziel. Eribulin wiederum greift in die Dynamik von Mikrotubuli ein, also von faserförmigen Filamenten, die bei Zellteilungen essenziell sind.
Nach Abschluss der eigentlichen Therapie sehen Patientinnen ihre Ärzte über mindestens fünf Jahre hinweg weiter – mit zunehmendem Abstand. Ziel ist nicht nur, mögliche Rezidive zu erkennen, sondern auch, über die Pharmakotherapie zu informieren. Gerade bei der langfristigen Anwendung von Arzneistoffen sinkt bekanntlich die Therapietreue . Und im Anschluss an eine Therapie geht es auch oft darum, das kosmetische Ergebnis von Operationen zu verbessern. Frauen nach Brustoperationen haben meist Anspruch auf die Versorgung mit Brustprothesen.
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Die rosa Schleife ist heute weltweit das Symbol für den Kampf gegen Brustkrebs. Damit soll Solidarität mit Frauen zum Ausdruck gebracht werden, die an Brustkrebs erkrankt sind – ähnlich der roten Aids-Schleife. Ziel ist es, die Bevölkerung für diese Tumorart zu sensibilisieren. Denn wie kaum bei einer anderen Krebserkrankung entscheidet die Früherkennung über gute Heilungschancen.
Von den USA aus verbreitete sich die rosa Schleife seit 1991 auch immer häufiger in Europa, zum Beispiel 2014 bei Veranstaltungen im Brustkrebsmonat Oktober in München oder Zürich. In beiden Städten wurden Gebäude und öffentliche Plätze in Rosa illuminiert. Damit orientierte man sich an Veranstaltungen in Amerika, wo etwa vor Jahren das Weiße Haus rosa angestrahlt war.