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Brustkrebs

Chancen und Risiken der Mammographie

Als Früherkennungsmaßnahme für die häufigste Krebserkrankung bei Frauen ist die Mammographie unverzichtbar. Obwohl Statistiken ihren Nutzen belegen, sind viele Frauen weiterhin verunsichert. Das Apothekenteam kann aufklären.
Nicole Schuster
15.10.2020  14:22 Uhr

Jährlich erkranken in Deutschland etwa 69.000 Frauen neu an Brustkrebs. Dabei steigt das Risiko mit zunehmendem Alter, besonders ab dem 50. Lebensjahr, und nimmt etwa ab dem 70. Geburtstag wieder leicht ab. Und so ist Schätzungen zufolge etwa jede achte Frau hierzulande in ihrem Leben von der häufigsten Krebserkrankung bei Frauen betroffen. Die gute Nachricht: Es sterben immer weniger Betroffene daran. Neben besseren und gezielteren Therapien tragen auch regelmäßige Früherkennungsuntersuchungen dazu bei. Je früher ein Krebs entdeckt wird, desto besser und erfolgreicher lässt er sich meist behandeln.

Eine spezielle Krebsfrüherkennung auf Brustkrebs ist die Mammographie. Im Alter zwischen 50 und 69 Jahren können Frauen alle zwei Jahre an dem Screening teilnehmen. Sie bekommen die Einladung zusammen mit der »Entscheidungshilfe zur Mammographie« per Post nach Hause geschickt. Die Entscheidungshilfe informiert über die Untersuchung und deren Vor- und Nachteile und kann auch online eingesehen werden. 

 Sollten Frauen noch offene Fragen oder Bedenken haben, können sie einen Besprechungstermin mit einem Arzt in ihrer regionalen Mammographie-Stelle vereinbaren. »Auch wir vom Krebsinformationsdienst bieten Frauen eine Beratungsmöglichkeit an und informieren unabhängig über Vor- und Nachteile der Untersuchung«, sagt Dr. Birgit Hiller vom Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrum gegenüber PTA-Forum.

Fehl- und Überdiagnosen

Skeptiker sehen vor allem die Risiken der Mammographie. Sie kritisieren, dass es zu falsch positiven Befunden kommen kann. Für die Betroffenen bedeutet das: Bis abgeklärt ist, dass hinter einer auffälligen Mammographie doch kein Brustkrebs steckt, sind sie einer seelischen Belastung und weiteren Untersuchungen ausgesetzt. Grund dafür sind die Grenzen der Mammographie: Sie kann zwar Gewebeveränderungen sichtbar machen, ob diese gut- oder bösartig sind, lässt sich aber nicht immer zweifelsfrei feststellen. Weitere Untersuchungen, etwa eine erneute Mammographie oder ein Ultraschall, sind erforderlich, und manchen Frauen kann erst eine Biopsie Gewissheit verschaffen. Folgemaßnahmen sind auch angezeigt, wenn bei der Mammographie kein eindeutiger Befund herauskommt.

Ein weiterer Kritikpunkt sind Überdiagnosen und unnötige Behandlungen. Eine solche liegt vor, wenn Ärzte einen Brustkrebs behandeln, der nur langsam oder gar nicht wächst und deshalb für das Leben der betroffenen Frau kein Risiko und auch keine Beeinträchtigung darstellt. Von Überdiagnosen sind Schätzungen zufolge von 1000 Frauen, die über zwanzig Jahre regelmäßig am Mammographie-Screening teilnehmen, neun bis zwölf betroffen. Das haben Autoren der »Entscheidungshilfe zur Mammographie« ermittelt.

Ein Auslöser von gelegentlich unnötigen Behandlungen sind Brustkrebsvorstufen, sogenannte Duktale Carcinoma in Situ, kurz DCIS. Man weiß, dass sich daraus ein wuchernder Brustkrebs entwickeln kann, aber auch, dass einige dieser DCIS auf Dauer harmlos bleiben. Noch gibt es aber keine sichere Möglichkeit, die weitere Entwicklung zuvor abzuschätzen. Einerseits wird ein bestimmter Teil der Frauen mit DCIS also behandelt, obwohl der Krebs bei ihnen kaum oder gar nicht weiterwächst. Andererseits gibt es aber Hinweise, dass bereits die DCIS Metastasen bilden können. In diesen Fällen ist eine Therapie auch des nicht wachsenden Brustkrebses unabdingbar. Derzeitiges Vorgehen: Ärzte behandeln alle Frauen mit DCIS.

Lebensretter

Die Mammographie ist als spezielle Röntgenuntersuchung der Brust geeignet, schon winzige, nicht tastbare Tumoren zu erkennen. Das macht sie im Gegensatz zur Tastuntersuchung der Brust zu einer echten Früherkennungsuntersuchung auf Brustkrebs. »Ärzte können damit auch sogenannten Mikrokalk sichtbar machen. Darunter versteht man kleinste Kalkablagerungen, die entstehen können, wenn Umbauprozesse im Gewebe stattfinden«, informiert Hiller. »Mikrokalk lässt sich bei vielen Frauen, bei denen später eine Form von Brustkrebs diagnostiziert wird, als erstes Anzeichen feststellen.«

In der »Entscheidungshilfe zur Mammographie« findet sich eine Beispielrechnung, um das Nutzen-Risiko-Verhältnis greifbarer zu machen (siehe Grafik): 970 Frauen von 1000, die zur Mammographie gehen, haben ein unauffälliges Ergebnis. Die 30 Frauen, bei denen die Untersuchung Veränderungen des Gewebes ergeben hat, werden zur weiteren Abklärung erneut eingeladen. Bei ihnen kann eine erneute Mammographie oder eine Ultraschalluntersuchung notwendig sein, bei einem kleinen Teil dieser Frauen raten Ärzte zu einer Biopsie. Am Ende erhalten in dieser Rechnung sechs Frauen die Diagnose Brustkrebs. Die restlichen 24 Frauen sind nicht an Brutkrebs erkrankt und haben sich unnötigerweise den weiteren Untersuchungen unterzogen.

Zu bedenken: Die Früherkennungsuntersuchung verhindert nicht, dass Brustkrebs entsteht. In wenigen Fällen treten sogenannte »Intervallkarzinome« auf. Das bedeutet, dass bei etwa zwei von 1000 Frauen mit unauffälliger Mammographie bis zur nächsten Untersuchung die Diagnose Brustkrebs gestellt wird. Das kann daran liegen, dass kleinste Gewebsveränderungen bei der Mammographie übersehen worden sind oder dass sich der Krebs erst nach der letzten Untersuchung entwickelt hat. Auch wer an der Mammographie teilnimmt, sollte daher weiterhin regelmäßig selbst die Brust abtasten und bei Auffälligkeiten den Arzt aufsuchen.

Definierte Zielgruppe

Einen Anspruch auf das Screening haben in Deutschland alle zwei Jahre Frauen in der Altersgruppe zwischen 50 und 69 Jahre. Nur für diese Altersgruppe liegt zweifelsfrei ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis der Mammographie vor. Für Frauen zwischen 30 und 50 Jahren sieht das gesetzliche Früherkennungsprogramm sonst nur einmal jährlich eine Tastuntersuchung von Brust und Achselhöhlen vor.

»Haben jüngere Frauen ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs, zum Beispiel wegen familiärer Veranlagung, sollten sie mit ihrem Arzt besprechen, ob für sie bereits früher eine Mammographie sinnvoll ist. Ist diese medizinisch indiziert, übernehmen selbstverständlich die gesetzlichen Krankenkassen auch hier die Kosten«, sagt die Expertin vom Krebsinformationsdienst.

Vom systematischen Screening werden Frauen unter 59 nicht erfasst, da der Nutzen für sie nicht erwiesen ist. »Bei den meisten Frauen in diesem Alter ist das Gewebe der Brust noch vergleichsweise dicht und hormonell bedingten monatlichen Veränderungen unterworfen«, erklärt Hiller. Die Mammographie ist daher rein statistisch weniger zuverlässig. Auch wird die Untersuchung wegen der Strahlenbelastung nicht für jüngere Frauen empfohlen. »Bei jüngeren Frauen vor der Menopause reagiert das Brustgewebe empfindlicher auf die Strahlung. Da es zudem dichter ist, muss eine höhere Strahlendosis aufgewendet werden«, so die Expertin. Zudem bekommt eine Frau auf die Lebenszeit gerechnet mehr Strahlendosis ab, je früher sie mit regelmäßigen Mammographien anfängt. Obwohl die Röntgendosis einer Mammographie allgemein als eher niedrig gilt, ist nicht auszuschließen, dass über 20 Jahre lang stattfindende, regelmäßige Untersuchungen bei maximal einer von 1000 Frauen dazu beitragen kann, dass Brustkrebs entsteht.

Ergänzen, nicht ersetzen

Zu beachten ist auch, dass die Mammographie nicht bei allen Frauen gleich genau ist. Allgemein gilt: Je dichter das Brustgewebe, desto schwieriger ist die Mammographie zu beurteilen. Frauen, die oral verhüten oder sich einer Hormonersatztherapie unterziehen, haben meist ein dichteres Brustgewebe. Bei ihnen können häufiger zur Abklärung auffälliger Befunde Maßnahmen wie die Ultraschalldiagnostik oder eine kernspintomographische Untersuchung notwendig sein als bei Frauen, die keine Hormone nehmen. »Diese Verfahren sind wichtig als ergänzende Untersuchung«, erklärt Hiller. »Ersetzen können sie die Mammographie aber nicht, da für sie bislang nicht gezeigt werden konnte, dass sie das Risiko, an Brustkrebs zu sterben, verringern.« Auch sind die Qualitätsanforderungen nicht vergleichbar hoch wie bei der Mammographie.

Wichtig bei der Mammographie wie bei allen anderen Früherkennungsuntersuchungen ist: Die Teilnahme an dem Angebot ist freiwillig. Wer die Untersuchung nicht durchführen lässt, hat keine unangenehmen Folgen für den Versicherungsschutz zu fürchten.

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