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Stresstest

Corona-Krise setzt der Psyche zu

Kontaktverbote, Ausgehbeschränkungen, geschlossene Kitas und Schulen: Die Corona-Pandemie hat den sozialen Alltag in Deutschland seit mehr als einer Woche drastisch verändert. Für jeden Einzelnen bedeute das eine Belastung, die insbesondere für Menschen mit psychischen Erkrankungen auch gefährlich werden könne, mahnen Experten. Der Begriff Corona-Ferien treffe die Lage nicht.
PTA-Forum/dpa
31.03.2020  13:00 Uhr

Die Tübinger Psychologin Ursula Gasch, spezialisiert auf Notfälle, sieht die Lage für viele Menschen einengend: »Ich kann nicht mehr bestimmen, wie ich mich bewege, mit wem ich mich in einem Raum aufhalte. Das meiste ist jetzt vorbestimmt und geografisch limitiert.« Dazu befänden sich Familien plötzlich in einem ungewohnten und erzwungenem 24/7-Modus. Zugleich fehlten tägliche Routinen und Ausweichmöglichkeiten. Dazu kommt die Sorge um die eigene Gesundheit – nach Umfragen beschäftigt sie mehr als die Hälfte der Bundesbürger.

»Diese Lage birgt Konfliktpotenzial«, urteilt auch Iris Hauth, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Die übliche Reaktion auf Angst in der menschlichen Entwicklung sei: wegrennen oder kämpfen. »Das funktioniert hier aber beides nicht.«

Solche Situationen habe es bisher kaum gegeben. »Da haben wir auch keine Bewältigungsstrategien.« In Krisenplänen müsse deshalb unbedingt auch die psychische Belastung der Bevölkerung berücksichtigt werden, fordert Hauth. »Es geht um zeitnahe Angebote. Diese Pandemie ist nicht in drei Wochen abgehandelt.« Erfahrungen aus der chinesische Stadt Wuhan zeigten, dass dabei Krisentelefone helfen können.

Fachleute müssten sich darauf einstellen, dass sowohl eine Welle von Gesunden kommen werde, die plötzlich behandlungsbedürftige Ängste habe, sagt Psychiaterin Hauth. Dazu komme die Verschlechterung der Symptomatik von bereits psychisch Erkrankten. Diese zweite Gruppe benötige ein noch fester geknüpftes Hilfenetz.

Kurz und mittelfristig könne die Lage zu Angst und Schlafstörungen, aber auch zu Langeweile, Einsamkeit und Depression mit Gefühlen der Ausweglosigkeit führen, meint Psychologin Gasch. Wut, Ärger, Frustration und Verunsicherung böten Potenzial für Aggressionen und Suchtmittelmissbrauch – zu viel Alkohol oder Schlaf-, Schmerz- und Beruhigungsmittel.

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