Corona und Grippe nicht vergleichbar |
Christina Hohmann-Jeddi |
22.12.2020 11:00 Uhr |
Covid-19-Patienten haben den Forschern zufolge nicht nur ein erhöhtes Sterberisiko im Vergleich zu Grippe-Patienten haben, sie entwickeln auch mehr Komplikationen. / Foto: Adobe Stock/tomertu
Zum einen hat eine Gruppe französischer Forscher um Professor Dr. Lionel Piroth und Professor Dr. Catherine Quantin von der Universitätsklinik Dijon, Frankreich, die Daten von fast 90.000 hospitalisierten Covid-19-Patienten, die zwischen März und April 2020 erkrankt waren, analysiert. Diese Daten verglichen sie mit fast 46.000 Patienten, die zwischen Dezember 2018 und Ende April 2019 wegen saisonaler Influenza hospitalisiert worden waren. Die Sterberate lag bei den Covid-19-Patienten mit 16,9 Prozent um den Faktor drei höher als bei Influenza mit 5,8 Prozent. Das berichtet das Team im Fachjournal »The Lancet Respiratory Medicine«.
Ein größerer Anteil der Covid-19-Patienten musste intensivmedizinisch betreut werden im Vergleich zu den Influenza-Patienten (16,3 versus 10,8 Prozent). Sie mussten doppelt so häufig beatmet werden und ihr Aufenthalt auf der Intensivstation war doppelt so lang.
Ein etwas anderes Bild zeigte sich bei Kindern und Jugendlichen: Von den Personen unter 18 Jahren mussten deutlich weniger SARS-CoV-2-Positive im Krankenhaus behandelt werden als bei den Influenza-Infizierten. Einmal im Krankenhaus musste ein höherer Prozentsatz der Covid-19-Patienten unter fünf Jahren dagegen intensivmedizinisch betreut werden als bei den Grippepatienten. Die Sterblichkeit war in beiden Gruppen in dieser Altersgruppe gleich und sehr gering, heißt es in der Publikation.
In einer Mitteilung des Journals zur Studie sagt Quantin: »Unsere Studie ist die bislang größte, die die beiden Erkrankungen miteinander vergleicht und sie bestätigt, dass Covid-19 deutlich gefährlicher ist.«
Eine weitere Untersuchung aus den USA kommt zu anderen Zahlen, aber zum gleichen Ergebnis: Wie ein Team um Yan Xie von der Saint-Louis-Universität in Missouri berichtet, ist bei Covid-19 sowohl die Sterbe- als auch die Komplikationsrate deutlich höher als bei der saisonalen Grippe. Entsprechende Daten stellen die Forschenden im »British Medical Journal« vor. Auch sie hatten hospitalisierte Covid-19- mit hospitalisierten Influenza-Patienten verglichen. Als Datenbasis dienten 3641 Personen, die zwischen Februar und Mitte Juni 2020 aufgrund von einer SARS-CoV-2-Infektion im Krankenhaus behandelt werden mussten, sowie 12.676 Grippe-Patienten, die zwischen 2017 und 2019 stationär aufgenommen wurden.
Auch dieser Vergleich zeigt, dass bei Covid-19 die Sterblichkeit um den Faktor fünf erhöht war (Odds Ratio 4,97). Auch das Risiko, eine Beatmung zu benötigen, war um den Faktor vier und das Risiko, auf Intensivstation verlegt zu werden, um den Faktor 2,4 erhöht.
Während bei Grippe vor allem der Respirationstrakt angegriffen wird, sind bei Covid-19-Patienten mehr Schäden außerhalb der Lunge zu verzeichnen. So traten Nierenschäden bei Covid-19-Patienten um 50 Prozent häufiger auf (Odds Ratio 1,52) und eine Dialyse musste viermal so häufig begonnen werden. Sie benötigten häufiger Insulin (Odds Ratio 1,86) und erlitten vermehrt septische Schocks (Odds Ratio 4,04). Schon früh war vom neuen Coronavirus bekannt geworden, dass es auch die Blutgefäße schädigt. Dies führt zu einer verstärkten Rate an entsprechenden Komplikationen, wie sich in der Studie bestätigte. Lungenembolien traten um 50 Prozent, tiefe Venenthrombosen um 50 Prozent und Schlaganfälle um 62 Prozent häufiger bei Covid-19-Patienten auf. Im Vergleich zu Grippe-Patienten war bei ihnen das Risiko für einen Herzinfarkt um den Faktor 8 erhöht.
Zusammengenommen zeigen die Daten, dass Covid-19-Patienten nicht nur ein erhöhtes Sterberisiko im Vergleich zu Grippe-Patienten haben, schreiben die Forschenden. Sie entwickeln auch mehr Komplikationen und benötigten mehr Kapazitäten des Gesundheitswesens. Die Studie sollte die globale Diskussion zum Vergleich der beiden Erkrankungen mit Daten unterstützen, schreibt das Team.
Beide Studien vergleichen allerdings nur jeweils hospitalisierte Patienten von beiden Erkrankungen miteinander. Nicht berücksichtigt sind Infizierte ohne Symptome und mit milden Verläufen. Wenn diese mit einbezogen werden, lässt sich die sogenannte Infektionssterblichkeit (infection fatality rate) berechnen. Dies hat im September ein Team um Professor Dr. Andrew T. Levin vom Dartmouth College in Hanover, New Hampshire, getan und ebenfalls Covid-19 und die saisonale Grippe verglichen. Es zeigte sich, dass die Infektionssterblichkeit bei SARS-CoV-2 nicht um den Faktor drei bis fünf, sondern um den Faktor 10 höher ist als bei der Grippe.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.