Darm aus dem Gleichgewicht |
Die Wahrscheinlichkeit, auf einer Reise an Durchfall zu erkranken, ist auch vom Hygienestandard im Reiseland und der Reiseart abhängig. / Foto: Adobe Stock/x4wiz
Die Wahrscheinlichkeit, auf einer Reise an Durchfall zu erkranken, ist von mehreren Faktoren abhängig. Einer ist der Hygienestandard im Reiseland. Vor allem Reisen nach Afrika, Indien, Süd-Ost-Asien sowie Mittelamerika bergen die Gefahr, sich einen Magen-Darm-Infekt einzufangen. Das Durchfall-Risiko ist zudem von der Reiseart abhängig. Bei einer individuellen Rucksackreise liegt es höher als beispielsweise bei einer Pauschalreise in eine Hotelanlage. Doch auch Urlauber, die in sehr teuren Hotels unterkommen, sind nicht vor »Montezumas Rache« geschützt.
Die bei weitem häufigsten Auslöser einer Reisediarrhö sind Enterotoxin-produzierende Stämme von Escherichia coli. Andere Bakterienarten, wie Salmonellen, Ruhr- oder Choleraerreger spielen als Ursache eine untergeordnete Rolle. Zahlen zur Häufigkeit der Erkrankung sind schwierig zu erheben. Experten schätzen, dass etwa 40 Prozent der fernreisenden Urlauber mit Reisedurchfall zu kämpfen haben. In einer Studie lag die Häufigkeit von Durchfall-Erkrankungen bei Reisenden nach Indien und Kenia bei über 50 Prozent, bei Reisenden nach Jamaika und Brasilien hingegen bei zwölf beziehungsweise fünf Prozent.
Als Diarrhö bezeichnen Ärzte eine Erkrankung mit drei oder mehr ungeformten Stühlen pro Tag. Bei reisebedingten Durchfällen können zusätzlich Begleitsymptome wie Fieber, Bauchschmerzen, Blähungen, Übelkeit und Erbrechen auftreten. Meist beginnen die Beschwerden zwischen dem dritten und neunten Reisetag und dauern durchschnittlich drei bis fünf Tage an. Ein Zehntel der Betroffenen ist länger als eine Woche krank. Die Durchfälle sind in der Regel selbstlimitierend und verlaufen bei gesunden Erwachsenen ohne Komplikationen.
Für besondere Patientengruppen kann der starke Verlust von Flüssigkeit und Mineralstoffen jedoch zur Gefahr werden. Dies gilt für Säuglinge und Kleinkinder, Schwangere, ältere Menschen und chronisch Kranke. Schlimmstenfalls droht ein Kreislaufkollaps oder Nierenversagen. Doch auch wenn die meisten Durchfallerkrankungen ohne Komplikationen bleiben, stellen sie doch eine unangenehme Unterbrechung des Urlaubs dar, die jeder so schnell wie möglich überwinden möchte.
Die wichtigste Maßnahme bei (Reise-)Diarrhö ist die orale Rehydrierung. Sie verhindert mögliche Komplikationen, die durch den Wasserverlust entstehen. Die orale Gabe von Glucose-Elektrolyt-Trinklösung soll das verlorene Wasser und die Elektrolyte ersetzen und damit den Kreislauf stabilisieren. Der Zusatz von Glucose steigert die Natrium- und Wasseraufnahme.
Reisende sollten daher Glucose-Elektrolyt-Mischungen als Fertigarzneimittel im Gepäck haben. Wichtig ist, dass sie die angegebene Wassermenge genau einhalten, damit die Osmolarität der hergestellten Lösung stimmt und der Körper Wasser und Salze optimal aufnehmen kann. Die richtige Flüssigkeitsmenge für Menschen mit Durchfall liegt bei zwei bis drei Litern in Form von Elektrolytlösung, Tee, Brühe oder Wasser. Um den Magen-Darm-Trakt wieder an Lebensmittel zu gewöhnen, sind geriebener Apfel, pürierte Banane sowie Zwieback, Reis oder Kartoffeln empfehlenswert, da sie einen gewissen »stopfenden« Effekt haben.
Bei Reisediarrhö werden im Prinzip dieselben Arzneimittel eingesetzt wie bei Durchfällen, die durch »heimische« Viren ausgelöst werden. Loperamid hemmt die Darmmotilität und die Flüssigkeitssekretion. Durch die verlangsamte Transportgeschwindigkeit im Darm hat der Körper mehr Zeit, Wasser und Elektrolyte aufzunehmen, sodass der Stuhl fester wird. Die Anfangsdosis bei Erwachsenen beträgt vier Milligramm und danach zwei Milligramm nach jedem ungeformten Stuhlgang, bis zu maximal zwölf Milligramm pro Tag. Ohne ärztliche Untersuchung sollten Erwachsene Loperamid nicht länger als zwei Tage anwenden, Kinder unter zwölf Jahren, Schwangere und Stillende gar nicht. Loperamid steht in verschiedenen Zubereitungen zur Verfügung. Schmelztabletten haben den Vorteil, dass sie auch unterwegs leicht eingenommen werden können.
Ein weiteres Antidiarrhoikum ist der Sekretionshemmer Racecadotril. Sein aktiver Metabolit Thiorphan blockiert den Abbau der körpereigenen Enkephaline. Diese Substanzen hemmen im Gastrointestinaltrakt die Sekretion von Wasser und Elektrolyten. Wird ihr Abbau gestoppt, bleibt auch die übermäßige Abgabe von Wasser und Elektrolyten in den Darm unterbunden. Die Therapie beginnt bei Erwachsenen unabhängig von der Tageszeit mit zwei Hartkapsel à 100 Milligramm Wirkstoff. Vor den folgenden (Haupt-)Mahlzeiten ist dann jeweils eine Kapsel einzunehmen (maximal vier Kapseln pro Tag). Ab dem zweiten Behandlungstag nimmt der Patient dreimal täglich vor den Hauptmahlzeiten eine Kapsel, bis der Stuhl wieder geformt ist. Länger als drei Tage dürfen Patienten den Arzneistoff im Rahmen der Selbstmedikation nicht einnehmen. Kinder und Jugendliche ohnehin nur nach ärztlicher Verordnung. Racecadotril und Loperamid wirken etwa gleich stark.
Sie können die Therapie mit oraler Rehydrierungslösung ergänzen. Im Gegensatz dazu ist die Wirksamkeit von Adsorbentien wie Medizinalkohle und Adstringentien wie Gerbstoffen bei Diarrhö umstritten. Deswegen stehen sie bei Empfehlungen für die Reiseapotheke nicht an erster Stelle. Lange umstritten waren auch Probiotika in der Durchfalltherapie. Mittlerweile hat die angesehene Cochrane Collaboration jedoch nach Auswertung vieler Studien attestiert, dass probiotische Bakterien die Krankheitsdauer bei akutem Durchfall um durchschnittlich einen Tag reduzieren können.
Antibiotika spielen beim normalen Reisedurchfall keine Rolle. Sie kommen in der Regel erst ins Spiel, wenn die Erkrankung nicht von alleine abklingt. Dauert eine Durchfallerkrankung auf Reisen länger als vier Tage, geht sie mit Schmerzen, Fieber oder Blut/Eiter im Stuhl einher, geht es nicht ohne Arztbesuch,
Reisende können ihr Erkrankungsrisiko deutlich reduzieren, wenn sie ein paar einfache Regeln beachten. Zu Beginn des Auslandsaufenthaltes können einige Tage Ruhe helfen, damit sich der Körper an das Klima und gegebenenfalls an die Zeitumstellung gewöhnt Eine sorgfältige Hygiene im Umgang mit Nahrungsmitteln und Getränken, aber auch das regelmäßige Händewaschen – nicht nur nach dem Toilettengang – gehören zu den wichtigsten Maßnahmen.
Der alte Slogan »Boil it, cook it, peel it or forget it« dürfte unter Fernreisenden zwar bekannt sein, wird aber nicht immer beherzigt. Konkret heißt das, nur frisch gekochte, gebratene oder frittierte durchgegarte Speisen zu sich zu nehmen und Obst und Gemüse vor dem Verzehr zu schälen. Auf Leitungswasser, Eiswürfel sowie Speisen aus Straßenküchen sollten Reisende vollständig verzichten. Zum Trinken kommen nur abgekochtes beziehungsweise gefiltertes Wasser und daraus hergestellter Kaffee und Tee sowie abgepackte Getränke in Frage.
PTA und Apotheker können Kindern, Schwangeren, chronisch Kranken und Senioren, die in ferne Länder reisen, eine Prophylaxe mit Probiotika empfehlen. Sie senken das Risiko für eine Reisediarrhö zwar nur geringfügig, mildern aber die Schwere der Erkrankung.
Impfungen gibt es nur gegen schwerere Darminfektionen wie Cholera und Typhus. Reisende sollten entsprechende Impfempfehlungen vor dem Urlaub zum Anlass nehmen, sich impfen zu lassen.
Verstopfung durch im Urlaub veränderte Gewohnheiten, vergeht nach der Rückkehr von selbst. / Foto: Fotolia/animaflora
Reisende können unterwegs jedoch nicht nur an Diarrhö erkranken, sondern auch an Verstopfung. Bewegungsarmut – zum Beispiel bei Rundreisen mit dem Bus –, eine ballaststoffarme Ernährung oder eine unzureichende Flüssigkeitszufuhr führen bei entsprechender Disposition zu Verstopfung. Das wird verstärkt, wenn die übliche Zeit für den Toilettengang mit Aktivitäten verplant ist oder die hygienischen Bedingungen den persönlichen Ansprüchen nicht zusagen.
Eine akut auftretende Obstipation ist in der Regel eine harmlose Gesundheitsstörung, die von selbst wieder verschwindet, wenn die Reise beendet ist. Für Betroffene ist sie jedoch oft belastend und unangenehm, zumal, wenn sie mit Blähungen einhergeht. Laxanzien oder Klysmen sind dann eine gute Möglichkeit, das Urlaubs- und Wohlgefühl wiederherzustellen.
Empfehlenswert für die Reise ist vor allem Macrogol (Polyethylenglycol). Es wirkt rein physikalisch, indem es Wasser bindet und so zu einem Gel aufquillt. Dadurch weicht es den verhärteten Darminhalt auf. Die Volumenzunahme bewirkt zudem einen Dehnungsreiz, der die natürliche Darmbewegung stimuliert. Macrogol eignet sich auch für Schwangere und Kinder. Es verursacht praktisch keine Blähungen – ein Vorteil gegenüber mach anderem Laxans. Abführmittel wie Bisacodyl und Natriumpicosulfat hemmen die Wasser- und Natriumresorption aus dem Darmlumen durch Blockade der Na-K-ATPase und fördern den Einstrom von Wasser und Elektrolyten. Beide Effekte verflüssigen den Darminhalt und erhöhen dessen Volumen.
Bisacodyl ist ein Prodrug, das erst im Dickdarm in die eigentliche Wirkform überführt wird. Die Wirkung tritt nach oraler Gabe innerhalb von sechs bis zwölf Stunden ein. Zäpfchen wirken dagegen binnen etwa einer halben Stunde. Natriumpicosulfat erreicht fast unverändert den Dickdarm und wird erst dort durch die Darmbakterien in das wirksame Diphenol überführt. Die Wirkung tritt je nach Dosierung nach zehn bis zwölf Stunden ein. Natriumpicosulfat ist auch als flüssige Arzneiform erhältlich. Das erlaubt, die Dosis an die persönlichen Bedürfnisse anzupassen.
Osmolaxanzien, wie Laktose, Laktulose und Lactitol binden mittels osmotischer Kräfte Wasser im Darmlumen. Der Darminhalt wird weicher und nimmt an Volumen zu. Die genannten Zucker werden durch die Darmbakterien zu Säuren abgebaut, die die Peristaltik verstärken. Als Nebenwirkung können zu Beginn der Einnahme Blähungen auftreten. Manche Reisende bevorzugen bei Verstopfung ein Klistier, das Salzlösung und je nach Produkt gelöste Zucker oder Glycerin enthält und innerhalb von Minuten über osmotischem Weg eine Darmentleerung herbeiführt.
Wirkstoff | Produktbeispiele |
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Gegen (Reise)-Durchfall | |
Elektrolytmischungen zum Auflösen | Elotrans®, Oralpädon® |
Loperamid | Imodium®, Lopedium® |
Racecadotril | Vaprino® |
Probiotika | Perenterol® forte, Perocur® |
Gegen Obstipation | |
Macrogol | Dulcolax® M Balance, Movicol®, Laxofalk® |
Bisacodyl | Bekunis® Dragees, Drix®, Hemolax® |
Natriumpicosulfat | Agiolax® pico, Laxans-ratiopharm®, Laxoberal® |
Lactulose | Bifiteral® |
Einläufe | Klistier, Mikrolax® Rektallösung |
Quellmittel eignen sich als Abführmittel bei akuter Obstipation weniger. Sie haben ihren Platz eher in der Behandlung der chronischen Obstipation, denn ihre Wirkung entfaltet sich erst nach mehreren Tagen in vollem Umfang. Ungünstig gerade auf Reisen ist zudem, dass sie zu Beginn häufig Blähungen verursachen. Urlauber, die bereits früher die Erfahrung gemacht haben, dass sie auf Reisen zu Verstopfung neigen, können vorbeugen, indem sie für Bewegung, ballaststoffreiche Kost und ausreichend Getränke sorgen. Konkret kann das beispielweise heißen: Morgens ein wenig Gymnastik im Hotelzimmer machen, bewusst immer die Treppe statt den Fahrstuhl wählen oder in Besichtigungspausen spazieren gehen statt sich sofort in ein Café zu setzen. Wer zu Hause Vollkornbrot isst, sollte sich auch für die Reise ausreichend damit versorgen, denn in vielen Ländern sucht man auf dem Frühstücksbüffet vergeblich danach. Nicht vergessen: Eine Flasche Wasser gehört jeden Tag mit ins Tagesgepäck.
Text auf englisch lesen: Travel-related diarrhoea: First of all Water