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Praxisanleitung in der Apotheke

»Das gab es vorher nicht für PTA«

Erstmals existiert eine Richtlinie für die praktische PTA-Ausbildung, die bundesweit einheitliche Maßstäbe für die sechsmonatige Praxisphase setzt. Die Bundesapothekerkammer (BAK) war federführend beteiligt. Im Gespräch mit PTA-Forum erzählt Dr. Hannes Müller, der die Arbeit an der Richtlinie von Seiten des Geschäftsführenden Vorstandes der BAK begleitet hat, was sich ändert.
Juliane Brüggen
19.05.2022  14:00 Uhr

PTA-Forum: An der Erstellung der Richtlinie waren viele Stellen beteiligt: die Apothekengewerkschaft Adexa, der Bundesverband PTA (BVpta), die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG), der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA), die Apothekerkammern, die PTA-Schulen und die Bundesapothekerkammer. Wie hat die Zusammenarbeit funktioniert?

Müller: Das hat sehr gut funktioniert. Die Inhalte haben alle Beteiligten in mehreren Konferenzen ausgearbeitet, pandemiebedingt per Video. Die Geschäftsstelle hat hier gute Vorarbeit geleistet. Mit dem bereits bestehenden »Leitfaden für die praktische Ausbildung von Pharmazeuten im Praktikum in der Apotheke« hatten wir eine Basis für den Aufbau der Richtlinie. Bei PTA gab es natürlich einige Besonderheiten zu beachten. Komplett neu entwickelt wurde zum Beispiel die Praxisanleitung. Die Entwicklung der Richtlinie hat insgesamt etwa ein Jahr in Anspruch genommen.

PTA-Forum: Gab es viel Diskussionsbedarf?

Müller: Im Großen und Ganzen waren wir uns einig und haben inhaltlich gut zusammengearbeitet. Die Richtlinie haben wir einstimmig verabschiedet. Große Differenzen gab es nicht, aber natürlich hat der eine in manchen Dingen eine andere Auffassung als der andere, davon lebt die Diskussion.

PTA-Forum: Die Richtlinie ist die erste bundeseinheitliche Regelung der praktischen PTA-Ausbildung. Was sind wesentliche Punkte, die neu sind?

Müller: Ganz neu ist die Praxisanleitung, mit der die Ausbildenden 10 Prozent der Ausbildungsdauer verbringen sollen. Das bedeutet, die Theorie, also das in der Schule Erlernte, in die Praxis zu bringen und auf die Besonderheiten des Apothekenbetriebs zu übertragen. Dazu haben wir Arbeitsbögen entwickelt, die ein zentraler Bestandteil der Richtlinie sind – das gab es vorher nicht für PTA. Die Arbeitsbögen sind zweigeteilt: Ein Teil für Praxisanleiter, ein Teil für Auszubildende. Der Praxisanleiter erhält ein Schema, an dem er sich orientieren kann. Dabei haben wir uns für das 4-Stufen-Konzept entschieden: Erklären, Vormachen, Nachmachen, Üben. So kann die Anleitung Schritt für Schritt erfolgen und die Auszubildenden werden da abgeholt, wo sie stehen. Der Teil, der sich an die Auszubildenden richtet, enthält Aufgaben, die gelöst werden müssen, zum Beispiel zur Ausgangsstoffprüfung oder Rezepturherstellung.


Außerdem haben wir einen Musterausbildungsplan entwickelt, der zeigt, was in welchem Monat der Ausbildung gemacht werden sollte. Das soll dazu beitragen, dass das Ganze strukturiert abläuft und die Auszubildenden nicht überfordert werden. Bei den Lerngebieten hat sich durch das Reformgesetz nicht allzu viel geändert. Neu hinzugekommen sind zum Beispiel Qualitätsmanagement und Nutzung digitaler Technologien und Anwendungen der Apotheke.

»Die Richtlinie ist ein lebendes Papier.«
Dr. Hannes Müller, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstandes der Bundesapothekerkammer

PTA-Forum: Denken Sie, dass sich die Praxisanleitung leicht in den Apothekenalltag integrieren lässt? Laut Richtlinie sind bei einer Vollzeitstelle mindestens vier Stunden pro Woche vorgesehen.

Im Endeffekt nimmt die Praxisanleitung einen halben Arbeitstag pro Woche ein, also beispielsweise einen Vormittag oder Nachmittag. Ich denke, dass sich das gut integrieren lässt, vor allem, wenn die Arbeitsbögen genutzt werden. Die sind gut strukturiert und mit insgesamt 19 an der Zahl steht etwa einer pro Woche zur Verfügung. Praxisanleiter können die vier Stunden zum Beispiel füllen, indem sie mit dem Auszubildenden anhand der Arbeitsbögen die zu erlernenden Prozesse erarbeiten. 10 Prozent klingt viel, ein halber Tag pro Woche ist aber schnell rum.

PTA-Forum: Haben Sie das auch praktisch getestet?

Wir erproben das Ganze aktuell innerhalb der Arbeitsgruppe, es ist ja noch etwas Zeit bis die Richtlinie in Kraft tritt [Anm. d. Red.: Die Richtlinie gilt für alle angehenden PTA, die ab dem 1. Januar 2023 mit der Ausbildung beginnen]. Ich bin zuversichtlich, dass die praktische Umsetzung funktioniert. Die Richtlinie ist ein lebendes Papier, das nicht für alle Zeiten so bleiben muss. Wenn sich etwas als nicht praktikabel erweist, können wir es ersetzen oder überarbeiten.

PTA-Forum: Nicht nur Apotheker, auch PTA und andere Angehörige des pharmazeutischen Personals können die Praxisanleitung in der Apotheke übernehmen. Dazu wird im Gesetz neben einer zweijährigen Berufserfahrung eine pädagogische Zusatzqualifikation gefordert. Wie können PTA diese erhalten?

Müller: Apotheker sind aufgrund ihrer Approbation per se berechtigt sind, die Praxisanleitung durchzuführen und Mitarbeiter auszubilden. Für PTA und andere Angehörige des pharmazeutischen Personals wird hingegen im PTA-Reformgesetz eine pädagogische Zusatzqualifikation gefordert. Hintergrund ist, dass das in anderen Bereichen so etabliert ist, zum Beispiel in der Ausbildung von Pflegeberufen oder medizinisch-technischen Assistenten (MTA). Eine solche Zusatzqualifikation würde 300 Stunden umfassen. Die Bundesapothekerkammer und die Landesapothekerkammern haben entschieden, die Nachfrage abzuwarten. Sollte sich ein Bedarf ergeben, kann ein entsprechendes Angebot über die Kammern neu diskutiert werden. PTA sind unabhängig von der Praxisanleitung natürlich intensiv in die Ausbildung eingebunden. Schließlich lernen die Auszubildenden eine Menge von erfahrenen PTA, zum Beispiel in der Rezepturherstellung. Nur als offizieller Ausbilder, als Praxisanleiter, kann ohne die Zusatzqualifikation nur approbiertes Personal agieren.

»Der größte Fortschritt ist auf jeden Fall, dass wir über die Richtlinie eine bundeseinheitliche praktische Ausbildung haben.«
Dr. Hannes Müller, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstandes der Bundesapothekerkammer

PTA-Forum: Denken Sie, dass Apotheken die Richtlinie flächendeckend umsetzen werden?

Müller: Das ist zumindest meine große Hoffnung. Das Schöne ist ja, dass wir vom Gesetzgeber die Aufgabe bekommen haben, diese Richtlinie zu erarbeiten. Das war das erste Mal überhaupt, dass die Bundesapothekerkammer diese Kompetenz bekommen hat. Die Richtlinie ist zwar nicht verpflichtend in dem Sinne, dass keine andere Möglichkeit besteht, aber wenn eine Apotheke abweichen möchte, müsste sie das begründen und nachweisen, dass die Ergebnisse vergleichbar sind. Auch die angehenden PTA haben sicher ein Interesse daran, dass die Ausbildung dem standardisierten Schema folgt. Daher gehe ich davon aus, dass die meisten Apotheken sich an die Richtlinie halten werden. Die Materialien stehen allen zur Verfügung. Wir müssen darauf hinarbeiten, dass die Richtlinie bekannt wird und auch die Nachfrage entsteht, die Ausbildung entsprechend umzusetzen. Nicht zuletzt ist auch die PTA-Schule involviert, da der Ausbildungsplan mit ihr abgestimmt werden muss.

PTA-Forum: Wie sieht die Kooperation zwischen Ausbildungsapotheke und PTA-Schule genau aus?

Müller: Grundsätzlich ist vorgegeben, dass die Apotheke die PTA-Schule kontaktiert, um den Ausbildungsplan abzustimmen. Wenn man sich an der Richtlinie orientiert, wird es wenig Diskussionsbedarf geben. Berücksichtigt eine Apotheke die Anmerkungen der PTA-Schule zum Plan nicht, sollte sie dies begründen. Generell hat der Gesetzgeber mit dieser Regelung eine engere Zusammenarbeit der PTA-Schulen mit der Ausbildungsapotheke bezweckt. Die weitere Ausgestaltung wird sich davon ausgehend sicher entwickeln.

PTA-Forum: Was ist für Sie der größte Fortschritt und wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?

Müller: Der größte Fortschritt ist auf jeden Fall, dass wir über die Richtlinie eine bundeseinheitliche praktische Ausbildung haben. Vorher war die praktische Ausbildung individuell sehr unterschiedlich. Nun haben wir standardisierte Inhalte und können sicherstellen, dass die Auszubildenden alle das Gleiche gelernt haben. Auch dass die PTA-Schulen in die praktische Ausbildung eingebunden sind und eine Einflussmöglichkeit haben, ist wichtig. Ob noch weiterer Handlungsbedarf besteht, wird sich zeigen, wenn die Richtlinie in der Praxis genutzt wird.

PTA-Forum: Vielen Dank für das Gespräch!

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