Das ideale Mittel gibt es nicht |
Die langfristige Einnahme von Benzodiazepinen in niedriger Dosierung kann in bestimmten Fällen akzeptabel sein. »Bei manchen älteren Menschen ist der Nutzen fraglich, das gewohnte, niedrig dosierte Arzneimittel um jeden Preis zu entziehen«, sagt Professor Dr. Rainer Rupprecht gegenüber PTA-Forum. / Foto: Adobe Stock/Cliplab
Grundsätzlich ist Angst lebenswichtig. Doch zu viel Furcht schadet. »Patienten sollten sich Hilfe holen, wenn ihre Ängste das Leben beherrschen«, sagt Professor Dr. Rainer Rupprecht, Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie und Psychotherapie und Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Regensburg gegenüber PTA-Forum. »Krankhafte Angst erkennt man daran, dass sie der Situation nicht mehr angemessen ist, dauerhaft oder länger als nötig anhält und die Lebensqualität und soziale Beziehungen einschränkt.«
Bei der Behandlung kommen sowohl psychotherapeutische Maßnahmen als auch eine Pharmakotherapie zum Einsatz. »Anxiolytika, also angstlösende Medikamente, sind Mittel der Wahl, wenn die Angsterkrankung unkompliziert ist, etwa bei einer generalisierten Angststörung oder Panikstörung«, sagt Rupprecht. Ganz ohne Therapie geht es aber in den seltensten Fällen. »Auch bei medikamentöser Behandlung sollte ein gewisses Maß an Psychoedukation gewährleistet sein«, erklärt der Experte.
Zur Behandlung von Angststörungen haben Arzneimittel aus verschiedenen Substanzgruppen eine Zulassung. Dazu gehören die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Citalopram, Escitalopram, Paroxetin und Sertralin sowie die Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) Duloxetin und Venlafaxin. Weitere Optionen sind trizyklische Antidepressiva (TZA) wie Clomipramin oder Opipramol, der Calciumkanal-Modulator Pregabalin, Buspiron sowie Moclobemid. Auch Benzodiazepine haben nach wie vor einen recht hohen Stellenwert.
Wichtig vor jeder Pharmakotherapie ist die Aufklärung des Patienten. Dazu kann die PTA in der Apotheke beitragen. Bei SSRI und SNRI ist der Hinweis sinnvoll, dass die Mittel erst mit einer Latenz von etwa zwei Wochen wirken. Als Nebenwirkungen sind in den ersten Tagen Unruhe und Schlaflosigkeit zu nennen, mit Absetzphänomenen wie Schwindel, Schlafstörungen und gastrointestinalen Symptomen ist zu rechnen, wenn Patienten die Einnahme abrupt beenden. Absetzphänomene sind eine Folge davon, dass sich der Körper an die Pharmakotherapie angepasst und die Anzahl der Serotoninrezeptoren reduziert hat. Günstig an den SSRI und SNRI ist, dass die Mittel keine Abhängigkeit verursachen, es einen ausreichenden Wirksamkeitsnachweis durch klinische Studien für alle Angststörungen gibt und sie selbst bei Überdosierung relativ sicher sind. Ein Nachteil speziell bei den SSRI ist eine mögliche sexuelle Dysfunktion bei Langzeitbehandlung.
Pregabalin punktet damit, dass die Wirkung rasch eintritt. Einen Wirksamkeitsnachweis gibt es allerdings nur für die generalisierte Angststörung. Als unerwünschte Wirkungen sind unter anderem Sedierung, Schwindel und ebenfalls Absetzphänomene zu nennen.
Auch TZA machen nicht abhängig und es gibt ausreichende Wirkungsnachweise aus klinischen Studien. Für andere Trizyklika (Imipramin, Desipramin) ist die Evidenz weniger gut abgesichert. Die Substanzen bringen anticholinerge und kardiovaskuläre Nebenwirkungen mit sich, Patienten können unter Einnahme an Gewicht zunehmen. Auch sie wirken erst mit einer Latenzzeit, das Gleiche gilt für Opipramol.