Das Problem langfristig lösen |
Isabel Weinert |
08.02.2023 08:00 Uhr |
Müßig für PTA, schwierig für Patienten – Lieferengpässe bereiten Apothekenteams deutlich mehr Arbeit. / Foto: PZ/Alois Müller
Rollt man die Geschichte ganz von vorne auf, dann begann alles mit Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen vor vielen Jahren. Rabattverträge für Generika erhielten stufenweise Einzug. Ein Vorgehen, das schon damals zu leidigen Diskussionen mit verunsicherten Patienten führte, die nicht verstanden, warum sie nun ein Medikament bekamen, das zwar wirken sollte wie ihr gewohntes, dabei aber doch ganz anders aussah. Die Maßnahmen sparen zwar jährlich tatsächlich vier bis fünf Milliarden Euro ein, hatten und haben aber auch Konsequenzen außerhalb der Apothekenbetriebsräume.
Arzneimittelherstellern wurde der Produktionsstandort Deutschland zu teuer, weil sie – durch die Sparmaßnahmen reglementiert – nicht mehr genug verdienten. Also vergaben sie Herstellungsprozesse an Subunternehmen in Fernost, bevorzugt nach Indien und China. Das gilt vor allem auch für einige der wichtigsten, weil potenziell lebensrettenden Medikamentengruppen, darunter etliche Antibiotika. Die Crux: Hat eines der Herstellungsländer ein Problem, wie etwa China, wo infolge der Null-Covid-Politik Produktionsstätten lahmlagen, kann das in Deutschlands Apotheken die ordnungsgemäße Versorgung mit Arzneimitteln erschüttern. Ein weiteres Beispiel dafür ist die »Sartan-Krise« 2018. Aufgrund von Verunreinigungen in Fertigpräparaten entstanden massive Lieferschwierigkeiten, in deren Folge etliche Arzneistoffe aus dieser Gruppe nicht mehr zu bekommen waren.
Der Vizevorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), Dr. Hans-Peter Hubmann, nennt als wesentliche Gründe für die derzeitig massiven Lieferengpässe die Verminderung der Produktionsvielfalt in Europa sowie Lieferkettenabrisse, etwa auch durch die Sperrung von Häfen im Laufe der Pandemie.
Manchmal liegt das Problem aber auch im Inland, schreibt die Pharmazeutische Zeitung. Da gebe es plötzlich neue Anforderungen an den Zucker, der Fiebersäften beigefügt wird. Die Zuckerproduzenten können den neuen Bestimmungen nicht ad hoc nachkommen, und dann fehlt es erst einmal daran, so dass das Arzneimittel nicht fertiggestellt werden darf. Auch ein Mangel an Grundstoffen für Verpackungen, wie etwa Aluminium oder Pappe und Papier, sorgt dafür, dass ein Arzneimittel nicht hergestellt werden kann, selbst wenn der Arzneistoff vorhanden ist. »Wir bekommen derzeit nur schwer Blister-Material, Papier für die Umkartons, bedruckte Tuben oder Flaschen – all das führt zu Wartezeiten, schlimmstenfalls auch dazu, dass Anbieter sich aus dem Markt zurückziehen«, erklärte Philipp Zöller, Geschäftsführer der Firma Infectopharm, in einem Interview mit der Pharmazeutischen Zeitung.
All das führt zu der jetzigen Situation, zu der Thomas Benkert, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), auf dem diesjährigen Pharmacon in Schladming sagte: »Leidtragende der Lieferengpässe sind zunächst die Patientinnen und Patienten, die ihre benötigten Arzneimittel nicht bekommen und umgestellt werden müssen. Aber auch uns Apothekerinnen und Apotheker belasten die Lieferengpässe: Wir haben einen Versorgungsauftrag und selbstverständlich wollen wir unsere Patientinnen und Patienten bestmöglich versorgen. Unser Aufwand bei Lieferengpässen ist immens! Und er hat nur in den seltensten Fällen mit Pharmazie zu tun.«