Das Phänomen der Sommerbabys |
Ein Trend, den sich Forscher nicht erklären können: In den letzten 40 Jahren werden Kinder zunehmend im Sommer geboren. Bis in die 70er-Jahre dagegen gab es die meisten Geburten im Frühjahr. / Foto: Fotolia/rasstock
2019 wurden im geburtenstärksten Monat Juli im Schnitt rund 20 Prozent mehr Kinder pro Tag geboren als im geburtenarmen Dezember: Im Juli waren es durchschnittlich 2344 Geburten pro Tag, im Dezember 1935. Noch bis in die 1970er-Jahre hinein sah die Verteilung anders aus: Damals waren Februar, März und April die stärksten Monate.
Dass in früheren Zeiten die meisten Kinder im Frühjahr geboren wurden, werde von manchen Experten damit erklärt, dass die Gesellschaft stärker von der Landwirtschaft geprägt und von der Erntesaison beeinflusst war, sagt Sebastian Klüsener, Leiter des Forschungsbereichs Demografischer Wandel und Alterung am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB).
War im Sommer abzusehen, dass die Ernte gut ausfällt, konnte man sich ein weiteres Kind leisten, das neun Monate später zur Welt kam – im Frühjahr. Sex vor der Ehe war außerdem stärker tabuisiert. Daher wurden mehr Kinder nach der Hochzeit gezeugt. Und geheiratet wurde häufig im Sommer.
Der Wechsel vom Frühjahrs- zum Sommerhoch begann in Deutschland dann auch in einer Zeit, in der Tradition hinterfragt und Sexualität enttabuisiert wurde. In den 60er-Jahren kam die Pille auf den Markt, auch der Zugang zu anderen Verhütungsmethoden wurde erleichtert, wie Joshua Wilde vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung erklärt. Der Anteil ungewollter Schwangerschaften nahm ab, Geburten wurden planbarer. Allerdings: Studien zufolge würden sich die meisten Eltern eine Geburt im Frühjahr oder Frühsommer wünschen, sagt Wilde.
Mehr Planung müsste also eigentlich zu noch mehr Geburten in Februar, März und April führen und das Frühjahrshoch sogar noch verstärken. Solche Widersprüche tauchen immer wieder auf, wenn man sich Theorien zu den Geburtenzahlen anschaut. »Es gibt all diese Erklärungen«, sagt Wilde. Aber keine scheine wirklich gut mit den Daten in Einklang zu bringen zu sein.