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Psyche und Immunsystem

Dauerstress schwächt die Abwehrkräfte

Sichere Bindungen schützen vor Belastung

Aber nicht nur körperliche Gewalt kann Kinder traumatisieren. »Missbrauch fängt schon viel früher an«, betont Schubert – etwa bei angstschürendem Verhalten der Eltern, übertriebenem Leistungsdruck oder seelischer Vernachlässigung. Nachgewiesen sei aber ebenso, dass sich stressbedingte Entgleisungen des Immunsystems wieder einregulieren können. Eine sichere familiäre Bindung und soziale Unterstützung schütze Kinder davor, dass psychische Belastungen das Stresssystem dauerhaft aus dem Lot bringen. So belegen Studien beispielsweise, dass Kinder von geschiedenen Eltern im Erwachsenenalter zwar insgesamt eine geringere Widerstandskraft gegen Erkältungsviren besitzen. Hatten es die Bezugspersonen jedoch trotz Trennung geschafft, miteinander im Gespräch zu bleiben, sank das Infektionsrisiko der erwachsenen Kinder auf das Niveau von Vergleichspersonen mit einem intakten Elternhaus.

Stärkend auf das Immunsystem wirkt sich nach Schuberts Erkenntnis alles aus, was die Resilienz fördert – also die Stressresistenz. »Dazu gehört beispielsweise das Gefühl, eine Situation unter Kontrolle zu haben, Selbstwirksamkeit, soziale Einbindung und eine optimistische Grundeinstellung«, führt der Arzt und Psychologe aus. Auch Religiosität scheint eine Rolle zu spielen: So kam eine Studie aus den USA zu dem Ergebnis, dass regelmäßige Kirchgänger im Schnitt eine um 25 Prozent höhere Lebenserwartung und niedrigere Entzündungswerte haben. »Alles, was der Psyche guttut, stärkt das Immunsystem«, ist Schubert überzeugt.

In Studien hat sich insbesondere die Achtsamkeits-basierte Stressbewältigung (Mindfulness-Based Stress Reduction, MBSR) bewährt. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2016 belegt, dass MBSR Entzündungsmarker im Blut verringert, die zellvermittelte Immunität verbessert und die Zellalterung bremst. Hilfreich zur Reduktion von chronischem Stress sind nach Schuberts Erfahrung außerdem Hypnose oder Autosuggestion sowie Psychotherapie.

Auch Gefühle können »unter die Haut gehen« und die Krankheitsanfälligkeit beeinflussen. Positive Emotionen wie Freude, Dankbarkeit und Stolz können das Immunsystem stärken. Einen positiven Einfluss hat einer neuen Untersuchung zufolge vor allem die Fähigkeit, eine Vielfalt von Gefühlen zu erleben und diese auszudrücken. Je mehr unterschiedliche Emotionen Studienteilnehmer am Ende eines Tages protokolliert hatten, desto geringere Werte der Entzündungsmarker Interleukin-6, CRP (C-reaktives Protein) und Fibrinogen fanden die Forscher später in ihrem Blut. Halten negative Gefühle wie Wut oder Angst dagegen länger an, schwächen sie das Immunsystem, berichtet Schubert: »Dann führen sie zu chronischem Stress und zu einem Anstieg der Cortisol-Ausschüttung.« Als wirkungsvolle Intervention, um das Stresssystem zu beruhigen, hat sich in Studien das expressive Schreiben erwiesen. Dabei notierten und reflektierten die Teilnehmer täglich emotionale Belastungen.

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