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Gemeiner Stechapfel 

Dekorativ und giftig

Die grünen stacheligen Samenkapseln sind namensgebend für den Gemeinen Stechapfel (Datura stramonium). Er wird auch Weißer Stechapfel genannt, was auf die Blütenfarbe zurückzuführen ist. Viele Vergiftungen mit der Pflanze beruhen auf einer Einnahme als Rauschmittel wegen seiner halluzinogenen Wirkung – keine gute Idee, denn bereits geringe Mengen sind äußerst giftig und können Herz und Kreislauf lebensbedrohlich belasten. 
Julia Endris
10.11.2020  15:30 Uhr
Nach der stacheligen ovale Kapselfrucht  wurde der Gemeine Stechapfel benannt. Mit Äpfeln hat das Nachtschattengewächs jedoch nichts zu tun. / Foto: Adobve Stock/Orest Lyzhechka
Die meist weißen trichterförmigen Blüten stehen immer einzeln und aufrecht oder waagrecht ab. Letzteres unterscheidet sie vom Trompetenbaum, dessen ähnlich aussehende Blüten immer nach unten hängen. Nachts duften die Blüten stark, um Nachtfalter zur Bestäubung anzulocken. / Foto: Adobe Stock/zayacsk
Ist die Kapselfrucht des Stechapfels reif, wird sie braun und platzt auf. Dann entlässt sie rund 300 nierenförmige Samen nach draußen, um ihren Fortbestand zu sichern.  / Foto: Adobe Stock/Genaro Diaz Melendrez
Hier ein Gemeiner Stechapfel vor einem Maisfeld mit zahlreichen grünen Stechäpfeln. Die Blätter hängen etwas wegen der Trockenheit, die Stechäpfel nicht. / Foto: Adobe Stock/Genaro Diaz Melendrez
Dies ist die seltene violette Blütenvariante von Datura stramonium, wie der Gemeine Stechapfel botanisch heißt.  / Foto: Adobe Stock/Karin Jähne

Botanik und Bestimmung

Der Gemeine Stechapfel gehört zur Familie der Nachtschattengewächse (Sonanaceae). Die einjährige, krautige Pflanze mit ihren meist weißen trichterförmigen Blüten wächst breit buschförmig und wird in einem Jahr 40 bis 120 Zentimeter hoch, manchmal bis zu 2 Meter. Sowohl die Blüten als auch die Blätter stehen aufrecht. Die Blüten öffnen sich abends und verströmen einen starken süßlichen Duft, um Nachtfalter zur Bestäubung anzulocken. Die unteren Blütenkelche sind wie die Stengel hellgrün und kurz gestielt. Die grünen ovalen Kapselfrüchte sind dicht mit grünen Stacheln besetzt und erinnern an die grüne Samenhülle einer Rosskastanie. Bei Fruchtreife wird die viergeteilte Samenkapsel des Stechapfels braun und springt auf. Jeder einzelne Stechapfel enthält etwa 300 dunkelbraun bis schwarze nierenförmige Samen. Die dunkelgrünen Blätter sind oval, an den Rändern spitz zulaufend und stark gelappt. Die Stengel der Pflanze sind so stabil, dass sie zuweilen bis in den Winter ohne Blätter, aber mit den reifen Samenkapseln aufrecht stehen bleiben.

Vorkommen und Verbreitung

Die Herkunft des gemeinen Stechapfels ist umstritten: Nord- und Mittelamerika kommen ebenso in Frage wie Asien. Sicher ist jedoch, dass der Weiße Stechapfel im 16. Jahrhundert nach Europa eingeführt wurde.

Der Gemeine Stechapfel bevorzugt einen sonnigen, möglichst stickstoffhaltigen Standort. Als Zierpflanze wird er in Gärten und Parks gepflanzt, wegen seiner starken Giftigkeit geschieht das jedoch immer seltener. Auch als Ackerunkraut, an Flussufern oder als Eroberer von Brachflächen trifft man auf die buschig wachsende Pflanze.

Gifte und Gefahren

Alle Pflanzenteile des Gemeinen Stechapfels sind bei der Einnahme giftig, vor allem aber die Samen und Wurzeln enthalten Tropan-Alkaloide (S)-Hyoscyamin/Atropin und Scopolamin. Die Gifte entfalten peripher parasympatholytische (anticholinerge) Wirkung, also eine dämpfende und lähmende Wirkung auf die glatte Muskulatur. Sie heben die Effekte von Acetylcholin bei der Reizweiterleitung an den Neuronen durch einen kompetitiven Antagonismus auf. In der Medizin findet Atropin deshalb Verwendung, um den Parasympathikus zu blockieren. Auf das Zentrale Nervensystem, wirken die Alkaloide des Stechapfels erregend bis lähmend.

Die Symptome sind ähnlich wie bei der Vergiftung mit der Tollkirsche. Zunächst treten eine Rötung des Gesichts, Trockenheit der Schleimhäute, eine Pupillenerweiterung und Sehstörungen auf. Fortschreitend kann es zu Harnretention, Verstopfung, Hyperthermie, Herzrasen, Halluzinationen bis hin zu Fieber, Krämpfen, Koma sowie Atem- und Herzstillstand kommen. Der Kontakt der Pflanzenteile mit der Haut kann bei empfindlichen Menschen zu Hautreizungen führen.

Rund 90 Prozent der Vergiftungen sind die Folge einer missbräuchlichen Einnahme als Rauschmittel aufgrund seiner halluzinogenen Wirkung. Doch bereits ab 0,3 Gramm kann es zu Sinnenstäuschungen, Übelkeit, Erregung, Sehstörung und Atemlähmung kommen.

Grad der Gefährlichkeit

stark giftig

Vergiftung, was tun?

Beim Verdacht einer Vergiftung mit dem Gemeinen Stechapfel sind häusliche Maßnahmen nicht angezeigt. Es ist stets eine umgehende Vorstellung beim Arzt notwendig.

Meist zeigen sich die Symptome einer Vergiftung neurologisch, aber auch das Herz-Kreislauf-System kann betroffen sein. Die Vergiftungssymptome können symptomatisch behandelt werden: Kurz nach der Giftaufnahme sollte Erbrechen ausgelöst, Kohle gegeben oder der Magen gespült werden. Bei manifester Symptomatik sind physikalische Maßnahmen zur Temperatursenkung notwendig. Bei schweren zentralnervösen Symptomen steht Physostigminsalicylat (Anticholium®) als Antidot zur Verfügung.

Umgehend einen Arzt aufsuchen, im Zweifel den Giftnotruf anrufen.

Gut zu wissen

Zubereitungen und Extrakte aus dem Stechapfel werden heute kaum noch verwendet. Früher wurden sie wegen ihrer krampflösenden Wirkung zum Beispiel bei Asthma (Asthmazigaretten, Asthmapulver) und weiteren Atemwegserkrankungen eingesetzt.

Das pupillenerweitende Alkaloid Atropin wird noch heute diagnostisch und therapeutisch in der Augenheilkunde verwendet, allerdings wird es mittlerweile synthetisch hergestellt.

Einige Völker haben den Gemeinen Stechapfel als Heil- und Rauschmittel eingesetzt. Da alle Pflanzenteile des Stechapfels stark giftig sind, wird vom Gebrauch jedoch dringend abgeraten. Psychische Wirkungen sind erst in einem Stadium zu erwarten, bei dem Herz und Kreislauf maximal überlastet sind, Bewusstlosigkeit oder tödliche Atemlähmung drohen.

Die enthaltenen Alkaloide Hyoscyamin, Atropin und Scopolamin lösen neben Halluzinationen auch Gefühle des Fliegens aus und verändern die Haut- und Körperwahrnehmung. Das führte im Mittelalter zur Verwendung der Pflanze in sogenannten Hexen- oder Flugsalben. Auch eine aphrodisierende Wirkung wurde der Pflanze nachgesagt.

Auch magische Kräfte wurden der Pflanze nachgesagt. So sollte der gemeine Stechapfel Flüche auflösen können, wenn Pflanzenteile im Haus des Fluchopfers ausgestreut werden. Auch sollte er vor bösen Geistern sowie vor Schlaflosigkeit schützen. 

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