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Tropenkrankheiten

Denguefieber in Europa auf dem Vormarsch

Zu den häufigsten und weltweit verbreitetsten Infektionskrankheiten gehört das Denguefieber. Zwar gilt die Erkrankung als relativ harmlos, es ereignen sich jedoch mitunter schwere Verläufe mit tödlichem Ausgang. Wer gefährdete Gebiete bereist, sollte die Gefahr kennen und sich entsprechend schützen. Gegenwärtig gibt es weder eine zuverlässige Impfung noch eine kausale Therapie.
Edith Schettler
12.11.2019  16:30 Uhr

Die auch als Knochenbrecher-Fieber bekannte Krankheit tritt rund um den Globus in tropischen und subtropischen Regionen auf. Selbst die Inseln in den Ozeanen hat der Erreger bereits erobert. Auch in beliebten Urlaubsländern wie der Dominikanischen Republik, Ägypten und Thailand gibt es immer wieder Ausbrüche. Weltweit erkranken jährlich nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zwischen 50 und 100 Millionen Menschen, davon etwa 1 Prozent schwer. 22.000 Patienten überleben die Krankheit nicht, meist Kinder. Die WHO berichtet von einem weltweiten Anstieg der Fallzahlen und führt diesen sowohl auf die Globalisierung als auch auf die Klimaerwärmung zurück.

Das Dengue-Virus ist ein Flavivirus und gehört zur Gruppe der Arboviren (arthropod-borne, in Gliederfüßern geboren), die durch Insekten übertragen werden. Vier verschiedene Vierusstämme rufen das Denguefieber hervor, wobei jeder Stamm für sich nach überstandener Krankheit eine spezifische Immunität hinterlässt. Theoretisch wäre es also möglich, viermal an Denguefieber zu erkranken. Das Fatale ist jedoch, dass mit überstandener Erstinfektion die nachfolgenden Erkrankungen sehr viel schwerer verlaufen und in jedem zweiten Fall zum Tode führen. Die Gefahr besteht vor allem in den ersten fünf Jahren nach der Infektion. Die erste Erkrankung verläuft meist harmlos, in einer Vielzahl der Fälle sogar symptomlos. Tropenmediziner raten deshalb Reisenden, die bereits eine Dengue-Infektion durchgemacht haben, wegen des hohen Risikos von weiteren Reisen in Endemiegebiete ab.

Überträger für das Virus sind verschiedene Stechmücken der Gattung Aedes, die vor allem tagaktiv sind. Eine Hauptrolle spielt dabei die Ägyptische Tigermücke, Aedes aegypti. Auch Asiatische Tigermücken (Aedes albopticus) gelten als mögliche Überträger. In Zeiten, in denen es genügend Wasser gibt, also in und nach der Regenzeit, vermehren sich diese Insekten stark, denn die Weibchen legen ihre Eier im Wasser ab. Dabei genügt ihnen schon eine winzige Menge, wie beispielsweise eine Pfütze in einer hohlen Kokosnuss. Hohe Umgebungstemperaturen begünstigen die Entwicklung der Dengue-Viren in den Mücken, so dass immer wieder lokale Epidemien aufflammen.

Die Temperatur entscheidet ebenfalls darüber, wo sich die Mücke verbreitet. Sie können sich nur in Regionen vermehren, in denen auch im Winter mindestens 10° Celsius herrschen. Das entspricht gegenwärtig etwa dem Gebiet zwischen 30. nördlichen und dem 20. südlichen Breitengrad. Im Zuge der weltweiten Erwärmung breitet sich diese Zone immer weiter nach Norden und Süden aus, so dass die Insekten auch in Ländern der gemäßigten Klimazone Fuß fassen können. So gilt die portugiesische Atlantikinsel Madeira seit dem Jahr 2007 als Endemiegebiet, im Jahr 2010 gab es die ersten autochthon (das bedeutet »am Ort«) übertragenen Fälle von Denguefieber in Kroatien und Frankreich.

Im Jahr 2012 wurden die ersten Asiatischen Tigermücken auf Mallorca entdeckt, 2016 in Großbritannien. Forscher haben berechnet, dass die Insekten in den Jahren zwischen 2030 und 2050 in weiten Teilen Europas die nötigen Lebensbedingungen vorfinden werden. Kalte Winter können die Mücken im Ei-Stadium überdauern. 

Siebentage- oder Dandy-Fieber

Innerhalb von 3 bis 14 Tagen nach dem Stich einer infizierten Mücke bricht die Krankheit beim Menschen aus. Sie erinnert zunächst in den Symptomen an eine Virusgrippe oder einen grippalen Infekt. Die Patienten bemerken Kopf- und Gliederschmerzen, sie fiebern zum Teil stark mit Schüttelfrost und entwickeln ein Exanthem. Diese Symptome bezeichnen Mediziner als klassische Dengue-Trias. In unkomplizierten Fällen nimmt das Fieber einen typischen sattelförmigen Verlauf und hält sieben Tage an. In 96 bis 98 Prozent der Fälle klingt die Erkrankung ab, der Patient erholt sich wieder. Die Rekonvaleszenzphase, die Zeit bis zur vollständigen Genesung, kann über Monate andauern.

In wenigen Fällen jedoch nimmt die Krankheit einen schweren Verlauf und tritt als Dengue-Hämorrhagisches Fieber (DHF) oder Dengue Shock Syndrome (DSS) in Erscheinung. Zwei bis sechs Tage nach Krankheitsbeginn verschlechtert sich der Zustand des Patienten dramatisch, er erleidet einen Kreislaufkollaps, zerebrale Krampfanfälle und generalisierte Blutungen. 1 bis 5 Prozent der Erkrankten, während mancher Epidemien bis zu 15 Prozent, überleben dieses Stadium nicht. In allen anderen Fällen besteht nach der Erkrankung eine lebenslange Immunität gegen den krankheitsauslösenden Stamm. Bei einer Zweitinfektion mit einem anderen Virustyp sind diese Antikörper jedoch nicht in der Lage, die Erreger zu neutralisieren, sondern verstärken die Infektion. Sie bilden zwar mit dem Virus Komplexe, der Körper erkennt sie wegen des Antikörper-Anteils aber nicht als fremd. Makrophagen nehmen die Komplexe auf, wodurch das Virus sie effizient infizieren kann. Als Ergebnis steigt die Vermehrung des Virus sowie das Risiko für schweres Dengue-Fieber.  Dieser spezielle Verlauf trägt die Bezeichnung »Antibody-dependent enhancement of infection« oder ADE.

Die Bezeichnungen »Dandyfieber« oder »Knochenbrecher-Fieber«, die manchmal vor allem in der älteren Literatur auftauchen, weisen auf die starken Muskel-, Gelenk- und Knochenschmerzen hin, die es den Patienten oft nicht möglich machen zu stehen oder zu gehen. Die Kranken benutzten möglicherweise einen Stock, auf den sie sich stützten und erinnerten damit an den englischen Dandy.

Impfen oder lieber nicht

Eine kausale Therapie für das Denguefieber gibt es nicht, es kommen vorwiegend Arzneimittel zur Schmerzbehandlung und Fiebersenkung zum Einsatz. Acetylsalicylsäure ist wegen der erhöhten Blutungsneigung kontraindiziert. Die Erwartungen waren deshalb groß, als die Firma Sanofi Pasteur mit Dengvaxia® im Jahr 2015 den ersten Impfstoff auf den Markt brachte. Der tetravalente Lebendimpfstoff kam zuerst in Mexiko zum Einsatz. Leider erwies sich der Erfolg der Impfung abhängig davon, ob der Impfling bereits im Vorfeld Kontakt mit Dengue-Viren hatte. In den Fällen, in denen der Patient vor der Impfung noch nie mit den Erregern in Berührung gekommen war, verstärkte sich nach der Impfung beim Erstkontakt mit den Wildviren die Infektion im Sinne eines ADE und nahm damit einen schweren Verlauf. Der Impfstoff eignet sich deshalb nicht als Reiseimpfung. Die Zulassung ist auf Personen beschränkt, die bereits eine laborchemisch-bestätigte Dengue-Infektion durchlaufen haben, und in einem Endemiegebiet leben.

Für Reisende in Endemiegebiete ist aus diesen Gründen ein konsequenter Mückenschutz unerlässlich. Die Mücken sind tag- und nachtaktiv und vor allem in der Dämmerung unterwegs. Synthetische Repellentien mit einem Gehalt von mindestens 20 Prozent N,N-Diethyl-m-toluamid (DEET) zum Auftragen auf die Haut haben sich als sehr zuverlässig erwiesen. In Kombination mit Alkohol steigt die perkutane Resorption, deshalb sollten Reisende alkoholfreie Produkte bevorzugen.

DEET verringert die Wirksamkeit von Sonnencremes um etwa ein Drittel, Sonnencremes wiederum erhöhen die perkutane Resorption von DEET. Eine gemeinsame Anwendung ist deshalb nicht ratsam. Der Wirkstoff Icaridin hat in etwa die gleiche Wirksamkeit wie DEET mit dem Vorteil einer geringeren perkutanen Resorptionsrate. Er kann auch mit Sonnenschutzmitteln kombiniert werden. Icaridin ist für Kinder ab zwei Jahren geeignet. DEET kann ab einem Lebensalter von zwei Monaten aufgetragen werden, dann allerdings in geringerer Konzentration von 10 Prozent. Die meisten Hersteller empfehlen jedoch eine Anwendung erst ab einem Alter von zwei bis drei Jahren. Besser geschützt sind Personen, die ihre Bekleidung zusätzlich mit Insektiziden (beispielsweise Permethrin) imprägnieren und so viel wie möglich ihrer Haut verhüllen.

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