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Unterschätzte Gefahr

Depressionen bei Männern oft unerkannt

Mehr Männer als bislang angenommen leiden unter Depressionen. Psychische Erkrankungen insbesondere älterer Männer müssten daher mehr ernst genommen und nicht als Alterserscheinungen abgetan werden. Das betont der aktuelle Männergesundheitsbericht der Stiftung Männergesundheit.
Christiane Berg
08.12.2020  13:00 Uhr

Bisher geht man davon aus, dass Männer nur halb so häufig von Depressionen betroffen sind wie Frauen. »Möglicherweise ist diese geringere Prävalenz bei Männern ein Artefakt, das sowohl durch die mangelnde Inanspruchnahme professioneller Hilfe seitens des männlichen Geschlechts als auch durch die deutliche Ausrichtung der üblichen Depressions-Diagnostik auf weibliche Symptome zurückzuführen ist«, so die Autoren. »Offenbar werden die männlichen Erfahrungen von Depressionen in der Medizin bislang nicht beziehungsweise nur unzureichend berücksichtigt. Damit fällt ein Teil der Männer durch das diagnostische Raster.«, 

Alter als Kränkung

Die Verfasser betonen, dass die Depressions-Prävalenz in der Altersspanne um den Renteneintritt am höchsten ist: 25 Prozent der über 65-jährigen Männer leiden demnach unter Depressionen, wobei ein großer Anteil der Betroffenen unbehandelt bleibt. Dies sei umso fataler als dass auch die Suizidrate bei Männern mit dem Alter kontinuierlich steige, heißt es in dem Papier mit der Überschrift »Männer und der Übergang in die Rente«.

Männer erleben das Altern als Kränkung – Schwäche, Hilflosigkeit, Sterben und Tod werden ausgeblendet: Studien hätten laut den Autoren belegt, dass die Orientierung an traditionellen Männlichkeitsidealen das Altern erschwert. Mit dem Ende der Erwerbstätigkeit sei häufig ein einschneidender Status- und patriarchaler Machtverlust verbunden, der zumeist nicht durch einen anderen, gleichwertigen Status im Alter ersetzt werden könne.

Männer zeigen andere Symptome

Neueren Studien zufolge könne der Mangel an »männlichen Depressionen« an untypischen Verhaltensmustern liegen, die eine Depression verbergen. Das kann beispielsweise gesteigerte Aggressivität, Irritabilität, Hyperaktivität, antisoziales Verhalten oder Sucht- und Risikodrang sein.  

Männliche Depressionen, so heißt es weiter, werden nicht zuletzt häufig auch von somatischen Symptomen und hier insbesondere kardiovaskulären Erkrankungen und metabolischen Störungen überlagert. Daher stünden insbesondere bei älteren Männern die körperlichen Beschwerden im Vordergrund. Sichtbare Verhaltens- und Abwehrmuster von Männern, die klassische Depressionssymptome maskieren, müssten in der Anamnese und Therapie verstärkt Berücksichtigung finden. 

Das häufige Unerkanntbleiben von Depressionen bei Männern hat dem Gesundheitsbericht nach zur Folge, dass mindestens 50 Prozent der Patienten sowohl hinsichtlich antidepressiver Medikation als auch psycho- und verhaltenstherapeutischer Therapiemaßnahmen unterversorgt sind. Sie sprechen von einer »ernstzunehmenden Gefährdung« und weisen auch mit Blick auf das erhöhte Suizidrisiko auf die Dringlichkeit einer verbesserten Frühdiagnostik und hin.

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