Der Darm wirkt auch auf die Gelenke |
Darmbakterien können wohl entzündliche Prozesse in den Gelenken fördern sowie hemmen. Die Ernährung scheint dabei eine wichtige Rolle zu spielen. / Foto: Getty Images/LightFieldStudios
Die derzeit vorliegenden Daten sprächen der Modifikation der Darm-Gelenk-Achse bei rheumatoider Arthritis (RA) eine große Bedeutung zu, erklärte Professor Georg Schett auf dem Deutschen Rheumakongress 2021. Eine weitere Behandlungsoption bei RA könne daher in der Anpassung der Ernährung liegen.
Bereits frühere Untersuchungen hätten gezeigt, dass Darmbakterien antientzündliche Metaboliten bilden, wenn in der Nahrung genügend Pflanzenfasern enthalten sind. Im Rahmen einer zu Beginn des letzten Jahres im Fachjournal »Nutrients« veröffentlichten Studie habe seine Arbeitsgruppe daher geprüft, ob Darmbakterien durch eine gezielte Ernährung entsprechend »angefüttert« werden können.
Dazu erhielten gesunde Kontrollpersonen und RA-Patienten mit entsprechender medikamentöser Therapie 15 beziehungsweise 30 Tage lang täglich speziell zusammengesetzte ballaststoffreiche Riegel. Stuhl und Seren wurden auf pro- und anti-inflammatorische Mediatoren untersucht.
Die ballaststoffreiche Ernährung, so Schett, führte zu einem Anstieg der entzündungshemmenden kurzkettigen Fettsäuren und einem Rückgang proarthritischer Zytokinkonzentrationen. Zudem sei es zu einer dauerhaften Verschiebung des Verhältnisses von Darmbakterien bis zu 40 Tage nach Behandlungsintervention gekommen.
Dies sei von Bedeutung, da bereits gezeigt werden konnte, dass kurzkettige Fettsäuren das Immunsystem bei entzündlichen Erkrankungen positiv beeinflussen. Im Übrigen spiele das pathologisch verschobene Verhältnis spezifischer Darmbakterien auch bei der Entstehung von krankhaftem Übergewicht eine Rolle. So dominieren bei normalgewichtigen Menschen Bacteroidetes-, bei Adipösen hingegen Firmicutes-Stämme.
Ob die ballaststoffreiche Ernährung langfristig zur Reduktion der Beschwerden von RA-Patienten beitragen kann, müsse in klinischen Folgestudien untersucht werden. Die bisherigen Ergebnisse, so der Rheumatologe, deuten jedoch schon jetzt darauf hin, dass eine entsprechend ballaststoffreiche Kost begleitend zur medikamentösen Therapie zur Linderung der Beschwerden bei RA beitragen kann.
Die zugrundeliegenden Pathomechanismen der Darm-Gelenk-Achse sind laut Schett bisher nur unzureichend beschrieben. Es kristallisiere sich jedoch nach und nach heraus, dass Veränderungen des intestinalen Mikrobioms – sprich: Störungen der Darmflora und der Darmbarriere – im Krankheitsgeschehen unter anderem der rheumatoiden Arthritis (RA) schon sehr früh eine Rolle spielen.
So habe sein Team im Rahmen einer 2020 im Fachjournal »Nature Communications« erschienenen Studie zeigen können, dass Rheumapatienten erhöhte Zonulin-Werte im Serum aufweisen, die mit einer undichten Darmbarriere, Dysbiose und Entzündungen einhergehen. Funktionell gestörte Immunzellen könnten aus dem Darm nicht nur in die Gelenke, sondern auch in Organe gelangen, so Schett.
Das körpereigene Peptid Zonulin sei in der Lage, die Durchlässigkeit des Darms zu erhöhen, indem es die sogenannten »tight junctions« (engl.: dichte Verbindung) zwischen einzelnen Schleimhautzellen löst, erklärt Schett. Spezifische Analysen, deuteten darauf hin, dass Personen mit erhöhten Zonulinwerten ein hohes Risiko haben, innerhalb eines Jahres eine RA zu entwickeln.
Zwischenzeitlich seien erste Arzneistoffe, sogenannte Zonulin-Antagonisten, in der Entwicklung und Testung, die das Peptid hemmen und durch Stärkung der Integrität der Darmbarriere zur Minderung der Symptome einer RA beitragen können.