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Transitorische ischämische Attacke

Der kleine Schlaganfall

Eine transitorische ischämische Attacke (TIA) ruft ähnliche Symptome wie ein Schlaganfall hervor und kann Vorbote eines großen Gehirnschlags sein. Betroffene sollten einen solchen Mini-Schlaganfall schnellstmöglich in der Stroke Unit eines Krankenhauses abklären lassen.
Judith Schmitz
23.07.2021  08:30 Uhr

Eine TIA wird durch eine kurze Durchblutungsstörung im Gehirn ausgelöst, ein Gefäß ist verstopft. Die Symptome sind dieselben wie bei einem »großen« Schlaganfall, weshalb die TIA auch Mini-Schlaganfall genannt wird. Die Durchblutungsstörung kann zu plötzlich auftretenden Seh-störungen wie Doppelbilder, verschwommenes Sehen, vorübergehenden Sehverlust auf einem Auge oder Gesichtsfeldstörungen auf beiden Augen führen. Auch vorübergehende halbseitige Lähmungen im Gesicht, an Händen, Armen und Beinen inklusive Gehproblemen sowie Schwindel, Sprachstörungen und eine verwaschene Sprache sind möglich.

Die Symptome verschwinden bei der TIA jedoch meist schnell, innerhalb von 24 Stunden – das Gefäß öffnet sich von allein wieder. Daher hinterlässt der Mini-Schlaganfall, wenn er nur wenige Minuten dauert, keinen eigentlichen Hirninfarkt. Das Gehirngewebe wird schnell wieder ausreichend mit Sauerstoff versorgt und bleibt unversehrt. Bei TIAs ab einer Stunde Dauer werden allerdings oft kleine Hirninfarkte mittels Kernspintomographie nachgewiesen.

Vorbote eines echten Schlaganfalls

»Die Krux ist, dass der Mini-Schlaganfall in der Regel zwar schnell wieder weggeht, jedoch gleichzeitig Vorbote eines großen, schweren Schlaganfalls sein kann«, sagt Professor Jürgen Bardutzky gegenüber PTA-Forum. Der Leiter der als Stroke Unit bezeichneten Schlaganfallspezialstation an der Klinik für Neurologie und Neurophysiologie des Universitätsklinikums Freiburg weiß, dass insbesondere die ersten 72 Stunden nach einer TIA am gefährlichsten sind. Je nach Risikokonstellation kommt es in dieser Zeit bei bis zu 10 Prozent der Betroffenen zu einem Rezidiv oder einem schweren Schlaganfall. Ist die Ursache eine Verengung der Halsschlagader durch Gefäßablagerungen (Arteriosklerose), erhöht sich die Wahrscheinlichkeit sogar deutlich.

Der Schlaganfallexperte rät daher, eine TIA immer wie einen richtigen Schlaganfall anzuschauen und ihre Ursachen zu behandeln. Sein Rat: »Sofort den Notarzt unter 112 anrufen! Die Betroffenen sollen so handeln, als ob die Symptome noch da wären, und nicht abwarten, ob sich ein großer Schlaganfall manifestiert.« In manchen Fällen lasse sich anfangs auch gar nicht abschätzen, ob die Symptome schnell von allein verschwinden.

TIA ist ein medizinischer Notfall

»Eine unmittelbare stationäre Abklärung der Ursachen auf der Schlaganfallspezialstation, einer Stroke Unit, ist zwingend notwendig, denn sie kommt ja nicht ohne einen Grund«, so der Mediziner. Dort beobachten Spezialisten die Krankheitsentwicklung des TIA-Patienten für drei bis vier Tage und können, wenn nötig, sofort eingreifen. Mittels Ultraschall untersuchen sie die hirnversorgenden Gefäße und das Herz, betrachten das Gehirn anhand einer Schichtbilddarstellung und analysieren etwaige Herzrhythmusstörungen kontinuierlich am Monitor, um nach Risiken für einen Schlaganfall zu fahnden.

»Eine TIA hinterlässt klinisch keine bleibenden Schäden. Trotzdem ist sie gefährlich und stellt für Neurologen einen medizinischen Notfall dar«, sagt Bardutzky. Eine umfassende, rasche Abklärung der Symptome und Ursachen kann das Risiko eines nachfolgenden richtigen Schlaganfalls deutlich reduzieren. So können die Ärzte etwa mit blutverdünnenden und lipidsenkenden Arzneimitteln einem Schlaganfall vorbeugen oder eine verengte Halsschlagader operativ weiten. Von einer ambulanten Ursachenforschung beim Hausarzt rät Bardutzky »ausdrücklich ab«. Manchmal verwechselten Patienten die Symptome einer schweren Migräne oder eines taubgewordenen Beins mit einer TIA und kämen zur Station, aber das sei besser, als gar nicht zu handeln.

Wie wichtig die rechtzeitige Abklärung der Symptome ist, zeigt auch die sogenannte Framingham-Studie: Den Ergebnissen zufolge ist das Risiko, nach einer TIA einen großen Schlaganfall zu erleiden, in den vergangenen Jahren gesunken. Das berichteten Forscher in diesem Jahr im »Journal of the American Medical Association«. Im Rahmen der Studie, die seit 1948 in der Stadt Framingham im US-Bundesstaat Massachusetts läuft, beobachteten die Mediziner zwischen 1948 und 1985 bei 16,7 Prozent innerhalb von 90 Tagen nach einer TIA einen Schlaganfall, von 1986 bis 1999 bei 11,1 Prozent und zwischen 2000 und 2017 noch bei 5,9 Prozent. Den Autoren zufolge stecken vermutlich eine bessere Nachsorge und Behandlung der Patienten dahinter.

Risikofaktor Bluthochdruck

Rauchen, hohe Blutfettwerte, Diabetes, Übergewicht und zu wenig Bewegung: All das kann zu Durchblutungsstörungen führen, die eine TIA oder einen Schlaganfall auslösen können. Der bedeutendste Risikofaktor ist jedoch der Bluthochdruck, da er die Gefäßinnenwände direkt schädigt und das Risiko für den kleinen und großen Schlaganfall um das Vier- bis Fünffache, bei zusätzlichen Risikofaktoren um mehr als das Zehnfache steigert.

Die häufigsten Auslöser einer TIA sind Gefäßverengungen der großen Halsschlagadern durch Arteriosklerose, Vorhofflimmern, Arteriosklerose der kleineren Hirngefäße sowie angeborene oder erworbene Blutgerinnungsstörungen. Bei den unter 50-Jährigen ist es oft ein Einriss der Gefäßwand (Dissektion), der ohne Ursache oder nach einem Trauma, etwa durch einen heftigen Schlag gegen den Hals, auftreten kann. An dem Riss kann sich ein Gerinnsel bilden, das sich schließlich löst und im Gehirn ein Gefäß verstopft. Auslöser kann auch eine persistierende Öffnung im Vorhof des Herzens sein, die ohne Schlaganfallsymptome keinen Krankheitswert hat.

Blutwerte regelmäßig prüfen

Da sich bei rund einem Drittel der Mittvierziger der Blutdruck sowie die Blutfett- und Blutzuckerwerte allmählich erhöhen, rät Bardutzky, diese ab und an vom Hausarzt bestimmen zu lassen und gegebenenfalls eine Behandlung zu starten. Optional können auch PTA eine Messung der Werte in der Apotheke anbieten.

Mit einem Rauchstopp, viel Bewegung, am besten 20 bis 30 Minuten aerober Sport (Schwitzen, aber Sprechen sollte möglich sein) zwei- bis dreimal die Woche und einer gesunden Ernährung lässt sich das Risiko einer TIA oftmals minimieren. Je nach Fall entscheidet der Arzt, welche Kombination von Medikamenten und Vorsorgemaßnahmen am sinnvollsten ist.

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