Der Nutzen macht den Preis |
Nur im ersten Jahr dürfen Hersteller von Arzneimitteln einen von ihnen selbst festgelegten Preis verlangen. / Foto: Fotolia/Markus Mainka
Bringt ein Arzneimittelhersteller ein neues Medikament auf den Markt, genießt es zunächst Patentschutz. Lange Jahre durften Unternehmen den Preis für solche Mittel selbst festlegen. 2011 änderte sich das. Nachdem die Arzneimittelausgaben deutscher Krankenkassen sechs Jahre in Folge angestiegen waren, zog die Politik die Notbremse. Ein Kostendämpfer musste her. Zunächst war geplant, Medikamente je nach Innovativität in Preislisten einzuteilen. Das ließ sich jedoch nicht durchsetzen. Stattdessen führte die damalige schwarz-gelbe Regierung das Instrument der sogenannten Frühen Nutzenbewertung ein.
Seitdem muss jedes neue Arzneimittel in Studien beweisen, dass es besser wirkt oder verträglicher ist als andere, bereits auf dem Markt verfügbare Mittel für dieselbe Indikation. Jeder Hersteller muss für seine Neulinge entsprechende Dossiers vorlegen. Kann das Unternehmen keinen solchen Nachweis erbringen, darf das neue Präparat nicht mehr kosten als die bewährte Therapie und wird einer Festbetragsgruppe zugeordnet. Festgelegt wurde das Verfahren im Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), das 2011 in Kraft trat.
Zuständig für die Frühe Nutzenbewertung ist der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), der sich aus Vertretern von Ärzte- und Zahnärzteverbänden, Kliniken, Krankenkassen sowie mehreren unparteiischen Mitgliedern zusammensetzt. Der GBA beauftragt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), die vom Hersteller eingereichten Studiendaten zu prüfen. Dann wird entschieden, ob das neue Medikament einen Zusatznutzen gegenüber der Vergleichstherapie bescheinigt bekommt. Oder auch, ob bereits auf dem Markt befindliche Arzneimittel einen Zusatznutzen in einem neuen Anwendungsgebiet haben.
Wird ein Zusatznutzen bescheinigt, handeln Hersteller und Kassen auf Basis der Höhe des Zusatznutzens einen Preis aus, teils unter Vermittlung einer Schiedsstelle. Spätestens ein Jahr nach Zulassung muss der Preis – der sogenannte Erstattungsbetrag – stehen. Heißt konkret: Im ersten Jahr dürfen die Hersteller weiterhin den von ihnen selbst festgelegten Preis verlangen.
Ursprünglich sollten auch alle bereits länger auf dem Markt befindlichen Medikamente nachträglich einer Nutzenbewertung unterzogen werden. Dazu kam es jedoch nicht. Medikamente gegen seltene Erkrankungen – sogenannte Orphan Drugs – sind von der Nutzenbewertung ausgenommen, solange der Hersteller pro Jahr nicht mehr als 50 Millionen Euro Umsatz mit dem Mittel macht.
Die Nichtüberprüfung des Bestandsmarkts, die Ausnahmeregelung für Orphan Drugs und das erste Jahr Preisfreiheit werden immer wieder kritisiert, vor allem von Kassenseite und vonseiten des IQWiG. Umgekehrt sehen viele Herstellerverbände das strenge Procedere der frühen Nutzenbewertung als Innovationsbremse.
Auch für Apotheker und Großhändler enthielt das AMNOG übrigens einen harten Sparkurs. Denn seitdem erhält der pharmazeutische Großhandel einen Höchstzuschlag von 3,15 Prozent auf den Herstellerabgabepreis, gleichzeitig gilt eine Kappungsgrenze von 37,80 Euro für Arzneimittel mit einem Abgabepreis von über 1200 Euro. Hinzu kommt ein Fixhonorar in Höhe von 70 Cent pro Rx-Packung. Für die Apotheken wurde der sogenannte Kassenabschlag auf 2,05 Euro pro Rx-Packung erhöht, allerdings nur befristet für zwei Jahre.