Der weibliche Herzinfarkt ist anders |
Katja Egermeier |
06.04.2022 16:00 Uhr |
Keine Scheu vor dem Notruf auch bei unspezifischen Symptomen wie Benommenheit, Übelkeit oder Schweißausbrüchen. Bei Frauen kann das ein Hinweis auf einen Herzinfarkt sein. / Foto: imago/CHROMORANGE
Der Herzinfarkt gehört auch bei Frauen zu den häufigsten Todesursachen. Das Problem: Nicht einmal die Hälfte der deutschen Bevölkerung kann die typisch weiblichen Symptome eines Herzinfarktes zuordnen – so das Ergebnis einer Umfrage unter mehr als 1000 Erwachsenen, durchgeführt von der Betriebskrankenkasse BKK VBU. Demnach wussten 96 Prozent der befragten Erwachsenen die typisch männlichen Symptome eines Herzinfarktes zu benennen, nur 45 Prozent hingegen die Symptome von Frauen.
Über diese hätten die weiblichen Befragten zwar etwas besser Bescheid gewusst als die Männer (55 versus 35 Prozent), dennoch kannte nur etwa jede zweite Frau die für ihr Geschlecht typischen Symptome eines Herzinfarktes. Man müsse also davon ausgehen, »dass im schlechtesten Fall auch nur jede zweite Frau bei Aufkommen der Symptome ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen würde«, erklärt BKK-Vorständin Andrea Galle. Dabei zähle bei einem Herzinfarkt jede Minute. »Das zeigt einmal mehr, dass mehr Aufklärung geleistet werden muss, dass Frauen und Männer unterschiedlich erkranken.«
Bei Frauen tritt ein Herzinfarkt statistisch gesehen später als bei Männern auf, häufig erst zehn Jahre nach der Menopause. Vor den Wechseljahren werden Frauen durch die Östrogene geschützt. Die weiblichen Geschlechtshormone regulieren nicht nur den Zyklus und die Schwangerschaft, sondern sind auch am Stoffwechsel beteiligt und beeinflussen Entzündungsreaktionen, die Blutgerinnung und wirken erweiternd auf Blutgefäße. Das verhindert arteriosklerotische Ablagerungen in den Gefäßen und bewahrt vor einer koronaren Herzkrankheit. Dieser Hormonschutz lässt nach den Wechseljahren jedoch nach. Ab diesem Zeitpunkt steigt das Risiko einen Herzinfarkt zu erleiden bei Frauen rascher als bei Männern.
Da der Herzinfarkt als typische Männerkrankheit mit den typisch männlichen Symptomen gilt, wird er von Frauen selbst, aber auch von ihren behandelnden Ärzten häufig erst deutlich später erkannt. Auch deshalb, weil die Symptome weniger eindeutig sind als bei Männern, wie die Deutsche Herzstiftung berichtet.
Das gelte vor allem für ältere Frauen, die zur größten Risikogruppe zählen. Bei ihnen sei der typische ausstrahlende Brustschmerz weniger heftig und werde eher als Druck oder Engegefühl in der Brust wahrgenommen oder könne sogar ganz ausbleiben. Typische Symptome für einen Herzinfarkt bei Frauen sind dagegen:
Viele dieser Beschwerden ließen Frauen zunächst an Rückenbeschwerden oder eine harmlose Magenverstimmung denken, erklärt die Herzstiftung. Zudem seien ältere Frauen häufig zurückhaltender, würden Mitmenschen nicht zur Last fallen wollen, lebten oft allein und hätten niemanden, der im Notfall Hilfe holen könnte. Das alles führe in vielen Fällen dazu, dass bei Frauen mit Herzinfarkt nicht schnell genug gehandelt werde. Gezeigt hat das der Herzstiftung zufolge auch eine Studie des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung. Diese ergab, dass Frauen über 65 Jahre im Schnitt erst viereinhalb Stunden nach dem Auftreten von Herzinfarktsymptomen in die Notaufnahme kommen, während das bei Männern des gleichen Alters nach dreieinhalb Stunden der Fall ist.
Frauen im höheren Alter sollten daher stets die Gefahr eines Herzinfarkts im Hinterkopf haben, rät die Herzstiftung – auch wenn die Symptome unspezifisch seien. Als Richtlinie gelte generell, sofort Hilfe zu holen, wenn die Beschwerden in einem bisher nicht gekannten Ausmaß auftreten.
Das gilt den Spezialisten zufolge auch für jüngere Frauen, für die häufig berufliche Verpflichtungen oder die Kinderbetreuung an erster Stelle stehen. Diese seien vor allem dann einer Herzinfarktgefahr ausgesetzt, wenn sie ungesund leben oder familiär belastet seien. Als Risikofaktoren gelten Übergewicht, Rauchen, Bluthochdruck, erhöhte Blutfette und erhöhter Blutzucker, psychosoziale Belastung, Stress, Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung.