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Intervallfasten

Deshalb funktioniert der Abnehmtrend

Intervallfasten ist der ungebrochene Trend zum Abnehmen, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Doch Intervallfasten kann noch viel mehr, als nur die (Corona)-Pfunde purzeln zu lassen. Nachgefragt bei Naturheilkundler und Fastenexperte Professor Dr. Andreas Michalsen, Berlin.
Andrea Pütz
25.02.2021  09:15 Uhr

PTA-Forum: Professor Michalsen, woher haben Sie Ihre große Begeisterung für die Naturheilkunde?

Michalsen: Sowohl mein Vater als auch mein Großvater waren Kneipp-Ärzte. So ist mir die Naturheilkunde quasi in die Wiege gelegt worden. Ich habe beide in meiner Kindheit oft begleitet und Menschen bei Kneipp-Anwendungen und beim Fasten beobachtet. Den Effekt des gesteigerten Wohlbefindens habe ich schon damals gespürt. In meiner beruflichen Laufbahn war ich in der Intensivmedizin und Kardiologie tätig. Das war natürlich auch sehr spannend. Aber der Wunsch wurde immer größer, den Menschen präventiv zu helfen oder natürliche Reize zu setzen, um die Selbstheilungskräfte der Erkrankten zu stärken.

PTA-Forum: Was genau bedeutet Intervallfasten und welche Methode empfehlen Sie Einsteigern?

Michalsen: Intervallfasten ist ganz einfach: Ein Blick auf die Uhr reicht aus. Zeitfenster, in denen man essen darf, wechseln mit Phasen, in denen gefastet wird. Diese Intervalle kann jeder flexibel gestalten. Es gibt zwei bekannte Methoden: Das 5:2-Modell wurde von dem britischen Arzt und Journalisten Michael Mosley entwickelt und kam dann als Modewelle zu uns herübergeschwappt. An fünf Tagen wird wie gewohnt gegessen. An den beiden Fastentagen reduzieren Frauen ihr Essen auf ungefähr 500 Kilokalorien und Männer auf 600. Die Kalorienmengen sind aber nicht in Stein gemeißelt, sondern eher eine Orientierung. Kohlenhydrate sind dabei tabu. Der alltägliche Stress erschwert es jedoch häufig, ganze Fastentage durchzuhalten. Nachhaltig ist diese Methode meist nicht.

Alltagstauglicher und ebenso effektiv ist die 16:8-Methode. So isst man beispielsweise nach 18 Uhr nichts mehr und startet am nächsten Morgen wieder um 10 Uhr mit dem Frühstück. Dies ist eine wirklich übersichtliche Hungerstrecke von 16 Stunden, die zum größten Teil verschlafen wird. Jeder entscheidet selbst, wann die Essensphase am besten in seinen Tagesrhythmus passt. Der persönliche Rhythmus gibt den Ton an. Für mich ist die Methode die »geniale Neuentdeckung für jeden Tag«.

Diese Methode entspricht zudem unserem circadianen Rhythmus – also unserer inneren Uhr. Der amerikanische Chronobiologe Satchin Panda ist überzeugt, dass unser Stoffwechsel am besten funktioniert, wenn wir in einem festen Zeitintervall von acht bis zehn Stunden tagsüber essen – mit einem letzten Essen am frühen Abend. Anderenfalls ist unsere innere Uhr gestört: Bei Dunkelheit wird das Schlafhormon Melatonin produziert. Fordern wir zeitgleich unsere Verdauungsorgane, signalisieren wir unserem Gehirn, es sei Tag. Machen wir dies dauerhaft, arbeiten wir gegen den eigenen Biorhythmus und die Gesundheit.

PTA-Forum: Also ist unser Körper auf Intervallfasten programmiert?

Michalsen: Ja, schon die Jäger und Sammler mussten lange Essenspausen kompensieren, da nicht immer ausreichend Nahrung vorhanden war. Aber auch noch vor wenigen Jahrhunderten haben unsere Vorfahren ganz automatisch intervallgefastet. Es gab kein elektrisches Licht, und das Tageslicht bestimmte den Rhythmus. Selbst bei der Generation unserer (Ur-)Großmütter aß man spätestens um 18 Uhr zu Abend – und zwar gemeinsam am Tisch. Die Mahlzeiten waren zeitlich gesehen alle etwas komprimierter. Längere Essenspausen waren alltäglich und der Körper war an diese Stressphasen angepasst. Auch Snacken zwischendurch kannte man nicht. Das ist eher eine unglückliche Neuerung.

PTA-Forum: Was passiert denn in den Essenspausen?

Michalsen: Bei längerer Nahrungskarenz geht der Körper in den sogenannten Hungerstoffwechsel über. Um Energie zu gewinnen, mobilisiert er statt Kohlenhydrate (Glukose) überflüssige Fettreserven. Dabei werden Ketonkörper als Ersatzbrennstoff freigesetzt, Blutzucker- und Insulinspiegel bleiben niedrig. Heißhungerattacken bleiben dadurch aus, und das Abnehmen fällt leichter. Eine Fastenphase von ungefähr 16 Stunden ist für diese Wirkung notwendig. Wem die 16 Stunden zu lange sind, der kann es mit 15:9 oder 14:10 ausprobieren. Auch das zeigt schon Wirkung! Frauen sind hier ohnehin im Vorteil: Aufgrund ihrer geringeren Speichervorräte an Glykogen reicht bei ihnen schon eine Essenskarenz von 14 Stunden – also ein 14:10-Modell.

PTA-Forum: Fastende interessiert sicher auch brennend, welche Gewichtsabnahme sie erwarten können.

Michalsen: Wer die 16:8-Methode an mindestens fünf Tagen die Woche durchhält, bei dem werden schon bald die Pfunde purzeln. Dabei sind ein bis zwei »cheat days« – also Schummeltage – in Ordnung. Etwa vier Wochen sollte der Fastende sich Zeit geben, um die geänderte Stoffwechsellage als Gewohnheit anzunehmen und die Stoffwechsellage nachhaltig zu verändern. Meine Erfahrungen sowie Studien zeigen, dass in drei Monaten etwa fünf Kilos drin sind. Wer seinen Speiseplan dabei noch gesund gestaltet und Zwischenmahlzeiten weglässt, der punktet gleich doppelt. Zwischen den Mahlzeiten sollten am besten vier Stunden liegen.

PTA-Forum: Abnehmwillige fürchten den berühmt berüchtigten Jo-Jo-Effekt wie bei vielen Trend- und Crash-Diäten. Gibt es solche Nebenwirkungen?

Michalsen: Nein, der gefürchtete Jo-Jo-Effekt bleibt aus. Im Gegensatz zu Crash-Diäten entsteht keine anhaltende »Hungersnot«, die den Körper zu Gegenmaßnahmen veranlasst, die den Stoffwechsel verlangsamen. Der Fastende verliert auch keine Muskelmasse. Somit ist die Methode auch für Sportler gut geeignet – und für ältere Menschen, die ohnehin gegen den natürlichen Muskelschwund kämpfen.

PTA-Forum: Welche weiteren positiven Wirkungen auf die Gesundheit werden eintreten?

Michalsen: Wissenschaftler haben schon vor vielen Jahren in Laborversuchen herausgefunden, dass Tiere gesünder sind, wenn man ihnen nicht fortlaufend Essen anbietet, sondern sie Pausen machen. Sie litten seltener unter chronischen Erkrankungen und lebten um 20 bis 30 Prozent länger. Nun kann man diese Studien nicht 100 Prozent auf uns Menschen übertragen. Aber auch in Humanstudien zeigte sich in den vergangenen Jahren, dass Intervallfastende neben dem Gewichtsverlust noch viele weitere gesundheitliche Vorteile haben: Sie stärken ihre Immunabwehr und Herzgesundheit (wie bei Bluthochdruck) und verbessern den Zucker- und Fettstoffwechsel. Übrigens profitieren auch Typ-2-Diabetiker vom Intervallfasten und dem Weglassen der Zwischenmahlzeiten. Diabetologen um Dr. Hana Kahleova vom Diabetes Centre in Prag haben in einer 2014 publizierten Studie mit dem Mythos der Zwischenmahlzeiten für Diabetiker endgültig aufgeräumt.

Und es gibt noch mehr positive Effekte: Intervallfasten verändert sogar die Mikrobiota zugunsten der gesundheitsfördernden Bakterien und steigert auch den Nervenwachstumsfaktor BDNF (Brain-derived neurotrophic factor) – als Schutz vor Demenz. Viele Menschen freuen sich zudem über eine bessere Schlafqualität, denn die Verdauung hat es nachts nicht mehr so schwer. Voraussetzung: Die letzte Mahlzeit des Tages sollte etwa drei Stunden vor dem Zubettgehen eingenommen werden. Kurz zusammengefasst: Insgesamt steigt die Lebenserwartung und die Stimmung.

PTA-Forum: Kann Intervallfasten auch bei Multiple Sklerose oder dem Chronischen Fatigue Syndrom (CFS) helfen?

Michalsen: Bei Patienten mit Multiple Sklerose sehen wir in einer ersten Studie, dass nach einem Heilfasten die Lebensqualität deutlich steigt. Ob Intervallfasten auch Einfluss auf Lebensqualität und eventuell sogar auf die neurologischen Funktionen hat, werden wir noch in Schädel-CTs untersuchen. Zum Chronischen Fatigue Syndrom: Wir wissen, dass Intervallfasten die Neubildung von Mitochondrien anregt. Dadurch kann es auch ein therapeutischer Baustein im Kampf gegen die anhaltende Erschöpfung und Müdigkeit sein. Das ist sicher auch für Betroffene mit Long-Covid-Symptomen interessant.

PTA-Forum: Wer sollte auf Intervallfasten verzichten oder dies nur unter ärztlicher Kontrolle praktizieren?

Michalsen: Beispielsweise Typ-2-Diabetiker sollten nicht ohne ihren Arzt einsteigen, da die Zuckerwerte sinken und Medikamente angepasst werden müssen. Letzteres ist natürlich ein positiver Nebeneffekt. Ansonsten gilt für Menschen mit sehr niedrigem Blutdruck oder chronischen Erkrankungen sowie auch für ältere Menschen: Das Intervallfasten ist immer mit dem Arzt vorher abzusprechen. Nicht geeignet ist die Methode zudem für Kinder und Jugendliche, während der Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Essstörungen wie Anorexie, Bulimie und bei Untergewicht.

PTA-Forum: Was ist Autophagie – und findet sie auch beim Intervallfasten statt?

Michalsen: Der Prozess der Autophagie bedeutet »sich selbst essend« und beschreibt eine Art natürliches Zell-Recycling. Durch den Hungerstoffwechsel in der Fastenphase geht der Körper an seine Fettreserven, wobei Ketonkörper entstehen. Damit beginnt er, aus alten, geschädigten oder überflüssigen Zellbestandteilen Energie zu gewinnen. Durch den permanenten Überfluss und Wohlstand in unserer Gesellschaft wird dieser Prozess gestört. Die Autophagie hilft, Hunger zu überleben und schützt vor chronischen Krankheiten. Ob die Autophagie-Prozesse beim Intervallfasten ebenso angekurbelt werden wie beim mehrtägigen Heilfasten, wird noch untersucht. Aber es sieht danach aus, dass sie nach etwa 14 Stunden starten.

PTA-Forum: Wichtige Frage zum Schluss: Wie können Hungerlöcher überbrückt werden und wie sieht es in der Fastenphase mit der Milch im Kaffee aus?

Michalsen: Viel Wasser, ungesüßter Tee und in Maßen auch schwarzer Kaffee füllen die Hungerlöcher in den Fastenphasen. Wer seinen Kaffee nicht schwarz mag, der kann einen kleinen Schuss Milch oder ungesüßten Mandel- oder Haferdrink hineingeben. Die pflanzliche Variante ist der Kuhmilch vorzuziehen, denn tierisches Eiweiß hemmt die Autophagie. Aber natürlich ist dies auch Geschmackssache und ein kleiner Schuss wird den Erfolg nicht minimieren, wenn das Gesamtkonzept stimmt. Von Säften und Smoothies rate ich ab, da sie Zucker liefern und eher den Mahlzeiten zuzuordnen sind.

Ein paar Worte zum Abschluss: Mit kurzen Fastenintervallen entlastet der Fastende nicht nur seinen Körper, verbessert sein Körpergewicht und seine Gesundheit insgesamt. Intervallfasten setzt auch neue Impulse für den Lebensstil. Ein gesünderer Speiseplan und mehr Bewegung kommen fast wie automatisch, wenn die ersten Erfolge spürbar werden. Die Fastenzeit und das Frühjahr sind die perfekten Zeitpunkte für einen Neuanfang.

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