Diabetes-Therapie: Individuell und mit Zusatznutzen |
Die intensivierte konventionelle Therapie ist heute der Behandlungsstandard bei Typ-1-Diabetes: Die Patienten injizieren sich bei dieser Behandlungsform sowohl kurz-, als auch langwirksame Insuline. / Foto: AdobeStock/6okean
Typ-1-Diabetiker brauchen lebenslang Insulin, weil ihr Insulinmangel absolut ist. Doch auch Typ-2-Diabetiker kommen auf Dauer meist nicht um das Insulinspritzen herum, weil ihre Bauchspeicheldrüse immer weniger Insulin produziert. Grob lassen sich Insuline in schnell- und langwirksame Vertreter einteilen. Mischinsuline, die vor drei Jahrzehnten noch zur Standardtherapie des Diabetes gehörten, kommen immer seltener zum Einsatz. Gut so, denn mit ihnen lässt sich der Blutzucker nicht steuern. Das gelingt mit schnell wirkenden Insulinen, den Insulin-Analoga, besser.
Typ-1-Diabetiker spritzen in der Regel ein solches Insulin zu jeder (kohlenhydrathaltigen) Mahlzeit. Vertreter dieser Gruppe sind Insulin Lispro (Humalog®, Liprolog®), Insulin Aspart (NovoRapid®, Fiasp®) und Insulin Glulisin (Apidra®). Außerdem injizieren sie sich morgens und abends ein lang wirksames Insulin. Es sorgt dafür, dass stets eine Basis an Insulin im Blut kreist. Insulin-Analoga setzen sich auch hier gegenüber den herkömmlichen Basalinsulinen mehr und mehr durch. Zu den Insulin-Analoga gehören Insulin Glargin (Lantus®, Toujeo®, Abasaglar®) und Insulin Detemir (Levemir®). Sie wirken sehr lang und deutlich gleichmäßiger als ältere Basalinsuline. Das dient dazu, Unterzuckerungen und Blutzuckerspitzen – die beiden ungewünschten Ereignisse im Rahmen einer Therapie – möglichst zu vermeiden. Eine Therapie des Diabetes mit einem Mahlzeiten- und einem Basalinsulin ist heute Standard der Behandlung des Typ-1-Diabetes. Diese Therapieform heißt ICT (Intensivierte konventionelle Therapie). Viele, gerade junge Typ-1-Diabetiker entscheiden sich für eine Insulinpumpe. Mit deren Hilfe versorgt sich der Diabetiker kontinuierlich mit einem schnell wirksamen Insulin (Basalrate) und ruft zum Essen einen sogenannten Bolus ab, also eine entsprechende zusätzliche Menge schnell wirksamen Insulins. Die Pumpentherapie heißt auch CS II (kontinuierliche subcutane Insulininfusion).
Bei Typ-2-Diabetikern kommt häufig Insulin zu den Mahlzeiten zum Einsatz, ohne Basalinsulin, aber mit oralen Antidiabetika (SIT = supplementäre Insulintherapie) oder sie spritzen sich zusätzlich zu oralen Antidiabetika ein Basalinsulin (BOT = Basal unterstützte orale Therapie).
Zu Metformin
Patienten sollen Metformin zum oder nach dem Essen einnehmen. Neben Tabletten steht auch eine Metformin-Lösung zur Verfügung, für diejenigen, die nicht gut schlucken können (Metfo Liquid GeriaSan®).
Die maximale Tagesdosis von 3 Gramm Metforminhydrochlorid wird auf zwei bis drei Gaben verteilt. Der Arzneistoff bereitet besonders zu Therapiebeginn häufig erhebliche Magen-Darm-Beschwerden sowie Übelkeit. Deshalb sollte er nach Absprache mit dem Arzt eingeschlichen werden. Das kann das Ausmaß dieser Nebenwirkung senken. Um rechtzeitig zu erkennen, wenn die Nieren unter Metformin leiden, muss der Arzt deren Funktion bei Diabetikern unter dieser Therapie engmaschig kontrollieren, das heißt, alle drei bis sechs Monate. Manche Erkrankungen steigern das Risiko für eine Laktatazidose, zum Beispiel ein Magen-Darm-Infekt oder eine respiratorische Insuffizienz, die akut oder chronisch als Folge von Lungen- und Herzerkrankungen auftreten kann.
Zu Sulfonylharnstoffen
Es ist möglich, dass der Patient an Gewicht zulegt und deshalb besonders wichtig, das über die Ernährung auszugleichen. Weil Unterzuckerungen auftreten können, müssen Patienten immer Traubenzucker bei sich haben und bei Symptomen einer Hypoglykämie (zum Beispiel starke Müdigkeit, Heißhunger, Zittern, Nervosität, plötzlicher Stimmungswechsel, inneres Unruhegefühl, Schweißausbruch) mindestens vier Täfelchen (2 Broteinheiten) essen.
Achtung: Bei Traubenzuckerbonbons entsprechen acht bis zehn Stück zwei Broteinheiten. Gerade bei Unterzuckerungen, die lange anhalten können, gehören im Anschluss noch langwirksame Broteinheiten dazu, wie etwa Brot oder ein kleines Müsli. Eine Glucagon-Spritze im Falle einer schweren Unterzuckerung ist bei der Einnahme von Sulfonylharnstoffen kontraindiziert, weil die noch funktionierenden Betazellen daraufhin noch mehr Insulin freisetzen und der Patient so nach einem kurzfristigen Anstieg des Blutzuckers wieder in die nächste Unterzuckerung rutschen könnte. Ein Diabetes-Pass, in dem die Medikamente aufgeführt sind, hilft einem Notarzt, die Situation richtig zu beurteilen.
Zu DPP-4-Hemmern
Das Arzneimittel wird einmal am Tag eingenommen. Handelt es sich um eine Kombination mit Metformin, gibt man es wegen dessen kürzerer Halbwertszeit zweimal täglich. Nebenwirkungen auf den Magen-Darm-Trakt treten häufig auf. Gelegentlich erkranken Patienten häufiger an Infekten.
Zu GLP-1-Agonisten
GLP-1-Agonisten werden gespritzt. Wer das noch nie gemacht hat, fürchtet sich vielleicht vor dem ersten Mal. Üben lässt sich die richtige Einstichneigung zum Beispiel an einer Orange. Das hilft auch, die Hemmschwelle beim Injizieren zu überwinden. Bekommen Patienten mehrere orale Antidiabetika oder eine Kombination aus GLP-1-Agonist und Insulin, können sie unterzuckern. Deshalb gehört in jede Hand- und Jackentasche Traubenzucker, um bei ersten Anzeichen schnell gegensteuern zu können.
Zu SGLT-2-Hemmern
Bei diesem Medikament können als Nebenwirkungen Infektionen im Bereich von Penis und Scheide auftreten, zum Beispiel Blasenentzündungen oder auch Pilzbefall der Eichel und der Scheide. Es hilft, wenn man den Urogenitaltrakt regelmäßig wäscht, am besten mit lauwarmem Wasser, eventuell auch mit einer Waschlotion speziell für den Intimbereich. Patienten sollten täglich reichlich trinken.
Zwar treten Ketoazidosen als potenziell tödliche Nebenwirkungen unter SGLT-2-Hemmern nur vereinzelt auf, dennoch schadet es nicht, die Risikofaktoren zu kennen, die eher zu solch einem Notfall zu führen scheinen. Die DDG nennt hier eine rasche und deutliche Reduktion der Insulindosis, Exsikose und Alkoholkonsum. »Beinahe alle Patienten mit Ketoazidose befanden sich in einem katabolen Zustand«, so die Leitlinien-Autoren. Das heißt, sie waren operiert, hatten einen Herzinfarkt erlitten, eine schwere Infektion, hatten lange gefastet oder sich körperlich verausgabt. Eine Ketoazidose äußert sich in Übelkeit, Erbrechen, Schwäche, Müdigkeit, Krankheitsgefühl. Bei einem Verdacht sollten Betroffene so schnell wie möglich ein Krankenhaus aufsuchen beziehungsweise Angehörige den Notarzt verständigen.
Zu Insulin
Die modernen Formen der Insulintherapie bieten Diabetikern große Freiheiten bei der Ernährung und fordern gleichzeitig erheblich die Selbstverantwortung. Das sollte den Patienten klar sein, vorrangig denjenigen, die eine Intensivierte konventionelle Therapie erhalten oder eine Insulinpumpe nutzen.
Die Nachteile von Insulin: Diabetiker können unterzuckern – bei Typ-1-Diabetikern gehört das sogar leider zum Alltag. Traubenzucker ist deshalb ein Muss auf allen Wegen! Außerdem legen Diabetiker unter Insulin oft zunächst an Gewicht zu. Deshalb ist eine gute Schulung entscheidend, in der der Diabetiker erfährt, wie er bei möglichen Nebenwirkungen handeln sollte, was eine Ernährung ausmacht, die das Gewicht nicht steigert, und warum Bewegung besonders bei Typ-2-Diabetikern ein wichtiger Therapiebaustein ist.