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Risiken minimieren

Diabetes und Schwangerschaft

Egal ob Typ-1-, Typ-2- oder Schwangerschaftsdiabetes, die Stoffwechselerkrankung birgt Risiken für die Gesundheit werdender Mütter und ihrer Kinder. Die Gefahren lassen sich mit einer gut geplanten Schwangerschaft und einer möglichst optimalen Stoffwechseleinstellung minimieren.
Carina Steyer
23.10.2019  16:00 Uhr

Rund 1 Prozent aller werdenden Mütter in Deutschland hat einen Diabetes, der bereits vor der Schwangerschaft bekannt ist. In den meisten Fällen handelt es sich um einen Typ-1-Diabetes, doch auch die Zahl der Typ-2-Diabetikerinnen steigt zunehmend. Der Grund hierfür wird vor allem in der weltweit steigenden Adipositasprävalenz und dem zunehmenden Alter werdender Mütter gesehen.

Unabhängig vom Diabetestyp gilt eine Schwangerschaft mit der Stoffwechselerkrankung immer als Risikoschwangerschaft. Diabetikerinnen weisen mehr mütterliche und kindliche Komplikationen sowie eine höhere perinatale Mortalität auf. Viele Risiken lassen sich jedoch durch eine gute Vorbereitung auf die Schwangerschaft und eine optimale  Blutzuckereinstellung reduzieren. So sollte der Langzeit-Blutzucker (HbA1c-Wert) idealerweise bereits drei Monate vor einer Schwangerschaft unter 7 Prozent, besser noch unter 6,5 Prozent liegen. Spätestens in der Schwangerschaft ist ein HbA1c unter 6,5 Prozent erstrebenswert. Oberhalb eines HbA1c von 6,6 Prozent steigt die Mortalität von Feten und Neugeborenen, zudem ist das Risiko für den Kindstod im ersten Lebensjahr erhöht. Liegt der HbA1c über 8 Prozent, steigt das Risiko einer Fehlgeburt sowie von Fehlbildungen beim Kind deutlich. Ein Diabetes-spezifischer Cluster an Fehlbildungen existiert nicht, meist handelt es sich um Fehlbildungen am Herzen und an den herznahen Gefäßen, um Neuralrohrdefekte oder multiple Fehlbildungen. Die Kinder diabetischer Mütter haben ein zwei- bis dreifach höheres Risiko für eine Neuralrohr-Fehlbildung als Kinder gesunder Mütter. Die frühzeitige Einnahme von Folsäure ist somit besonders wichtig. Empfohlen werden 800 µg/Tag, beginnend mindestens acht Wochen vor der Empfängnis.

Fachübergreifende Kontrollen

Als Risikoschwangere werden Diabetikerinnen engmaschiger und fachübergreifend betreut. Neben den gynäkologischen Kontrollen gehören Termine beim Diabetologen, Augenarzt und Internisten oder Nuklearmediziner zum Programm. Letztere kontrollieren die Schilddrüse, um im Fall einer Unterfunktion (Hypothyreose) schnellstmöglich mit einem Levothyroxin-Präparat substituieren zu können. Gerade mit einem Typ1-Diabetes tritt eine Autoimmunthyreoiditis gehäuft auf.

Eine augenärztliche Untersuchung wird im Abstand von drei Monaten empfohlen. Schwangere mit bestehender Retinopathie müssen damit rechnen, dass diese sich im Schwangerschaftsverlauf verschlechtert. Sie kann aber auch erstmals in der Schwangerschaft auftreten, wobei die Erkrankung bei Typ-2-Diabetikerinnen dann meist milder verläuft.

Um die Entwicklung des Babys gut überwachen zu können, wird neben den in den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehenen drei Ultraschalluntersuchungen eine weitere in der 8. bis 12. SSW, der 11. bis 14. SSW und der 19. bis 22. SSW empfohlen. Ab der 24. SSW begutachtet der Arzt die Biometrie des Ungeborenen alle zwei bis vier Wochen per Ultraschall. Zeigen sich Auffälligkeiten, werden die Abstände verkürzt.

Insulinbedarf anpassen

Orale Antidiabetika sind in Deutschland für die Schwangerschaft und Stillzeit nicht zugelassen. Auch wenn derzeit keine Evidenz für ein erhöhtes Missbildungsrisiko besteht, sollte die Umstellung auf Insulin bei Typ-2-Diabetikerinnen idealerweise schon vor einer Schwangerschaft erfolgen. Im Verlauf von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett verändert sich der Insulinbedarf und muss regelmäßig angepasst werden.

Etwa ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel steigt der Insulinbedarf kontinuierlich an. Im Durchschnitt benötigen schwangere Diabetikerinnen nun 50 bis 100 Prozent mehr Insulin als vor der Schwangerschaft. Adipöse Typ-2-Diabetikerinnen brauchen womöglich sogar noch mehr. Bei vielen Frauen geht der Insulinbedarf etwa vier Wochen vor der Geburt leicht zurück. Mit Beginn der Geburt reduziert er sich um etwa 50 Prozent. Unter der Geburt werden die Blutzuckerwerte deshalb stündlich kontrolliert, um Unterzuckerungen zu verhindern. In den ersten Stunden nach der Geburt braucht die Mutter eventuell kein oder nur sehr wenig Insulin. In den folgenden drei Tagen liegt der Insulinbedarf im Durchschnitt 20 Prozent unter dem vor der Schwangerschaft, die Gefahr zu unterzuckern ist erhöht. Der Blutzucker sollte deshalb engmaschig kontrolliert werden.

Auch Diabetikerinnen wird das Stillen ausdrücklich empfohlen. Nach Angaben der AWMF Leitlinie »Betreuung von Neugeborenen diabetischer Mütter« wird das Baby idealerweise in den ersten 30 Minuten nach der Geburt angelegt. Die Muttermilch stabilisiert den Blutzucker des Säuglings. Lagen die Blutzuckerwerte der Mutter in der Schwangerschaft immer wieder zu hoch, hat die Bauchspeicheldrüse des Säuglings vermehrt Insulin produziert. Das geschieht auch nach der Geburt noch, weshalb der Säugling dann unterzuckern kann. Um das zu verhindern, wird der Blutzucker des Ungeborenen alle zwei bis drei Stunden kontrolliert und bei tiefen Werten Glucose verabreicht.

Sonderfall Schwangerschaftsdiabetes

Tritt eine Glucosetoleranzstörung erstmals in der Schwangerschaft auf, sprechen Mediziner von einem Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes). Schwangerschaftshormone, die vermehrt in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft ausgeschüttet werden und die Insulinwirkung hemmen, lösen ihn aus. Die meisten Schwangeren können diesen Zustand kompensieren, indem die Bauchspeicheldrüse bis zu viermal mehr Insulin ausschüttet. Gelingt dies nicht, steigt der Blutzuckerspiegel, und es entwickelt sich ein Schwangerschaftsdiabetes.

Betroffen sind in Deutschland rund 5 Prozent aller Schwangeren. Damit die Stoffwechselstörung rechtzeitig festgestellt wird, findet zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche ein Screeningtest auf Schwangerschaftsdiabetes statt. Dabei trinkt die Schwangere ein Glas Wasser mit 50 g Glucose. Nach einer Stunde messen Arzt oder Arzthelferin den Blutzuckerspiegel. Ist er auffällig, folgt ein Zuckerbelastungstest, der sogenannte orale Glucosetoleranztest (oGTT). Nach Messung des Blutzuckers nüchtern trinkt die Schwangere wieder ein Glas Wasser, dieses Mal jedoch enthält es 75 g Glucose. Der Blutzuckerspiegel wird eine sowie zwei Stunden später gemessen.

Ernährung und Bewegung

Die Diagnose Schwangerschaftsdiabetes verunsichert viele Frauen. Die Therapie ist häufig jedoch ganz unkompliziert. In etwa 85 Prozent der Fälle reicht es aus, wenn die Schwangere die Ernährung umstellt und sich mehr bewegt, um die Blutzuckerwerte in den Zielbereich zu senken. Komplexe Kohlenhydrate mit einem hohen Ballaststoffanteil in Form von Getreide, Gemüse und kleinen Portionen Obst sollten insgesamt etwa 40 bis 50 Prozent der Nahrung ausmachen. Zudem sollte das Essen etwa 20 Prozent Eiweiße und 30 bis 35 Prozent Fett enthalten. Da der Blutzuckeranstieg morgens aufgrund der dann physiologisch geringsten Insulinempfindlichkeit am größten ist, empfiehlt die Leitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) zum Gestationsdiabetes, weniger Kohlenhydrate zu frühstücken als zum Mittag- oder Abendessen. Auf Süßigkeiten und gezuckerte Getränke sollten Betroffene möglichst ganz verzichten.

Verbessern sich die Werte trotz Ernährungsumstellung nicht, braucht die Schwangere Insulin. Ziel ist es, den Nüchternblutzucker unter 95 mg/dl zu senken, eine Stunde nach dem Essen soll der Blutzucker unter 140 mg/dl liegen. So lassen sich mögliche Risiken wie ein erhöhter Blutdruck, Präeklampsie und Geburtskomplikationen durch ein zu hohes Geburtsgewicht des Babys deutlich reduzieren.

Nach der Geburt reguliert sich der Stoffwechsel wieder. Allerdings haben Frauen, die einen Schwangerschaftsdiabetes hatten, ein deutlich erhöhtes Risiko für einen Typ-2-Diabetes. Das zeigt die Deutsche Gestationsdiabetes-Studie, die vom Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München, und der Forschergruppe Diabetes der Technischen Universität München durchgeführt wurde: 63,6 Prozent der Frauen erkrankten bis zu 15 Jahre nach der Entbindung an einem Typ-2-Diabetes. Ein besonderes Risiko tragen Frauen, die Insulin spritzen mussten oder stark übergewichtig sind. Zudem gibt es eine familiäre Veranlagung. Stillen scheint einen schützenden Einfluss zu haben. Frauen, die mindestens drei Monate gestillt hatten, zeigten anschließend das geringste Risiko für einen Typ-2-Diabetes.

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