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Gestresste Sitzweltmeister

»Die Deutschen werden immer träger«

Die Deutschen verbringen einer Studie zufolge zu viel Zeit im Sitzen, werden immer träger und können Stress nicht ausreichend bewältigen. Nur noch jeder neunte Bürger – ein Tiefstand seit 2010 – führe einen »rundum gesunden« Lebensstil mit Blick auf Ernährung, körperliche Aktivität, Rauchen, Alkoholkonsum und Stresslevel.
dpa
11.10.2021  16:30 Uhr
»Die Deutschen werden immer träger«

Das geht aus dem »DKV-Report 2021« hervor, den Studienleiter Ingo Froböse von der Sporthochschule Köln und die Deutsche Krankenversicherung heute vorstellten. Die Hochschule hatte im Auftrag des Versicherers die Daten von rund 2800 repräsentativ befragten Menschen ab 18 Jahren ausgewertet. Der seit 2010 zum sechsten Mal erstellte Report habe mehrere besorgniserregende Negativrekorde zutage gefördert, sagte DKV-Vorstandschef Clemens Muth. Das gelte auch für die Sitzzeiten: Die Deutschen verbringen werktags inzwischen im Schnitt 8,5 Stunden auf ihrem Allerwertesten – eine Stunde mehr als noch 2018. Junge Erwachsene (18 bis 29 Jahre) sind danach sogar »Sitzweltmeister« mit 10,5 Stunden an Werktagen.

Das Homeoffice – in der Pandemie stark zunehmend – sei zur Sitzfalle geworden. Am meisten sitzen die Bürger bei der Arbeit (33 Prozent) oder vor dem Fernseher (29 Prozent) – Männer eine Stunde länger als Frauen. Zu lange Sitzzeiten könnten riskant sein und negative gesundheitliche Effekte haben, stellte Muth klar. Aber auch beim Empfinden und Bewältigen von Stress habe sich der Wert erheblich verschlechtert. Es dränge sich die Frage auf: »Ist die gesunde Lebensform ein Auslaufmodell?«

Gestresst und inaktiv wie nie zuvor

Der Experte Froböse bilanzierte: »Die Deutschen bleiben träge, sie werden immer träger.« Im Trend lebten sie so ungesund wie nie seit dem ersten Report von 2010. Rund 60 Prozent finden laut der Befragung vom Frühjahr 2021 keine Wege, um den gefühlten Stress zu reduzieren oder auszugleichen. Das sei das bisher höchste gemessene Stressniveau, mahnte der Sportwissenschaftler. »Die Mehrheit schafft es nicht, ihre Akkus wieder aufzuladen.« Die Erschwernisse der Pandemie förderten die Stresslast. »Frauen sind im Vergleich zu Männern belasteter«, erläuterte Froböse unter Hinweis auf Arbeitsbelastung mit Kinderbetreuung und Homeschooling.

Zugleich habe Inaktivität zugenommen, wobei der Faktor Sitzen deutlich zu Buche schlage. Nach den Ergebnissen der Befragung sind rund 70 Prozent der Bürger und Bürgerinnen gemäß den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO mehr als 300 Minuten pro Woche körperlich aktiv. Bei der Arbeit, in der Freizeit oder beim »Transport«, also auf dem Weg von einem Ort zum anderen. Das klingt zwar zunächst gut, 2010 waren es aber noch 83 Prozent.

Und 11 Prozent stuft die Befragung als »Minimalisten« ein, die gerade mal 150 bis 300 Minuten pro Woche körperlich in Bewegung sind. Fast jeder fünfte Deutsche – 19 Prozent – unterschreitet sogar 150 Minuten körperliche Aktivität. Diese inaktive Gruppe mache ihm große Sorgen, unterstrich Froböse. Mit körperlicher Aktivität sind physische – moderate wie intensive – Tätigkeiten im Job oder im Alltag gemeint, die stimulierend wirken. Es geht also keineswegs nur um reinen Sport.

»Die Mehrheit schafft es nicht, ihre Akkus wieder aufzuladen.«
Ingo Froböse, Studienleiter, Sporthochschule Köln

Auffällig stark klaffen die erhobenen Werte mit der Selbsteinschätzung der Befragten auseinander: Aktuell stufen unverändert 61 Prozent ihren Gesundheitszustand als gut oder sehr gut ein. Nach Einschätzung von Muth ist diese krasse Diskrepanz auch ein Beleg dafür, dass viele Menschen kein ausreichendes Bewusstsein für einen gesunden Lebensstil haben.

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