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Die häufigsten Fragen zu Cannabis

Um medizinisches Cannabis ranken sich viele Mythen: Patienten fragen sich etwa, ob sie abhängig werden oder starke Nebenwirkungen auftreten. Die häufigsten Fragen thematisierte Apotheker Tobias Fister auf der Expopharm.
Juliane Brüggen
PZ
20.09.2022  16:00 Uhr

An Erfahrung mit der Cannabistherapie mangelt es Apotheker Tobias Fister von der Helios Apotheke in Wolfratshausen nicht. »Wir haben 80 bis 100 Sorten auf Vorrat und die werden auch alle nachgefragt«, berichtete er. Die Therapie sei sehr individuell, es gebe nicht die eine Sorte, die immer funktioniere. Deshalb sei der intensive Austausch zwischen Patient, Arzt und Apotheker so wichtig.

Die häufigste Frage, die Patienten zu Cannabis an den Apotheker richteten, laute: »Welche Nebenwirkungen muss ich befürchten?« Diesbezüglich könne man sie beruhigen, wenn man das Motto beherzige »Start low, go slow, stay low.« Anders ausgedrückt: Die Einstiegsdosis solle mit beispielsweise 25 mg einmal täglich bewusst sehr niedrig gewählt werden, eine mögliche Steigerung langsam erfolgen und bei der maximalen Dosis eine Obergrenze von 100 bis 200 mg dreimal täglich nicht überschritten werden. Dann erlebten die Patienten nur selten Nebenwirkungen, die sie tatsächlich einschränkten. Am häufigsten seien Müdigkeit, Benommenheit, Mundtrockenheit, Übelkeit und gerötete Augen, die allerdings meist nur in der Einstellungsphase aufträten und dann verschwänden.

Viele Patienten bewege die Sorge, abhängig zu werden. Diese sei laut Studien unbegründet, »zumindest, wenn wir uns in Dosierungen im therapeutischen Bereich bewegen«, sagte Fister. Im Freizeitbereich würden dagegen teilweise mehrere Gramm pro Tag konsumiert, da sehe die Sache anders aus.

Welche Darreichungsform die richtige ist, fragen sich ebenfalls viele Patienten. Das hängt laut dem Apotheker davon ab, welchem Zweck die Therapie dienen soll. So trete die Wirkung nach der Anwendung von vaporisierten Blüten rasch ein und halte etwa zwei bis vier Stunden an. »In der Schmerztherapie ist das etwa vergleichbar mit Metamizol«, informierte Fister. Diese Art der Anwendung sei daher beispielsweise zum Kupieren von Schmerzspitzen geeignet. Cannabisextrakte und Dronabinol fluteten dagegen langsam an und es hänge stark davon ab, was der Patient zuvor gegessen habe. Deren Anwendung habe ihren Platz daher eher in der Langzeittherapie von Patienten mit chronischen Schmerzen.

Interaktionspartner Cannabis

Wie es mit Interaktionen aussieht, müsse individuell geprüft werden. »Alle Arzneimittel können Wechselwirkungen haben«, so Fister. Tetrahydrocannabinol (THC), Cannabidiol (CBD) und Cannabinol (CBN) werden über das Cytochrom-P-450-System verstoffwechselt. Am häufigsten seien Interaktionen mit Antikoagulantien, ZNS-wirksamen Substanzen, Sedativa und Opioiden. Der Apotheker empfahl allen Patienten, die ein Cannabisarzneimittel zum ersten Mal erhalten, mit Arzt und Apotheker einen Wechselwirkungscheck durchzuführen.

Bezüglich der Frage, ob Patienten ein Cannabisarzneimittel in der Öffentlichkeit einnehmen oder anwenden dürfen, erklärte Fister: »Wenn der Arzt fixe Zeitpunkte vorgegeben hat, zum Beispiel um 8, 12 und 16 Uhr zu inhalieren, darf das natürlich in der Öffentlichkeit passieren. Es ist ein Arzneimittel.« Anders sieht der Apotheker es allerdings, wenn die Arzneidroge geraucht wird. Dies sollte an Orten der Öffentlichkeit vermieden werden oder nur an abgeschiedenen Plätzen erfolgen.

Beim Autofahren gelte: »Die Fahrtüchtigkeit muss gewährleistet sein.« Es sei strafbar, wenn ein Patient, der beispielsweise aufgrund von Müdigkeit oder Schwindel beeinträchtigt ist, ein Fahrzeug im Straßenverkehr führe. Gerade in der Eingewöhnungsphase sollten Patienten »Karenzzeit einplanen« und zuerst abwarten, wie sie das Medikament vertragen. Von Vorteil sei eine Bescheinigung der Fahrtüchtigkeit durch den verschreibenden Arzt, aus der hervorgeht, dass in der entsprechenden Dosierung keine Ausfallerscheinungen zu erwarten sind. Außerdem empfiehlt Fister, einen Therapienachweis mitzuführen, zum Beispiel eine Rezeptkopie oder einen Medikamentenpass. 

Eine weitere häufige Frage: Wie sich Cannabisarzneimittel von Opioiden unterscheiden. Grundsätzlich träten weniger Nebenwirkungen auf als bei Opioiden, erläuterte der Apotheker. Das Abhängigkeitspotenzial sei geringer beziehungsweise bei Cannabis in therapeutischer Dosierung nicht nachgewiesen. Auch das Risiko einer Überdosierung sei bei Opioiden höher und solch eine Überdosis könne tödlich enden (Atemdepression). Fister sieht Cannabis vor allem als Add-on zu einer bestehenden Therapie. Krebspatienten, die viele oder hochdosierte Opioide erhalten, könnten durch die Anwendung eines Cannabisarzneimittels gegebenenfalls die Opioid-Dosis reduzieren oder Medikamente absetzen, was die Lebensqualität erhöhe.

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