Die Leiden des starken Geschlechts |
Androgene haben nicht nur Einfluss auf Bartwuchs und eine tiefe Stimme. / Foto: Getty Images/contrastwerkstatt
Der Männer-Spezialist in der Medizin ist der Androloge, das Pendant zum Gynäkologen. Es handelt sich um eine Spezialisierung, die nur Dermatologen, Urologen oder Endokrinologen offensteht. Zwar gehört der berüchtigte Männerschnupfen nicht zum Spezialgebiet der Andrologen, dafür gibt es aber eine Reihe anderer typisch männlicher Erkrankungen, mit denen sie sich beschäftigen.
Molekularbiologisch betrachtet wird ein Mann durch das Chromosomenpaar XY zum Mann. Dabei ist das Y-Chromosom geschlechtsbestimmend: Es enthält das sogenannte Sex determining region of Y-Gen (SRY-Gen) und führt zur Ausbildung männlicher Merkmale. Fehlt dieses Gen – wie bei Vorliegen von XX bei Frauen – so differenziert sich der Organismus zum weiblichen Erscheinungsbild.
Unter dem Einfluss der Sexualhormone bilden sich die primären Geschlechtsmerkmale wie Penis und Hoden sowie die sekundären Geschlechtsmerkmale wie Bartwuchs und eine tiefe Stimme aus. Dabei produzieren Männer und Frauen prinzipiell die gleichen Hormone, jedoch in unterschiedlicher Menge. Während bei Frauen hohe Konzentrationen an Estrogenen und Gestagenen zirkulieren und Testosteron nur eine untergeordnete Rolle spielt, ist es beim Mann genau umgekehrt. Hier dominieren die männlichen Sexualhormone, die als Androgene bezeichnet werden. Sie zählen zu den Sexualsteroiden und wirken primär direkt am Zellkern. Dort beeinflussen sie die Transkription von Genen.
Die inneren männlichen Geschlechtsorgane wie Hoden, Nebenhoden und Prostata dienen hauptsächlich der Produktion und dem Transport von Samenzellen, der Synthese der Sexualhormone sowie der Abgabe von Drüsensekreten. Penis und Hodensack bilden gemeinsam die äußeren Geschlechtsorgane. / Foto: Stephan Spitzer
Testosteron wird beim Mann vor allem in den Leydig-Zwischenzellen der Hoden gebildet. Ein hormoneller Regelkreis mit negativem Feedback steuert Produktion und Freisetzung (siehe Grafik): Im Hypothalamus wird das Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) pulsatil freigesetzt. Dadurch schüttet der Hypophysenvorderlappen luteinisierendes Hormon (LH) sowie Follikel-stimulierendes Hormon (FSH) aus. LH stimuliert in den Hoden direkt die Testosteronsynthese, welche wiederum hemmend auf den Hypothalamus wirkt.
Als wasserunlösliches Steroid liegt Testosteron im Blutplasma fast ausschließlich an Proteine gebunden vor. Als Arzneistoff kann es gut in Gelform transdermal appliziert werden. In Hoden und Prostata, aber auch anderen Organen wie Leber, Gehirn und Kopfhaut wird Testosteron durch das Enzym 5α-Reduktase in 5α-Dihydrotestosteron (DHT) umgewandelt. DHT ist deutlich stärker wirksam als Testosteron und seine biologisch aktivste Form.
Männer unterscheiden sich nicht nur in der Muskelmasse von Frauen. / Foto: Getty Images/Kiuikson
Die Wirkung der Sexualhormone ist nicht auf die Fortpflanzungsorgane begrenzt. Der Hormoncocktail beeinflusst auch das Herz-Kreislauf-System, das Immunsystem, den Stoffwechsel und sogar das Schmerzempfinden. Am bekanntesten ist wohl der anabole, also körperaufbauende, Effekt der Androgene. Dieser wird gezielt beim Doping genutzt.
Männer verfügen über deutlich mehr Muskel-, aber weniger Fettmasse als Frauen. Die Liste der Unterschiede zwischen Mann und Frau ist aber noch deutlich länger: Neben der Organdurchblutung unterscheidet sich auch die Größe des Herzens und damit die Herzfrequenz. Auch metabolische Vorgänge, der Einfluss von Noxen und letztlich die Inzidenz und Ausprägung von Krankheiten unterliegen geschlechtsspezifischen Unterschieden. So leiden zum Beispiel mehr Frauen an Autoimmunerkrankungen, während Männer im Laufe ihres Lebens häufiger an Krebs erkranken.
Der unterschiedliche Körperbau macht sich auch in der Pharmakokinetik bemerkbar: Er beeinflusst etwa die Verteilung von Arzneistoffen. Lipophile Wirkstoffe werden beispielsweise langsamer aus dem vermehrt vorliegenden Fettgewebe von Frauen ausgeschieden. Dass auch die Pharmakodynamik variieren kann, zeigt das Beispiel Alosetron. Der 4-HT3-Antagonist ist in den USA nur für Frauen mit Reizdarmsyndrom zugelassen, bei Männern wirkt er nicht.
Die Gender-Medizin befasst sich mit genau diesen Unterschieden: Ziel ist eine geschlechtsspezifische Medizin als integrativer Bestandteil der zunehmend personalisierten Medizin.
Beschwerden aufgrund einer vergrößerten Prostata sind bei Männern eine wahre Volkskrankheit. Die kastaniengroße Vorsteherdrüse umschließt die Harnröhre und kann über den Enddarm ertastet werden. Im Laufe des Lebens wächst sie unter dem Einfluss der Androgene und führt unter Umständen im höheren Alter zu einem Symptomkomplex, unter anderem mit gesteigertem Harndrang (Polyurie), schwachem Harnstrahl, Restharnbildung und nächtlichem Wasserlassen (Nykturie). Ärzte nennen dies benignes Prostatasyndrom (BPS). Das tatsächliche Volumen der Prostata lässt dabei keinen Rückschluss auf die Symptomstärke und den Leidensdruck des Patienten zu. Als Komplikationen sind wiederkehrende Harnwegsinfektionen und besonders der akute Harnverhalt gefürchtet, bei dem die Blase gar nicht mehr entleert werden kann. Letzteres ist ein Notfall, der mit starken Schmerzen und Druckgefühl einhergeht.